Annähernd 250 Unternehmen jeder Größe haben sich dem Verein Zukunftsregion Westpfalz angeschlossen. Ihre Rolle für die Region könne man kaum zu hoch einschätzen, betont der ZRW-Vorstandsvorsitzende Jürgen Adam.
Herr Adam, dominiert die Wirtschaft den ZRW?
Nein. Wir sind kein Wirtschaftsverband, und auch kein intellektueller Club, kein politischer Zirkel. Natürlich spiegelt die große Zahl der Unternehmen, die den Weg in den ZRW gefunden haben, die Priorität wider, die wirtschaftliche Themen haben. Trotzdem: In unserem Vorstand sind alle Blickwinkel vertreten, die der Unternehmen, die der Wissenschaft, die der Kommunen, der Politik. Dadurch erhalten wir für unsere Aktivitäten ein Gesamtbild und nicht nur Einzelperspektiven. Aber es ist nun mal so: Die Wirtschaft und die Attraktivität einer Region kann man nicht trennen.
Auch nicht in Zeiten, wo die Digitalisierung das Arbeiten praktisch von überall her erlaubt?
Meine gesamte Erfahrung sagt mir, dass die Digitalisierung die Abhängigkeit vom räumlichen Platz der Arbeit zwar reduziert, aber nicht aufhebt. Viele Tätigkeiten sind gebunden an die Produktion, an die Entwicklungsorte. Und nehmen Sie die ganzen Dienstleister. Überall, wo Arbeit mit Menschen zu tun hat, gilt nach wie vor: Die Attraktivität einer Region hängt direkt von attraktiven Arbeitsplätzen ab. Ich würde nach wie vor den Satz unterschreiben, dass die Menschen der Arbeit folgen. Keiner kommt in die Westpfalz, weil er mit dem Mountainbike durch den Pfälzerwald fahren kann. Motor von Zuzug und Umzug ist immer die Wirtschaft. Wenn der Arbeitsplatz stimmt, dann kommt der Blick für die Vorzüge der Region. Und davon profitiert dann wieder alles andere. Gastronomie, Sponsoring für Kultur und Sport, Gewerbesteuer, Vereinsleben, Handel ... Übrigens bilden unsere Mitglieder auch die ganze Bandbreite des unternehmerischen Handelns ab. Handwerker, Dienstleister, Start-Ups und Industrie sind vertreten, Global Player und kleinere und mittlere Betriebe. Die Unternehmen bilden nicht nur die größte, sondern auch die heterogenste Gruppe innerhalb unserer Mitglieder. Und dass die Westpfalz nicht nur von wenigen dominierenden Arbeitgebern abhängt, halte ich generell für sehr gut.
Stichwort Zuzug: Braucht die Westpfalz den Zuzug von Fachkräften?
Davon bin ich überzeugt.
Waren die Unternehmen und der ZRW in diesem Punkt schlicht zu langsam? Wann die Babyboomer in Rente gehen, ist schon bekannt und auch, dass zwischendrin in vielen Jahrgänngen viel zu wenig Kinder geboren wurden.
Es ist nicht nur die Demografie. Auch der absolute Trend zum Abitur und zum Studium hat nicht geholfen. Dabei gilt doch längst: Wenn Sie als junger Mensch heute das Ziel haben, viel Geld im Leben zu verdienen, dann lernen Sie ein Handwerk und machen sich selbstständig. Handwerker können sich nicht nur aktuell vor Aufträgen kaum retten und erzielen vergleichbare Einkommen wie mit einer universitären Ausbildung, nehmen Sie nur mal die Heizungsbauer. Wir haben es in der Vergangenheit aber offenbar tatsächlich nicht geschafft, die Vorteile einer Karriere im Handwerk für die Generation Smartphone plausibler darzustellen. Es ist nun mal Arbeit mit den Händen, das haben junge Leute heutzutage vielleicht nicht so auf der Prioritätenliste. In dieser Hinsicht muss sicher noch mehr von uns getan werden. Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass in der Vergangenheit der Schuh in der Westpfalz sehr stark in Sachen Infrastruktur drückte: Handyempfang, schnelles Internet, auch die überregionale Verkehrsanbindung beispielsweise. Auch all die Formate wie die Westpfälzer Wirtschaftsgespräche und die Business Meetings: Es war in den ersten zehn Jahren erst einmal die große Aufgabe, das ZRW-Netzwerk, in dem die Unternehmen sich gegenseitig kennenlernen und unterstützen können, aufzubauen und zu festigen sowie optimale Rahmenbedingungen für optimales Wirtschaften zu schaffen. Wobei natürlich auch wieder die gesamte Region profitiert hat, siehe Handyempfang und Internet.
Und welche Themen werden nun wichtiger?
Für junge Leute ist wichtig, wie sie eine Balance zwischen Familie und Beruf hinkriegen. Da ist ein sehr wichtiges Stichwort die passende, flexible Kinderbetreuung. Und es geht darum, seitens des ZRW nach vorne betrachtet zu leisten, was eine einzelne Firma nicht leisten kann. Wasserstoff wird eine Rolle spielen müssen, Recycling, Kreislaufwirtschaft ... Da braucht es Kooperationen und Stellen, die koordinieren und Fördermittel akquirieren, also den ZRW. Und wir müssen wirklich klarer machen, wie toll die Perspektiven für modern aufgestellte Handwerker sind, damit auch Betriebe in kleineren Orten nicht mangels Nachfolger aufgeben müssen. INTERVIEW: KLAUDIA GILCHER
ZUR PERSON
Jürgen Adam
..., Jahrgang 1966, begann seine berufliche Laufbahn in Kaiserslautern, wo er bei Opel Werkzeugmacher lernte. Danach studierte er an der Hochschule Maschinenbau. Es folgten Stationen bei ABB in Mannheim sowie bei Bosch in Homburg im Saarland. 2009 wechselte Adam zum weltweit agierenden Automobilzulieferer Borg Warner nach Kirchheimbolanden.
Den Vorstandsvorsitz im ZRW übernahm Adam im November 2016. Er lebt in Steinwenden im Kreis Kaiserslautern, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. In seiner Freizeit widmet er sich dem Sport, vom Ski- über Mountainbikefahren bis zum Laufen. kgi