„Von meinen Schulfreunden wurde ich früher immer beneidet, da es bei uns doppelt Geschenke gab“, berichtet Corinna Kulenkamp mit einem Lachen auf dem Gesicht. Das doppelte Geschenkeglück verdankt sie der Herkunft ihrer Mutter, die armenische Wurzeln besitzt und daher christlich-orthodox ist. So gab es im Hause Kulenkamp gleich zweimal Anlass, Weihnachten zu zelebrieren.
Am 24. Dezember wird im Kreise der Familie Weihnachten gefeiert. „Wir sitzen gemütlich beisammen, musizieren, genießen ein schönes Weihnachts-Menü und freuen uns einfach, alle zusammen zu sein“, erzählt Kulenkamp. Geschenke gibt es natürlich auch. Besonders als Kind habe man sich aufs zweite Weihnachtsfest am 6. Januar gefreut, „denn da gab es dann ja wieder Geschenke“, sagt die Mutter einer kleinen Tochter. Das zweite Fest ähnelt vom Ablauf her dem ersten im Dezember, mit einem Unterschied: Auf den Tisch kommen Leckereien nach armenisch, libanesischer Tradition.
Armenien spielt auch eine Rolle in ihrem Debütroman „Aprikosenzeit, dunkel“, mit dem Kulenkamp im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse begeistert hat. Für ihr Erstlingswerk hat sie viel recherchiert, ist sogar mit Stipendien nach Armenien gereist, in das Land, in dem der Roman teilweise spielt.
Ihre Protagonistin ist halb deutsch, halb armenisch, so wie Kulenkamp selbst. Dennoch betont sie, dass der Roman keinerlei autobiografische Züge beinhaltet. „Die Geschichte ist Fiktion. Meine Wurzeln sind auch nicht dort zu finden, wo der Roman spielt. Ich bin zwar zweisprachig aufgewachsen, aber Armenien hat als Land bei uns keine zentrale Rolle eingenommen“, erinnert sich Kulenkamp, die vielmehr gereizt habe, vom Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs und dessen bis heute spürbaren Folgen zu erzählen.
„Ich möchte gerne Dinge beleuchten, die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen“, berichtet Kulenkamp, die Armenien als spannendes Land, in dem sich viel entwickelt, kennengelernt hat.
Ihre Leser entführt die Pfälzerin, die auch als freie Lektorin arbeitet, mit ausdrucksstarken Worten, einer bildhaften Sprache und auf verschiedenen Zeitebenen in eine Welt, in der ihre Hauptfigur Karine sich im postsowjetisch und patriarchalisch geprägten Armenien zurechtfinden muss, dabei auch nach ihrer eigenen Identität sucht sowie der Frage nachgeht, was ein selbstbestimmtes Leben eigentlich ausmacht. Die Lektüre ist spannend, aufwühlend und stimmt auch etwas nachdenklich, ohne jedoch eine bedrückende Schwere zu hinterlassen. Mit 15 Jahren habe sie bereits erste Ideen für den Roman gehabt, den sie jetzt, 21 Jahre später, in gedruckter Form in den Händen halten kann.
Für Weihnachten hat sie einen ganz besonderen Wunsch:
„Gerne möchte ich nach den Lesungen in München, Frankfurt und Berlin auch mal in meiner Heimatstadt aus meinem Roman lesen“, sagt Kulenkamp, die zuversichtlich ist, dass eine Lesung Anfang 2024 umgesetzt werden kann. Bis dahin hat sie Zeit, sich ihrem zweiten Roman zu widmen. Ilai
LESEZEICHEN
Corinna Kulenkamp: Aprikosenzeit, dunkel. Orlanda-Verlag, 338 Seiten, 23 Euro.