Sommer 1945: Die Pfalz war verheert. Ludwigshafen, Kaiserslautern, Zweibrücken ... lagen in Trümmern. In den Dörfern herrschte nackte Not. Wie sollte denn quasi aus dem Nichts eine neue Zeitung für die Pfalz entstehen?
Materiell war in der Tat so gut wie nichts mehr da, auf das man aufbauen konnte. Aber ideell gab es neuen Reichtum: Mut, Entschlossenheit, Aufbauwillen. Unbescholtenheit, Können, Erfahrung und Glück - das war die Mixtur, mit der Josef Schaub es schaffte, aus dem scheinbaren Nichts eine neue, überparteiliche Zeitung für die Pfalz zu produzieren und zu verteilen. Am 29. September 1945, also knapp vier Monate nach Kriegsende, erschien die erste RHEINPFALZ mit einer Startauflage von 53.210 Exemplaren. Rückblickend wirkt das wie ein Wunder.
Josef Schaub, ein Zeitungsmann aus Deidesheim, hatte sich von den Nationalsozialisten nicht vereinnahmen lassen, hatte Berufsverbot, war zeitweise untergetaucht. Weil er also unbescholten, unbelastet war, erhielt er von den französischen Besatzungsbehörden den Auftrag, eine Zeitung für die Pfalz zu machen. Schaub hatte in der Weimarer Republik die „Neue Pfälzische Landeszeitung“ aufgebaut, galt als Könner seines Metiers.
Nach dem Krieg nutzen ihm seine große Erfahrung und seine Netzwerke: Mit einem Maschinensetzer, einem Schriftsetzer, dem Sohn eines früheren Druckereibesitzers und einem Drucker gelang gemeinsam die Verlagsgründung. Und es kam Glück hinzu: Die Franzosen waren bisweilen eine „milde“ Besatzungsmacht, stellten in Lambrecht eine reparierbare Druckmaschine zur Verfügung. Schaubs Pfälzer Naturell traf sich mit der Lebenslust der französischen Offiziere. Es wurde mehr gefeiert als zensiert.
Um die Nachfrage brauchten sich die fünf Verlagsgründer keine Sorgen zu machen. Die Menschen in der Pfalz dürsteten nach den Jahren der gleichgeschalteten Nazi-Presse regelrecht nach überparteilichen, unabhängigen Informationen. Von nun an ging's bergauf.
Bald schon 170.000 Zeitungen
1947 verfügten die Franzosen eine Pressereform: Redaktionsmitglieder durften keinen Parteien mehr angehören. Die RHEINPFALZ führte folgerichtig den Zusatz: „Unabhängige, überparteiliche Zeitung für Politik, Kultur, Wirtschaft, Heimat und Sport“ in ihrem Titel ein. In immer mehr Städten der Pfalz wurden Lokalredaktionen aufgemacht. Seit 1948 erschien die Zeitung drei, statt zweimal pro Woche. Die Auflage pendelte sich bei 170.000 ein. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland musste die Zeitung nicht länger von den Franzosen lizenziert werden. Im harten Konkurrenzkampf mit anderen Zeitungsneugründungen in der Pfalz setzte die RHEINPFALZ sich durch. Mit dem „ASZ-Sportblatt“ und dem „Pfälzer Feierowend“ (1949 bis 1968) schuf sie sich Alleinstellungsmerkmale und mit der „Pfälzer Abendzeitung“ und später dem „5-Uhr-Blatt“ folgte sie dem Trend zu Boulevardmedien. 1951 bezog der Verlag seinen Hauptsitz im neuen Pressehaus in der Amtsstraße in Ludwigshafen. Automatische Setzmaschinen und modernste Druckmaschinen wurden angeschafft.
Die große Zäsur im Jahr 1964
Als besonders schwierig erwies es sich in den Anfangsjahren, wie in allen anderen deutschen Verlagshäusern auch, unbelastete und zur Kritik fähige Redaktionsmitglieder zu finden. Schaub berief 1951 den Grünstadter Walter Hück zum Chefredakteur. Der hatte ein gutes Händchen für unbelastete Redakteure und journalistische Talente. Groẞ waren die Einflussversuche von Parteien, Politikern, Verbänden und Wirtschaft auf die Redaktion. Aber an Josef Schaub sind alle Einflussversuche und Beschwerden von außen abgeprallt. Erbegründete damit eine verlegerische Tradition der RHEINPFALZ, die ihrem Ansehen und ihrer Unabhängigkeit sehr nutzte.
Die erste große Zäsur im RHEINPFALZ-Verlag erfolgte 1964: Josef Schaub, der längst von seinen vier Mitbegründern des Verlages die Mehrheitsanteile erworben hatte, ging nach 19 Jahren in den Ruhestand. Sein 26-jähriger Sohn Dieter übernahm das Ruder. Der erwarb bald das „Pfälzer Tageblatt“ in Landau. Damit war die RHEINPFALZ endgültig eine Zeitung für die gesamte Pfalz. Dieter Schaub verteidigte mit Geschick und Mut das Verbreitungsgebiet der RHEINPFALZ gegen die „Bild“-Zeitung und andere Medien. „Nur Wachstum garantiert Überleben“ war seine Überzeugung. Er schuf ein Netz von Anzeigen- und Wochenblättern. Er stieg mit dem RHEINPFALZ-Verlag in die Stuttgarter Verlags GmbH ein, zu der die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Stuttgarter Nachrichten“ gehören. Bald war der Ludwigshafener Verlag der größte Anteilseigner in Stuttgart. Dieter Schaub begründete mit „Sonntag aktuell“ (1980 bis 2007) eine siebte Ausgabe der RHEINPFALZ. Der wurde ab 1973 die Fernsehbeilage „IWZ“ beigelegt, Jahre später folgte das Freizeitmagazin „LEO“.
Der Stuttgarter Fritz Schlossareck löste 1976 den legendären Walter Hück als Chefredakteur ab, sorgte für mehr Freiheiten in der Redaktion, für eine liberalere Ausrichtung des Blattes und für mehr Qualität, vor allem in der Wirtschafts- und Kulturberichterstattung.


1977 verabschiedete sich die RHEINPFALZ als eine der ersten deutschen Tageszeitungen vom Bleisatz und stellte die Produktion auf hochmodernen Lichtsatz um. Im Juni 1980 liefen zum letzten Mal die Druckmaschinen in der Amtsstraße. Dieter Schaub hatte in Ludwigshafen-Oggersheim ein Druckzentrum errichten lassen - die bis dahin größte Investition in der Verlagsgeschichte. Aus der ganzen Republik pilgerten Verlagsleute ins „ODZ“, das damals den neuesten Stand der Satz- und Drucktechnik repräsentierte. Der RHEINPFALZ-Verlag engagierte sich bald auch in Magazinpresse- und Buchverlagen.
„Medienpolitischer Urknall“
Dieter Schaub entwickelte den Verlag entschlossen weiter vom Zeitungshaus zum Medienunternehmen. Als „medienpolitischer Urknall“ wurde der Start des Ersten Privaten Fernsehens (EPF) gefeiert, als es aus einem Fernsehstudio im Ludwigshafener Pressehaus auf Sendung ging. Erfolg war dieser Pionierleistung nicht beschieden. Bald starteten RTL und SAT1 bundesweit. Dagegen hatte EPF keine Chance und wurde 1987 eingestellt. Ganz anders beim privaten Radio: Damit startete der Verlag 1986. Heute ist er einer der großen Anteilseigner bei vielen privaten Rundfunksendern.
Dieter Schaub zog die Konsequenz daraus, dass sein Verlag jetzt ein multimediales Unternehmen war. 1987 machte er den RHEINPFALZ-Verlag zur Holding Medien Union Ludwigshafen (MUL). Ein regelrechter Coup gelang ihm, als er nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 mit großem persönlichen Einsatz für 192 Millionen D-Mark die „Freie Presse“ in Chemnitz erwarb, eine der größten Tageszeitungen in der DDR.
Zum Jahreswechsel 1993/94 übergab Dieter Schaub nach 30 Jahren die Verlagsleitung an seinen 31-jährigen Sohn Thomas Schaub. Zu jenem Zeitpunkt lag die Medienunion in Druckauflage gemessen Platz vier im deutschen Tageszeitungsmarkt.
Zeitgleich mit dem Wechsel in der Verlagsleitung vollzog sich ein Wechsel in der Chefredaktion: Fritz Schlossareck ging nach 18 Jahren in Ruhestand. Ihm folgte der damals 34-jährige gebürtige Speyerer Michael Garthe.
Thomas Schaub konnte gleich aus dem Vollen schöpfen: Sein Vater hatte noch eine neue Rotation gekauft. Mit ihr konnte zum ersten Mal in Deutschland eine auf allen Seiten farbige Tageszeitung gedruckt werden. Michael Garthe