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Wie lässt sich Zukunft gestalten? Alles technisch Machbare gleich fröhlich in Produkte umzusetzen, kann der Weisheit letzter Schluss kaum sein. Die digitale Transformation zu begleiten, das hat sich die Offene Digitalisierungsallianz Pfalz zur Aufgabe gemacht. Warum dabei trotz aller Affinität zum technischen Fortschritt der Mensch nicht aus dem Blick geraten darf, erläutern im Interview die beiden Hochschulprofessoren Dieter Wallach und Jan Conrad.
Herr Conrad, Herr Wallach: Sie formen an der Hochschule die schöne neue Welt kräftig mit. Was erwartet uns? Nurmehr Arbeitsplätze mit Datenbrille und Smartphone ausgestattet?
Wallach: In der Tat ist dieses Bild nicht selten in den Köpfen. Aber das ist ein massives Missverständnis. Wir können durch Datenbrille und Smartphone selbstverständlich keinen Facharbeiter ersetzen. Das wäre ein pures manuelles Imitieren und ist nicht Ziel der Digitalisierung. Wir müssen die Vorgänge, die digital unterstützt werden sollen, tiefgreifend verstehen. Erst wenn Bedürfnisse von Nutzern nachvollzogen sind, technische Möglichkeiten ausgelotet und der wirtschaftliche Zusammenhang betrachtet ist, gelingt es, viel umfassendere, effizientere und aufgabenorientierte Prozesse zu entwickeln, die mit digitalen Möglichkeiten unterstützt werden.
Der Bediener erhält eine neue Rolle: Er orchestriert mehr oder weniger die Zusammenarbeit von Maschinen. Und er steuert dies mit Sprache, Gestik, auch taktil, also mit seinem Tastsinn. Der Facharbeiter wird also weiterhin gebraucht. Grundsätzlich aber wollen Sie mit der Digitalisierungsallianz auch Unternehmen dabei unterstützen, günstiger zu produzieren, Dienstleistungen effektiver zu gestalten. Wer gehört zur Zielgruppe?
Conrad: Das Transferprojekt richtet sich fokussiert an kleine und mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe. Digitalisierung und Transfer haben einen technischen und einen betriebswirtschaftlichen Aspekt. Wir haben den Blick auf die technische Umsetzung, also die Nutzung und deren Vernetzung als eine Facette.Das andere ist der betriebswirtschaftliche Blick auf neue, angepasste Geschäftsmodelle. Neue entstehen, andere verschwinden. Es geht also um verbesserte Herstellungs- und Betriebsverfahren und Geschäftsprozesse im Kleineren, die auch für bestehende Unternehmen interessant sein können.
Wallach: Das Wichtigste aber: Neben Wirtschaft und Technik steht bei uns der Mensch tatsächlich im Fokus. Wir interessieren uns dafür, menschliche Bedürfnisse zu identifizieren und zu überlegen, an welcher Stelle kann ich eine bestmögliche Unterstützung für den Menschen leisten. Oder wir haben einen Arbeitsplatz und fragen uns, was kann dort klug automatisiert werden, damit der Bediener seine kreativen Möglichkeiten und Aufmerksamkeit jener Herausforderung widmen kann, die eben bis heute allein von Menschen erledigt werden kann.
Wer den Sie mit konkreten Lösdungswünschen konfrontiert?
Conrad: Natürlich ist es unser Wunsch, dass die Betriebe auf uns zukommen und wir an deren konkreten Problemen arbeiten können. Aber damit man überhaupt mal eine Idee kriegt, was möglich ist, braucht man Transfer und Demonstrationsobjekte.
Wallach: Wir versuchen ja, mit konkreten Transferprojekten zu illustrieren, was Digitalisierung bedeutet. Dass es eben gerade nicht darum geht, einen Prozess, den es schon gibt, mit digitalen Mitteln eins zu eins nachzuzeichnen. Sondern sehr gezielt aufzuzeigen, welches Potenzial darin liegt, wenn man Bedürfnisse von Menschen versteht, um auf dieser Grundlage Lösungen zu entwickeln.
Prozesse und Lösungen veranschaulichen. Wie geht das?
Conrad: Als Demoobjekt nutzen wir gerne einen Gegenstand mit hohem Alltagsbezug: das Auto. Am Hochschulstandort Zweibrücken haben wir auch Bundespräsident Steinmeier bei seinem Besuch gezeigt, dass man Daten direkt am Fahrzeug visualisieren kann. Was beispielsweise den Blick auf ein anderes Medium wie Laptop und Tablet erspart und die Bedienung des Autos sozusagen menschgerechter macht.
Sie tauschen sich aus mit Unternehmen, aber auch mit möglichen Nutzern der Produkte?
Wallach: Ja, auch im virtuellen Raum, in dem wir ein neues Produkt entstehen lassen können, ohne dass es physisch überhaupt vorhanden sein muss. Prototypen veranschaulichen Ergebnisse von Entwicklungsarbeiten, machen sie für die Zielgruppe erlebbar — und sparen Kosten. Dies hilft uns die Frage zu beantworten, ob ein prototypisch umgesetztes Konzept – ob virtuell oder mit 3D-Drucker erstellt, aus Papier oder schriftlich formuliert – die Ansprüche von Nutzern erfüllt. Oder ob ein darauf aufbauendes Produkt überhaupt gebraucht wird. cha
— Professor Dieter Wallach widmet sich in Forschung und Lehre dem Schwerpunkt Human-Computer Interaction und Usability Engineering.
— Professor Jan Conrad widmet sich dem Schwerpunkt Entwicklung/Implementierung interaktiver Systeme.
TERMIN
Eine Veranstaltung plant die Allianz für den 19. November in Zweibrücken. Nähere Infos finden sich in Kürze auf offenedigitalisierungsallianzpfalz.de.
STICHWORT
Digitalisierungsallianz
Die Offene Digitalisierungsallianz Pfalz ist ein ambitioniertes Vorhaben, das die Hochschule Kaiserslautern, die Technische Universität und das Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) angepackt haben. Erklärtes Ziel ist es, den Austausch von Ideen, Wissen und Technologien mit Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern – und damit interdisziplinär für Fachgebiete wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz die digitale Transformation mitzugestalten. Zu den strategischen Partnern zählt auch der Verein ZRW. cha
Start in die Informatiker-Karriere noch zu Wintersemester möglich
Die Perspektiven? Einfach glänzend. Händeringend werden Informatiker gesucht. Und gerade in der Region finden junge Menschen ja beste Bedingungen vor, sich für eine aussichtsreiche Karriere auf naturwissenschaftlich-technischem Sektor zu qualifizieren. Da bietet sich die Hochschule Kaiserslautern an: Der Einstieg ins Studium ist dort übrigens noch zum Wintersemester möglich.
Und was erwartet die Studierenden? Pures Programmieren? Mit diesem Missverständnis möchte Dieter Wallach gern mal aufräumen. „Klar ist das ein wesentlicher Aspekt, denn Lösungen müssen ja in die digitale Welt gebracht werden“, sagt der Inhaber der Professur für Human-Computer Interaction, angesiedelt am Standort Zweibrücken. Aber: „Wir haben bereits vor fast zwanzig Jahren – als erste Hochschule überhaupt in Deutschland – mit der Widmung einer eigenen Professur Methoden zur menschzentrierten Produktentwicklung fest im Informatikstudium verankert.“
Dies zeuge vom hohen Praxisbezug des Studiums, das Programmierung nicht als Selbstzweck vermittle. Vielmehr werde ein umfassendes Verständnis für die Belange und die Sichtweisen all der beteiligten Akteure vermittelt. Mit anderen Worten: Studenten lernen, all jene – Anbieter wie Konsumenten – zu verstehen, für deren Bedürfnisse sie eigens zugeschnittene Lösungen entwickeln, denen sie mit ihrem technischen Know-how Dienstleistungen oder Produkte neu zu erstellen oder zu optimieren helfen.
Professor Jan Conrad verweist in dem Zusammenhang auf den seit zwei Jahren bestehenden Masterstudiengang Informatik mit dem Profil Mensch-Technik-Interaktion (MTI). „Auch da kann man sich noch fürs kommende Wintersemester einschreiben. Die Lehre wird zwar etwas anders stattfinden als gewohnt. Es bleibt aber gut studierbar – auch in der Krise“, ist der Prodekan des Fachbereichs Informatik- und Mikrosystemtechnik überzeugt.
An den Hochschulstandorten Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken erwerben zurzeit etwa 6300 Studierende in rund 70 Studiengängen und Weiterbildungsangeboten ihr berufliches Rüstzeug. Mehr Informationen auf www.hs-kl.de cha