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75 Jahre Lokalredaktion - Speyer

Wichtigstes Thema: satt werden

Die Speyerer kamen frierend ins Jahr 1947. Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine nicht nur witterungsmäßig raue Zeit, in der eine eigene Lokalausgabe der RHEINPFALZ entstand und von der die damals noch nicht täglich erscheinende Zeitung natürlich auch berichtete.

Wichtigstes Thema: satt werden

Aus Schweden: Die Landeskirche verteilt 1947 in Speyer Nahrung. FOTO: ZENTRALARCHIV DER EV. KIRCHE DER PFALZ, FOTOSAMMLUNG HILFSWERK

Die Gründung der heutigen Universität für Verwaltungswissenschaften ist einer der vergleichsweise wenigen feierlichen öffentlichen Anlässe im Speyer des Jahres 1947. Die französischen Besatzungskräfte initiieren die in Deutschland einmalige Höhere Verwaltungsakademie nach einem französischen Vorbild, um kompetente und demokratische Kräfte für die neuen Behörden auszubilden. Die Hochschule hat ihren ersten Sitz im heutigen Finanzamt Speyer. Eine weitere Neugründung des Jahres 1947 nutzt damals noch das Gebäude Maximilianstraße 100, das heutige Stadthaus: die Rentenversicherung. Aus der „Landesversicherungsanstalt Hessen-Pfalz“ wird die „Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz“.Der knapp 30.000 Köpfe zählenden Stadtbevölkerung dürften solche Namensänderungen in der Breite ziemlich egal gewesen sein. Die meisten Speyerer hatten vor 75 Jahren andere Sorgen. Der Winter 1946/47war extrem hart und von Hunger geprägt. Im Februar wies der ein Jahr zuvor gewählte ehrenamtliche Oberbürgermeister Paul Schaefer auf die Sorgen hin, ein kritischer Appell die – im Jahr zuvor aus Speyer abgezogenen – übergeordneten Regierungen folgte: Es fehlte vor allem am damals wichtigsten Grundnahrungsmittel Kartoffeln. Regional war festgelegt, welche Gebietskörperschaft wie viele Nahrungsmittel liefern musste. Das brachte für den Germersheimer Landrat die Auflage mit sich, 750 Tonnen Kartoffeln für die Stadt Speyer zu organisieren. Bis zu drei Zentner davon sollten wiederum– je nach Größe – auf die einzelnen Haushalte verteilt werden. Aber: Es kam nicht genügend in der Domstadt an – das war auch das Thema der politischen Proteste.

Die Speyerer kamen frierend ins Jahr 1947. Es war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eine nicht nur witterungsmäßig raue Zeit, in der eine eigene Lokalausgabe der RHEINPFALZ entstand und von der die damals noch nicht täglich erscheinende Zeitung natürlich auch berichtete.

Die Bürger mussten teilweise zum Äußersten greifen, um ihre Familien durchzubringen. So sind Fahrten bis in den Hunsrück und die Eifel überliefert, um sich Kartoffeln zu besorgen. Die Felder im näheren Umland waren vor illegalen „Stopplern“ nicht sicher. Der Tauschhandel blühte. Nicht benötigte Gegenstände wurden – auch mit Anzeigen in der RHEINPFALZ – angeboten, um an Lebensmittel zu kommen. Hufnägel wurden gegen Eier getauscht, Pelze gegen Butter und Mehl. Hilfe gegen den blanken Hunger kam unter anderem aus der Schweiz: Die Caritas aus dem Nachbarland ermöglichte Speisungen in Speyerer Schulen, Kindergärten sowie für kinderreiche Familien. Zwei Schweizerinnen regelten vom katholischen Vereinshaus aus die Versorgung von täglich fast 4000 Kindern und Jugendlichen. Gekocht – unter anderem Linsen- und Erbsensuppe – wurde in drei jeweils 300 Liter fassenden Kesseln. Die evangelische Kirche organisierte Hilfe aus Schweden. Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk half mit Kleidung und mit Einrichtung für die neue Berufsschule aus.

Am 18. Mai 1947 standen Wahlen im neu gegründeten Bundesland Rheinland-Pfalz an. 80 Prozent der Wahlberechtigten in der Domstadt beteiligten sich – und brachten der SPD gegen den Landestrend mit 5532 Stimmen den Sieg vor der CDU mit 4659, der KPD mit 1471 und dem FDP-Vorgänger Sozialer Volksbund mit 570 Stimmen.

Am selben Tag wurde über die Landesverfassung entschieden. 4215 Speyerer waren dafür, 7375 dagegen. In ganz Rheinland-Pfalz überwog die Zustimmung knapp – und die Umlandgemeinden im damaligen Landkreis Speyer stimmten zumeist anders ab als die Domstädter. Bis auf den Drei-Stimmen-Vorsprung der SPD in Mechtersheim lag in allen Dörfern die CDU vor den Sozialdemokraten. Die Befürworter der Verfassung dominierten bis auf Berghausen, Mechtersheim, Otterstadt und Waldsee klar. rhp/wk/pse