Von einem „Act unerhörter Rohheit“, der in Speyer vorgefallen war, musste die „Pfälzer Zeitung“ Anfang Juni des Jahres 1873 ihren Lesern berichten. Noch schockierender als die sinnlose Tat selbst war die Tatsache, dass es sich bei den Tätern um Schüler des Humanistischen Gymnasiums handelte. Was war geschehen?„Unter Gebrüll und Drohungen einiger roher Gesellen wurden nämlich zwischen 12 und 1 Uhr an zwei Häusern der Vorstadt (Ludwigstraße) die Fenster eingeworfen und die Blumentöpfe herabgestürzt“, meldete die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 6. Juni 1873 unter der Rubrik „Vermischte Nachrichten“, wo sonst in der Regel weniger Aufregendes bekanntgegeben wurde.Erst durch Revolverschüsse herbeigerufener Polizisten konnten die Täter vertrieben werden. Einige schwerer Pflastersteine, die die Flüchtenden zurückgelassen hatten, legte allerdings die Vermutung nahe, dass noch weitere Gewaltakte geplant gewesen waren. Dabei bestätigte die „Pfälzer Zeitung“ den Speyerern jedoch, dass diese „im Allgemeinen eine ruhige und anständige Haltung“ pflegten und „Exzesse“ dieser Art in der Domstadt wesentlich seltener vorkamen als in anderen Städten. Umso mehr musste es da doch auffallen, dass in jener Nacht ausgerechnet einem in Speyer lebenden Schriftsteller, „der niemand kränkt oder beleidigt, sondern ruhig und still seiner Muse lebt“, lärmend und schimpfend die Fenster seiner Behausung eingeworfen wurden.Bei dem Schriftsteller handelte es sich um den Pfarrer Josef Eduard Christian Bischoff (1828-1920), der im Anschluss an seine letzte Pfarrstelle in Berghausen im Oktober 1869 in den Ruhestand getreten war und danach seinen Wohnsitz in Speyer genommen hatte. Hier widmete er sich ganz der Schriftstellerei, in dem er unter dem Namen „Konrad von Bolanden“ zahlreiche (historische) Romane verfasste, in denen er sich hauptsächlich gegen den Irrglauben und Unglauben seiner Zeit wandte.
Speyerer Geschichte: Wie dem Schriftsteller „Konrad von Bolanden“ die Fenster eingeworfen wurden
Erst Revolverschüsse der Polizei konnten die Täter vertreiben.
Schon einen Tag nach dem Vorfall meldete die „Pfälzer Zeitung“, dass es gelungen war, die Täter zu ermitteln, bei denen es sich bedauerlicherweise um drei Schüler des Humanistischen Gymnasiums handelte, die sich „trotz strenger Handhabung der Disciplin an dieser Anstalt, zu einer so unüberlegten und sträflichen Handlung hinreißen ließen“. Die Schule reagierte schnell: Wie berichtet wird, hatte das Lehrerkollegium beschlossen, drei besonders belastete Schüler von der Schule zu verweisen. Drei weitere Schüler, die die Tat beobachtet, sich aber nicht aktiv daran beteiligt hatten, erhielten mehrstündige Karzerstrafen. Darüber hinaus wurde ihnen die Entfernung von der Schule angedroht für den Fall, dass sie sich einen weiteren Verstoß gegen die Schulordnung zu Schulden kommen lassen sollten.
Während die Schule ihre Schüler maßregelte, blieb Pfarrer Bischoff, alias „Konrad von Bolanden“, dem die Fenster eingeworfen worden waren, besonnen: Wie die Zeitung abschließend berichtete, hatte er den Tätern „in echt christlichem Geiste“ verziehen und die eingereichte Strafanzeige wieder zurückgezogen. lh