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Wenn der Klimawandel den Stöpsel zieht

Wenn der Klimawandel den Stöpsel zieht

Die ausgetrocknete Dreisam, westlich von Freiburg. Das Wasser ist den sinkenden Grundwasserständen gefolgt und im Untergrund versickert. Foto: UKOLD/Hans Jürgen Hahn

Seit vielen Jahren erforscht Dr. Hans Jürgen Hahn das Leben im Untergrund - nicht das verborgene Leben von Kriminellen, sondern die Fauna in unserem Grundwasser.

Was viele nicht wissen: Das Grundwasser ist der größte kontinentale Lebensraum, in dem ganz seltene Tierarten vorkommen. Forscher bezeichnen sie als "lebende Fossilien", da sie von seit Jahrmillionen ausgestorbenen, oberirdisch lebenden Arten abstammen. Diese Tierchen übernehmen den Reinigungsprozess des Grundwassers und spielen eine wichtige Rolle für die Qualität unseres Trinkwassers. Mit der zunehmenden Trockenheit hat sich Hahns Forschungsthema erweitert. Er geht vermehrt der Frage nach, welchen Einfluss versiegende oder abnehmende Oberflächengewässer auf die Qualität des Grundwassers haben - zuletzt gemeinsam mit der ARD in der Aktion #unser Wasser. ,,Rekordtemperaturen, weniger Niedererschlag und erhöhter Wasserbedarf in der Landwirtschaft - der Klimawandel macht dem Grundwasser zu schaffen", verdeutlicht Hahn. Die Folge: Das Trinkwasser und die Grundwasserökosysteme sind gefährdet, das Mengenproblem wird zu einem Güteproblem.

Das haben Hahn und Forscherkollegen im Sommer im Fachmagazin ,,Water Research" beschrieben. Weltweit sinkt der Grundwasserspiegel, da auch die Neubildungsrate von Grundwasser abnimmt. Gleichzeitig steigen die Grundwasserentnahmen durch die Landwirtschaft und für die Trinkwasserversorgung. ,,Dies hat eine zusätzliche Absenkung der Grundwasserstände zur Folge, und der Landschaftswasserhaushalt ändert sich - die Klimafolgenspirale dreht sich immer schneller", bekräftigt der Forscher. Dadurch kommt es vielerorts zu einem Kipppunkt im Landschaftswasserhaushalt. Anders als bisher drückt das Grundwasser durch den gesunkenen Grundwasserstand an vielen Stellen nicht mehr nach oben und speist Bäche und Flüsse, sondern das Wasser der Fließgewässer versickert in den Untergrund. „Es ist wie in einer Badewanne, in der der Stöpsel gezogen wird", so Hahn. Das Fatale: Durch diese Umkehr können Schadstoffe ins unterirdische Nass eindringen. Denn in den Bächen und Flüssen fließen nicht nur Regen- und Quellwasser, sondern auch die Abläufe von Kläranlagen.

Ihre Schlussfolgerungen stützen Hahn und seine Kollegen auf eine weltweite Literaturstudie zu den Folgen des Klimawandels, den Auswirkungen von Grundwasserentnahme auf diese Ressource und auf Fachartikel zu neuen Schadstoffen im Grundwasser. In der Studie zeigen sie, dass es neue Ansätze und Modelle auf regionaler und lokaler Ebene braucht, um die Wechselwirkungen zwischen Oberflächenwasser und Grundwasser und die Kipppunkte im Landschaftswasserhaushalt zu ermitteln. Klar ist: Das Oberflächenwasser muss weiter vor Verschmutzung geschützt werden. Denn der Zustand der oberirdischen Gewässer hat Konsequenzen für die Grundwasserqualität. Um Schadstoffe im Wasserkreislauf zu minimieren, gibt es eine Lösung: Den Wasserverbrauch zu senken, um weniger Grundwasser zu fördern. Zudem ist es wichtig, den Eintrag langlebiger Schadstoffe zu reduzieren und vierte Reinigungsstufen in Kläranlagen konsequent auszubauen.