
Ralf Diemer wird hat ein ambitioniertes Vorhaben mit dem 1. FC Kaiserslautern vor. Er will 2000 Spiele seines Herzensvereins live erleben. Wie viel Geld diese Leidenschaft bislang gekostet hat, kann der Fanregion-Vorsitzende nicht sagen. Da wären noch zwei außergewöhnliches Faibles.
Die Liebe zum 1. FC Kaiserslautern begann für Ralf Diemer ausgerechnet – oder gerade – bei einem der glorreichsten Spiele der Vereinsgeschichte. Am 20. Oktober 1973 ist der heute 61-Jährige elf Jahre alt und wohnt in Kindenheim in der Nähe von Grünstadt. Im Ort Ralf Diemer gehört im positivsten Sinne zu den verrücktesten FCK-Fans – Das große Ziel des 61-Jährigen: sein 2000. FCK-Spiel miterleben fahren immer so um die fünf bis sechs Leute zu den FCK-Spielen. nun darf der Knirps endlich mit. „2,90 Mark habe ich für die Eintrittskarte bezahlt“, sagt er. Das 7:4 brennt sich in seinem Erinnerungen ein. Danach will Diemer immer wieder auf den Betzenberg. Mit 13 Jahren fährt er mit dem Bus von Kindenheim nach Grünstadt, steigt dort in den Zug nach Neustadt und dort um in den Zug nach Kaiserslautern. Zwei Jahre macht er das, dann steigt er um auf das Mofa.
Zu diesem Zeitpunkt ahnt er noch nicht, dass er sein Leben einem der größten Traditionsvereine Deutschlands widmen wird. Ralf Diemer hat aktuell 1796 Spiele des FCK live erlebt. 2000 – das ist die Marke, die er gerne und unbedingt erreichen möchte. Diemer hat nicht überschlagen, wie viel Geld er bislang dafür ausgegeben hat, sagt er. Aber er hat schon einmal ausgerechnet, wie viel Zeit seines Lebens er bei den rund 1060 FCK-Heimspielen verbracht hat – fast zwei Jahre. Seit längerer Zeit will er damit beginnen, nachzurechnen, wie viele Kilometer er für den 1. FC Kaiserslautern durch die Welt fuhr. Doch diese zeitintensive Arbeit schiebt er vor sich her. Dem selbstständigen Versicherungsfachmann fehlt die Zeit.
In nun sechs Ordnern ist sein FCK-Leben abgeheftet. Auf einem Blatt ist die Eintrittskarte aufgeklebt, zudem notiert Diemer Datum, Begegnung, Ergebnis, Torschützen und Zuschauerzahl. „Ich hinke aktuell aber etwas hinterher“, sagt er. Diemer hilft im Hintergrund der Witwe des verstorbenen FCK-Zeugwarts Peter Miethe. Das verschlingt Zeit. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Zu sehr vielen dieser Einträge kann Diemer eine Geschichte erzählen. Doch das 5:0 gegen Real Madrid 1982, das 2:0 gegen den SSC Neapel im selben Jahr oder die 2:3-Niederlage gegen den FC Barcelona 1991 sind für ihn die besonderen Heimspiele auf internationaler Bühne.
National führt für Diemer kein Weg am 6:2-Erfolg des FCK 1991 beim 1. FC Köln vorbei – der finale Akt zum vierten deutschen Meistertitel. „Ich fuhr an diesem Tag in Worms auf die Autobahn und sah nur Autos mit FCK-Symbolen“, erzählt er. „Mir hat an diesem Tag jemand 1000 Mark für die Karte geboten. Ich hätte sie nicht mal für 2000 Mark verkauft.“ Seit 2016 ist er Vorsitzender der Fanregion Ludwigshafen, Neustadt und Bergstraße ist. 94 Fanclubs mit etwa 3000 Anhängern hat die Fanregion. Die genaue Zahl soll bald genau ermittelt werden.


Diemer hat den FCK live in allen acht Champions-League-Spielen gesehen und in allen weiteren internationalen Wettbewerben, bei fünf DFB-Pokal-Endspielen. Das ein oder andere internationale Auswärtsspiel nahm abenteuerliche Züge an. 1996 etwa, als der FCK im Europapokal der Pokalsieger bei Roter Stern Belgrad spielt, fährt nur ein Bus mit 38 FCK-Fans zur Partie. Fast 30 Stunden sind die Anhänger unterwegs. „An der ehemaligen jugoslawischen Grenze wurden wir von den Grenzbeamten lange festgehalten. Da kamen Kinder und bettelten um Essen“, erzählt Diemer: „In Belgrad warnte man uns, abends nicht in die Stadt zu gehen. Wir wurden sogar in einem jugoslawischen Bus zum Stadion gefahren. Man hat uns aber erkannt, dann flogen dicke Steine an die Scheiben.“
Die wohl außergewöhnlichste Geschichte ereignet sich im November 1992. Der FCK spielt bei Ajax Amsterdam. Diemer, früher Betriebsleiter eines Baumarkts und seit 1997 selbstständiger Versicherungsmakler, hat die Busfahrt schon bezahlt. Eine Woche vor dem Uefa-Pokal-Spiel aber stirbt die Oma. Der Pfarrer setzt die Beerdigung an jenem Dienstag an, an dem der FCK spielt. Diemer sucht den Geistlichen auf. „Ich habe versucht, ihn zu bestechen, damit er die Beerdigung auf den Montag legt“, erzählt er. Der Pfarrer aber bleibt standhaft. Diemer bucht sich einen Flug nach Amsterdam. Um 18.10 Uhr landet er in Amsterdam, um 18.30 Uhr ist Anpfiff. „Die ersten acht Minuten des Spiels habe ich im Taxi mitbekommen“, sagt er. Der Ausflug nach Amsterdam kommt Diemer teuer zu stehen. Seine Frau lässt ihn nur ziehen, wenn er ihr einen Scheck über 400 Mark ausstellt. „1000 Mark hat mich das Spiel damals gekostet“, sagt Diemer, der seinen 60. Geburtstag in einer VIP-Loge im Fritz-Walter-Stadion feierte.
Die Live-Spiele sind nicht das einzige kostspielige Vergnügen von Ralf Diemer. Er hat noch zwei weitere außergewöhnliche Leidenschaften. Er sammelt FCK-Trikots sowie Mannschaftsbusse im Miniaturformat. Er hat das Meistertrikot von 1991 mit allen Unterschriften, das Original-Jersey von Torwart Andreas Reinke vom Champions-League-Spiel bei Benfica Lissabon. Und: Er hat ein echtes Nationalmannschaftstrikot von Diego Maradona samt Signatur der Fußball-Legende. Den Wert der besonderen Textilien hat Diemer nicht schätzen lassen, aber er katalogisiert sie derzeit. „Ich schätze, dass alles zusammen ein schickes Auto wert sein dürfte“, vermutet er. Um die 200 Trikots des FCK hat Diemer, inklusive Torwarttrikots. Seit 1963, dem Gründungsjahr der Fußball-Bundesliga hat er alle Jerseys mit allen verschiedenen Werbeschriftzügen auf der Brust sowie auch in den verschiedenen Farbvariationen.
Die Miniaturbusse sammelt Diemer seit fast neun Jahren, darunter alle FCK-Mannschaftsbusse – die Busse mit Campari- und Trigema-Schriftzug, und auch den, den Lübecker Fans vor zwei Jahren verschmiert haben. 676 Busse stehen in den Regalen seines großen Kellers – vom FCK, allen anderen Bundes- und Zweitligisten, aber auch vom FC Liverpool, Manchester City, Paris Saint-Germain, Real Madrid oder FC Barcelona. „Von Barcelona lasse ich mit jetzt den Sonderbus vom aktuellen Classico nachbauen“, sagt Diemer. Das Gefährt war extra umfoliert worden wegen des US-Rappers Travis Scott. Der heizte vor dem Spiel ein. Die Busse, die bei Diemer anfertigen lässt, haben den Maßstab 1:87. Nach einem Bericht in der RHEINPFALZ über seine außergewöhnliche Leidenschaft, meldete sich ein Leser bei Diemer, der etwa 40 spanische Modellbusse von spanischen Fußballteams zu Hause stehen hatte. Diemer kaufte diese. „Allerdings hatten sie einen größeren Maßstab“, sagt er: „Deshalb lasse ich sie nun im Maßstab 1:87 nachbauen.“
Ralf Diemer hat ausgerechnet, wann er sein spezielles Ziel erreicht haben wird: 2000 FCK-Spiele live zu erleben. „Wenn alles gut verläuft, dann schaffe ich das in neun Jahren“, sagt er – und wenn es sein müsste, würde er wahrscheinlich auch einem Pfarrer einen Umschlag unauffällig zukommen lassen… MAREK NEPOMUCKÝ