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75 Jahre DIE RHEINPFALZ

Mit stinkenden Klamotten

Die Grünen waren anders und über sie zu schreiben, eine Herausforderung. Erfahrungen von Wolfgang Blatz

Mit stinkenden Klamotten

Von Anfang an liefen die Bundesversammlungen der Grünen anders als die Parteitage der damals etablierten Parteien. Unser Foto zeigt eine Kampfabstimmung 1980 in Saarbrücken, bei der eine junge Frau seelenruhig an einem Pullover strickt.

In der RHEINPFALZ, aber auch bei anderen Medien, ist es (noch) so, dass das Berichten über Parteien aufgeteilt wird. Der Gedanke dabei: Nur wer einigermaßen Zeit hat, das Geschehen in einer Partei zu verfolgen, kann fundiert darüber schreiben und kommentieren. Als der Verfasser dieser Zeilen im RHEINPFALZ-Politikressort andockte, war die Partei Die Grünen gerade mal 13 Jahre alt. Von den älteren Kollegen war keiner darauf erpicht, zu ihren Bundesversammlungen zu gehen. Nicht ohne Grund: Man weiß nie, wie die Treffen verlaufen. Vor 20 oder 30 Jahren noch sehr viel weniger als heute. Das ist sehr demokratisch, aber auch sehr anstrengend. Hunderte von Änderungsanträgen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten werden von den Delegierten eingereicht – damit drohen lange Diskussionen. Dies war insbesondere in den 90er-Jahren der Fall, als sich bei den Grünen die Flügel fetzten: die sogenannten Realos und die eher links eingestellten Parteifreunde.

Verwurzelt in der selbstdrehenden Szene

Die älteren Politik-Redakteure gingen da lieber zu einem durchorganisierten CDU- oder FDP-Treffen. Was natürlich dem Nachrücker die Chance eröffnete, sich nun ebenfalls einer Partei widmen zu können. Zumal er – im Gegensatz zu den Kollegen – nicht davon ausging, dass die Grünen schnell wieder von der politischen Bühne verschwinden würden.

Bisweilen hat der nichtrauchende Schreiberling seinen Entschluss bereut. Vor allem, wenn er bei einem Delegiertentreffen weit nach Mitternacht endlich wieder im Hotel eintraf und dermaßen nach Zigarettenrauch stank, dass er seine Kleider am gekippten Fenster nach draußen hängte. Viele Grünen-Delegierte, verwurzelt in der selbstdrehenden alternativen Szene, rauchten damals wie Schlote.

Oder auch, wenn der Redakteur – vor allem im Jahrzehnt nach der Wende – voller Energie zu einem Tagungsort aufbrach, den die Grünen indes vor allem aus einem Grund gewählt hatten: der vergleichsweise niedrigen Saalmiete. Ein Höhepunkt in dieser Hinsicht war 1996 der Parteitag im schönen thüringischen Ort Suhl. Dort, wo der Bahnreisende aus dem Westen erst nach vielen Umwegen und mehrmaligem Umsteigen eintraf, war ein großes Kongresszentrum aus dem Boden gestampft worden. Suhl galt damals, bevor der Klimawandel so richtig einsetzte, als Wintersportort. Das leuchtete dem RHEINPFALZ-Redakteur auch sofort ein, als er am 29. November von seinem Hotel auf der Höhe aus den Blick über das Schnee-Panorama und zum Kongresszentrum drunten im Tal schweifen ließ.

Dumm war nur, dass er nach Ende des Parteitags so gegen Mitternacht keinen Bus mehr fand, der ihn nach oben ins Hotel gebracht hätte. Auch kein Taxi. Nichts fuhr mehr. Dafür fiel viel Schnee in dicken Flocken.

Nur imRückblickwar es schön, eine Stunde durch den Schnee zu stapfen und sich dabei zu überlegen, was man denn inwenigen Stunden der Zentrale in Ludwigshafen über das Grünen-Geschehen in Suhl durchs Telefon diktieren könnte (damals gab es noch keine Laptops mit Internetverbindung).

Bei den Grünen kann man aber nicht nur den Körper trainieren. Ab und zu kann man auch was fürs Leben lernen. So wie 1994, als Marianne Birthler im Wahlkampf für die Bundestagswahl Station im thüringischen Wernigerode machte, der Partnerstadt von Neustadt an der Weinstraße. Birthler war in den Wendejahren eine der prägenden Figuren der ostdeutschen Oppositionsbewegung gewesen. Sie kämpfte bis zum Mauerfall für die Demokratisierung der Gesellschaft in der DDR. Von 2000 bis 2011war die weit über Parteigrenzen geachtete Brandenburger Ex-Ministerin die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen-Behörde.

Diese Frau also, die sich in der DDR offen gegen die Parteidiktatur gestellt hatte, saß nun fünf Jahre nach der deutschen Einheit in einem gemütlichen Wernigeroder Gasthaus und diskutierte mit einer Handvoll Bürgern. Anwesend war auch ein Journalist aus der Region, der Marianne Birthler nach dem Ende der Veranstaltung begrüßte und sie fragte: „Nun, Frau Birthler, dann sagen Sie mir mal, was ich jetzt schreiben soll!“ Das Gesicht von Marianne Birthler, die ein umgängliches Wesen und eine offene Art hat, verdunkelte sich schlagartig. Sie zischte etwas in der Art „Und Sie haben es immer noch nicht begriffen!“.

Der Redakteur aus der Pfalz aber nahm aus dieser Begegnung die Erkenntnis mit, dass es auch mit der politischen Umwelt in Deutschland damals nicht zum Besten stand.