Herr Meier, was für eine Bedeutung hat denn heute eine regionale Tageszeitung wie DIE RHEINPFALZ im fortgeschrittenen Alter von 80 Jahren?
Sie hat sicher wieder die gleiche Bedeutung wie in der Gründerzeit. Damals ging es darum, nach dem Zweiten Weltkrieg eine Diktatur in eine funktionierende Demokratie zu überführen. Deshalb haben die Besatzungsmächte aus Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten die Presse-Unternehmen mit ins Leben gerufen. Und nun merken wir, seit fünf bis zehn Jahren: Die Demokratie ist leider keine Selbstverständlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen über die Dinge, die in ihrem Nahbereich passieren, informiert werden. Lokale Maßnahmen müssen beobachtet und bewertet werden, damit nichts aus dem Ruder läuft.
Was für eine Rolle spielt das Aufkommen von nicht unabhängigen Akteuren in den Sozialen Netzwerken oder anderen digitalen Kanälen?
Eine sehr wichtige. Ich formuliere es mal bewusst provozierend. Die sozialen Medien wirken wie ein Gift auf die politische Teilhabe und Meinungsbildung. Sie emotionalisieren und skandalisieren über den Algorithmus. Der Nutzer kann zum Beispiel nicht immer leicht beurteilen oder prüfen, ob das Geschriebene zutrifft. Das macht es viel leichter als früher, Propaganda zu verbreiten. Aufgabe von seriösen Journalisten ist es ja, erst die Fakten zu prüfen und dann zu berichten.
Von der beschriebenen Entwicklung profitieren dann Personen beispielsweise Donald wie Trump in den USA?
Absolut. Es gibt da zwei strukturelle Unterschiede. Die USA kennen keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und es gibt News Deserts, Nachrichtenwüsten, also ganze Regionen ohne regionale Medien. Was dort dann passiert, dazu gibt es eindeutige wissenschaftliche Untersuchungen. In diesen Gebieten steigt die Wirtschaftskriminalität und die Effizienz einer Verwaltung sinkt deutlich. Die handelnden Personen müssen keine Angst vor einer öffentlichen Kritik haben. Und wenn sie gegen Regeln verstoßen, zahlen sie eben eine Strafe und machen weiter. Hinzu kommt, dass andere Anbieter von Informationen diese Lücke mit Propaganda ausfüllen. So entsteht Polarisierung, und die Leute sind in einer Blase gefangen.
Haben die aktuellen Krisen, angefangen bei der Corona-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg, nun die Trump-Zölle, diese Entwicklung beschleunigt?
Die Welt ist komplizierter geworden und durch die Digitalisierung noch mehr zusammengerückt. In dieser krisenhaften Welt bedarf es konstruktiver Informationen. Journalisten sollten nicht nur schreiben, was passiert ist, sondern auch Hilfestellungen geben. Wo das nicht passiert, wird der Ruf nach einer starken Hand, die für alle entscheidet, lauter. Guter Journalismus schildert nicht nur einen Streit, sondern zeigt bestenfalls auch mögliche Lösungsansätze auf.
Wie groß ist die Versuchung für Journalisten, mit Clickbaiting, also reiẞerischen Überschriften oder verlockenden Bildern, Nutzer zum Klicken im Netz zu bewegen?
Das ist natürlich eine unselige Entwicklung im Kampf um Aufmerksamkeit. Für seriöse Journalisten ist das ein Dilemma. Wer sachlich berichtet, wird weniger wahrgenommen. Da geht es um die goldene Mitte. Das ist die tägliche Herausforderung für die Zunft, um die Journalisten nicht zu beneiden sind.
ZUR PERSON
Klaus Meier, Jahrgang 1968, ist gelernter Journalist. Nach dem Volontariat war er Lokalredakteur bei der Frankenpost in Hof, ehe es ihn an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt zog. Dort absolvierte er ein Journalistik-Studium und promovierte in Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie. Klaus Meier war freier Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks. Ab 2001 baute er als Professor die Studiengänge Online-Journalismus und Wissenschaftsjournalismus an der Hochschule Darmstadt auf. 2009 wechselte er an die Technische Universität Dortmund und befasste sich dort mit den crossmedialen Entwicklungen im Journalismus. 2011 kehrte Klaus Meier an die Universität Eichstädt-Ingolstadt zurück und hat dort den Lehrstuhl inne.