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LEO SAISON HERBST

GEO-TOUR: Das flüssige Silber aus kühlen, finsteren Tiefen

Aus späten 18. Jahrhundert verzeichnen Stollensysteme Ausbreitung von Silber, Quecksilber und Mineralien wie Silberamalgam

GEO-TOUR: Das flüssige Silber aus kühlen, finsteren Tiefen

Das „Bet- und Zechenhaus der combinierten Landsberger Quecksilberwerke“ wurde 1758 gebaut und 1839 erweitert. Foto: Kai Scharffenberger

Der Ort hat fast etwas Unheimliches, Schauriges und lässt ahnen, warum manche Romantiker vom Bergbau und seiner „Unterwelt“ so fasziniert waren: Kommt man auf den zwischen Mauern eingefriedeten Treppenstufen dem Gitter vorm Stollen Gottesgab immer näher, so fühlt man es mit jedem Schritt kälter und kälter werden. 

Der Spätsommer ist an diesem Sonntag auf dem Moschellandsberg noch schweißtreibend, hier aber, vorm Gitter, fühlt es sich geradezu eisig an, so frostig weht es aus dem in Jahrhunderten durch den Berg getriebenen Gängen und Stollen nach draußen. Wie komplex und dicht dieser Berg oberhalb von Obermoschel infolge des jahrhundertelangen Bergbaus von Gräben, Stollen und sonstigen Hohlräumen durchzogen ist, hat sich erst 2020 in Erinnerung gebracht, als sich neben der Straße ein Loch im Erdboden auftat und für zweieinhalb Jahre den Verkehr ausbremste. 

40 Kilometer Stollen

Wann es losging mit dem Bergbau auf dem Moschellandsberg bei Obermoschel, liegt im Dunkeln, erklärt Ralf Kauth auf dem Parkplatz oberhalb des Burghotels und vis-àvis des alten Zechenhauses aus dem späten 18. Jahrhundert, dem Treffpunkt zu dieser Geo-Tour zum früheren Bergbau in Obermoschel. Erste Dokumente aus dem 15. Jahrhundert ließen erkennen, dass zu dieser Zeit schon von einem entwickelten Bergbau auszugehen ist. Und Pläne aus dem späten 18. Jahrhundert verzeichnen bereits Stollensysteme von enormer Ausbreitung. Silber und Quecksilber machten den Bergbau hier attraktiv, auch Mineralien wie Silberamalgam – Älteren noch vom Zahnarztbesuch bekannt. 

Ralf Kauth führt diese Wanderung, die Teil ist eines Tourenprogramms zu Bergbau und Geologie im Donnersbergkreis, mit reicher Sachkenntnis. Nicht nur aus seiner Mitwirkung beim Landesverband für Höhlen- und Karstforschung oder den Höhlenforschern Karlsruhe ist er mit dem Bergwesen eng vertraut. Er ist mit den Stollen und Gängen hier quasi aufgewachsen, sein Vater sei noch Mitarbeiter im Labor der Betriebsstätte gewesen, als der Bergbau hier noch lief, erzählt der 72-Jährige. 

Refugien für Fledermäuse

Die kleine Wanderung über den dicht bewaldeten Hang folgt dem dort angelegten Geo-Kulturpfad, der mit witzigen Ideen kindgerecht angereichert ist. Das Gelände, das sich der Wald seit dem Auslaufen des Bergbaus in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts zurückerobert hat, ist eigentümlich. Geröll prägt das Bild, auf den Wegen, auf den Hängen unter altem Laub. Die Landschaft wirkt nicht natürlich geformt. Ihren schroffen Rhythmus verdankt sie den Halden, die der Bergbau hier hinterlassen hat. Hier und da zeigen sich zudem Mulden, Abrisse, Spalten, bald auch die Mundlöcher der Gruben. Wo sie einen Menschen durchlassen könnten, sind sie mit Gittern gesichert – die zugleich Fledermäuse rein- und rauslassen. Hier haben sie Refugien und sind auch geschützt. Freilich, so mutige wie leichtsinnige Eindringlinge hat es immer wieder mal gegeben. Kauth erinnert an eine solche „Expedition“ Ende der 80er Jahre, die damit endete, dass zwei Männer im Berg abrutschten und sich nicht mehr befreien konnten. Herbeigerufene Helfer hatten viele Stunden mit der Bergung zu tun. Hätten sich die Retter aber besser ausgekannt, wäre es nur Sache einer Viertelstunde gewesen, erzählt Kauth mit Schmunzeln von einer solchen, glimpflich ausgegangenen Begebenheit. 

Viel ist zu erfahren auf der Tour über den Bergbau, vom Zinnober und Fahlerzen als Ausgangsmineralien, von der großen Vielfalt der hier vorhandenen Gesteinsarten, über die Plackerei in den engen Stollen, über die Methoden zur Verarbeitung der Erze, die Verwendungen von Quecksilber – als Medizin gegen Syphilis, in Messgeräten wie Thermometern, als wichtiges Material für Schalter und Zünder.

Die Montangeschichte am Landsberg war wechselhaft. Lange währt eine erste spätmittelalterliche Hochphase des Silber- sowie des Quecksilberabbaus, der damals von europaweiter Bedeutung war. Sie endetim 30-jährigen Krieg. Erst gut 100 Jahre später wird der Bergbau wieder aufgenommen und zu neuer Blüte gebracht. Aus dieser Phase stammt das Bet- und Zechenhaus mit dem auffälligen Türmchen, in dem die Schichtglocke die Hauer zu Gebet und Arbeit rief. Nachlassende Ausbeute und Preisverfall brachten den Bergbau 1865 erneut zum Erliegen. Eine letzte Abbauperiode fällt in die NS-Zeit, in die Jahre 1933-42, als Quecksilber etwa für Zünder von Torpedos und Seeminen militärisch bedeutend war. Damals sei das Stollensystem nicht erweitert worden. Statt dessen habe man die Gruben miteinander verbunden. Das Gestein, mit dem sie verfüllt worden waren, wurde über ein Lorensystem ausgefahren und mit inzwischen verbesserten Verhüttungsverfahren verwertet. 

Von Anlagen wenig verblieben

Vorstellen kann man sich die Betriebsamkeit hier kaum noch, außer dem Bet- und Zechenhaus und den Mundlöchern zu den Stollen ist nicht mehr viel zu sehen, auch nicht von der Betriebsanlage, die wegen des Wassermangels auf dem Berg unten im Städtchen errichtet worden war, oder gar von früheren Pochwerken zur Zerkleinerung des Gesteins. Geblieben ist die von außen nicht sichtbare Innenwelt, die zahllose Generationen in Gruben und Stollen mit Namen wie Erzengel, Vertrau auf Gott, Gottesgab oder Karolina tief unter die Moschellandsburg getrieben haben – Kauth spricht von 280 Metern Abbauhöhe, von über 40 Kilometern Stollen und Schächten. Geblieben sind zudem die Landschaftsformen, die der Bergbau hier geschaffen hat. Etwa die Grube Backofen, von der nach der Umwandlung in Tagbau – ob durch Sprengung oder Abtragung, sei nicht bekannt, so Kauth – eine tiefe, trichterförmige Mulde verblieben ist. Sie ist heute bestückt mit einer Spielpatz-Seilbahn, mit der man sich über diesen Kessel im Wald und die darunter verborgene Welt hinwegschwingen kann. Thomas Behnke

TIPP

Weitere Ziele: Die Geo-Tour auf dem Landsberg sollte man mit einem Besuch der Ruine der Moschellandsburg oben auf dem Berg verbinden. In der Stadt selbst sind bspw. das Radiomuseum von Hermann Nagel (geöffnet jeden zweiten Sonntag im Monat, 13-17 Uhr, und n. tel. Vereinbarung: 06362 8167) oder das Schuck’sche Haus (Wilhelmstr. 18) aus dem späten 16. Jahrhundert, nach Restaurierung ein architektonisches Kleinod, interessante Ziele.

Geo-Touren bietet der Donnersberg-Touristik Verband zwischen März und Oktober wöchentlich an. Besucht und erläutert werden geologisch interessante Stätten oder Orte des Bergbaus, der im Donnersbergkreis eine reiche Geschichte hat. Nächstes Ziel ist am 24.9. wieder Obermoschel. Danach: 8.10. Dachsberg (Göllheim), 15.10. Winnweiler-Hochstein, 22.10. Donnersberg, jeweils 14 Uhr. Infos: www.donnersberg-touristik.de, Tel. 0642 1712. bke