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Region mit Zukunft

„Wir sind im achten Monat, in dem nichts geht“

Die Veranstaltungsbranche in der Westpfalz kämpft für ihre Zukunft und macht in Mainz und in Berlin Druck

„Wir sind im achten Monat, in dem nichts geht“

Ein Bild aus besseren Tagen: Eventmanager Timo Holstein (links) und Max Giesinger backstage beim Festival der Arena 2018 während der 650-Jahr-Feier in Kirchheimbolanden.

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Konzerte, Theater, Feste und Messen – alles abgesagt. Die Veranstaltungsbranche wurde von der Pandemie besonders hart getroffen. Timo Holstein aus Kirchheimbolanden kämpft dafür, dass die politische Aufmerksamkeit nicht schwindet. Er sagt ernüchtert: „Ich treffe zwar auf offene Ohren, aber mit mangeln dem Verständnis für die Realität in der Branche.“

„Landauf, landab“ habe er getrommelt, sagt Holstein. Der Inhaber des Unternehmens „eigenARTevents.com“ gehört zu den Initiatoren des Runden Tisches der Veranstaltungswirtschaft Rheinhessen/Pfalz, deren Mitglieder einen Forderungskatalog erarbeitet haben, um die Branche aus der, wie Holstein formuliert, existenziellen Not zu befreien. Bei der Landesregierung in Mainz war man bereits mehrfach zu Gast, in Berlin ebenso, Videokonferenzen mit hochrangigen Ministeriumsvertretern haben stattgefunden und tun es noch. Das Problem: „Die Diversität der Branche wurde bei den Entscheidungsträgern komplett nicht verstanden“, sagt Holstein.

Holstein: Branche blutet aus

Diese Diversität zeigt sich schon beim Blick in die Mitgliederliste des Vereins Zukunftsregion Westpfalz (ZRW). Neben Holsteins Agentur finden sich dort beispielsweise das Katzweilerer Unternehmen Kirsch Veranstaltungstechnik und der Branchenkollege Eventech-Pro aus Kaiserslautern, die Pink-Floyd-Tribute-Band Eklipse, der Messe-Spezialist Expo Solutions, der Hochzeitsfotograf Martin Koch, der Caterer Schottlers Genussreich und der Ausstatter und Deko-Anbieter Vogelei. So umfangreich diese Liste ist: Bühnenbau, Messebau, Ton-, Licht- und Videotechnik, Kongressveranstaltung, Bewirtung und Dokumentation würden längst nicht das gesamte Spektrum abbilden, sagt Holstein. „Es geht auch um die, die mit uns reisen, um die Mietmusiker, die Roadcrew und um die Ticketverkäufer. Die müssen auch ihre Rechnungen bezahlen.“

Das Stichwort in diesem Zusammenhang heißt ausbluten: Der Branche drohe der Verlust von Fachwissen und -personal, schildert Holstein die Sorgen seiner Kollegen. „Uns werden Player fehlen“, formuliert er. „Der Trucker arbeitet wieder als Handwerker, junge Veranstaltungskaufleute wechseln die Branche.“ Dies sei sehr problematisch, denn die Qualität in der Eventbranche sei über 25, 30 Jahre weitgehend autodidaktisch gewachsen. „Viele Standards, die das Berufsbild ausmachen, hat die Branche zunächst intern entwickelt, bevor sie in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer als Ausbildungsinhalt festgeschrieben wurden“, nennt Holstein als Beispiel. „Wenn nach der Krise nur noch Amateure übrig bleiben,wäre das doppelt schlimm“, findet er. Denn wer einen Brotberuf habe und die Veranstaltungsbranche mehr als Hobby sehe, der könne sich billig anbieten.

„Wir sind jetzt im achten Monat, in dem so gut wie nichts geht“, sagt Holstein. „Autokonzerte, Picknicks: Das war alles nett und schön für die Leute und in der ersten Notlage auch passend. Was es nicht war, ist ein Geschäftsmodell.“ Er spricht von einem Mehr an Technik, einem Mehr an Sicherheitspersonal, aber einem Minus beim Publikum. „Für Bands und Veranstalter ist das betriebswirtschaftlich rechte Tasche, linke Tasche.“

Pandemie verschärft bestehende Probleme

Holstein, Jahrgang 1973, ist lange im Geschäft, auch als Musiker. Er rockte einst als Frontmann der Coverband „Snails House“ die Bühnen. Heute ist er Veranstalter mit angegliedertem Technikverleih, seine Agentur berät und unterstützt Kommunen wie beispielsweise die Stadt Kirchheimbolanden in Fragen ihres Kulturangebots und übernimmt das Management für Künstler wie Glasperlenspiel und Michael Schulte.

Generell seien Auftrittsmöglichkeiten für Künstler zurückgegangen, sagt er. Bei Stadtfesten werde gespart, längst nicht Konzerte, Theater, Feste und Messen – alles abgesagt. Die Veranstaltungsbranche wurde von der Pandemie besonders hart getroffen. Timo Holstein aus Kirchheimbolanden kämpft dafür, dass die politische Aufmerksamkeit nicht schwindet. Er sagt ernüchtert: „Ich treffe zwar auf offene Ohren, aber mit mangelndem Verständnis für die Realität in der Branche.“ mehr so viele Vereine wie früher würden Rocknächte veranstalten. „Machen wir uns nichts vor: Auch vielen Vereinen fehlen jetzt Einnahmen aus Sommerfesten und Weihnachtsmärkten. Ich gehe davon aus, dass 2021, unabhängig davon wie die Pandemie läuft, der eine oder andere Osterrock nicht mehr stattfinden wird. Und was ist, wenn die eine oder andere Kneipe mit Musikangebot nicht überleben wird? Dann fehlen noch mehr Auftrittsmöglichkeiten. Und mit solchen Kulturangeboten schwindet auch Lebensqualität auf dem Land. Abgesehen davon, dass viele Veranstaltungen, egal ob Hochzeit, Messe oder Konzert, ja rechtzeitig geplant werden müssen.“ Die Probleme für einen Veranstalter würden da schon beim Lastwagen anfangen, sagt Holstein. „Etliche Trucks sind zumindest abgemeldet, wenn nicht verkauft.“

Holstein und seinen Mitstreitern geht es um das Kultur- und Veranstaltungsangebot, das landläufig als Mainstream bezeichnet wird. Gemeint ist, dass das Angebot den Geschmack eines breiten Publikums trifft. „Wir sind nicht Kultur im Sinn des von der Politik ohnehin geförderten Angebots,wir hängen nicht in Förderprogrammen“, sagt er. Deshalb sei auch die Digitalisierung nicht die Rettung der Branche, nicht für den Konsumenten und „schon gar nicht für die Wertschöpfungskette“. Holstein sagt: „Abgesehen davon, dass bei vielen digitalen Auftritten bisher das Urheberrecht mit Füßen getreten worden ist: Onlinekonzerte bedeuten zum Beispiel kein Taxi, das Besucher bringt, kein Catering, kein Hotel, das Zimmer vermietet, und keinen, der den Bauzaun drumherum aufstellt ...“

Ärger mit dem Kleingedruckten

Glücklicherweise höre die Politik jetzt besser zu, schildert Holstein den Eindruck der Mitglieder des Runden Tisches. Doch immer noch sei nicht völlig verstanden worden, wie die Branche arbeitet, findet er. Die Ausgestaltung der sogenannten Novemberhilfe und der angekündigten Einmalzahlung von 5000 Euro für sieben Monate hinterlasse viele Fragezeichen. Es geht um aus Branchensicht schwammige Begriffe und Auslegungsfragen, etwa, wenn es darum geht, wer unmittelbar und wer mittelbar betroffen sei.

Holstein spricht von „Formulierungen, die nach außen gut klingen und so offenbar Druck vom Kessel nehmen sollen“. Auch Datenschutzfragen und das Damoklesschwert der sogenannten Scheinselbstständigkeit stünden im Raum. Im Kleingedruckten der Antragsunterlagen müsse auf jeden Fall nachgebessert werden. Und: „Es darf aus meiner Sicht auch nicht sein, dass die Einmalzahlung auch rückwirkend schon alle Ansprüche aus den de facto Berufsverboten seit März abgelten soll.“ kgi