Er ist ein Quälgeist, gegen den kein Kraut gewachsen zu sein scheint. Wer einen Tinnitus hat, findet sich oft in einem Teufelskreis wieder: Stress löst die störenden Ohrgeräusche aus, was wiederum zu Stress führt. Die Hochtöne könnten aber auch ein Zeichen für das Fehlen sozialer Beziehungen sein, weiß Diplom-Psychologe Markus Schwabbauer. Er erläutert, wie man dem Phänomen ganzheitlich begegnen kann.
Auslöser störender Ohrgeräusche finden und stoppen – Ganzheitlicher Ansatz für die persönliche Erfolgsstrategie
„Der Hörsinn hat eine besondere Aufgabe“, sagt Schwabbauer. Er sei ein Frühwarnsystem, das Reize aus einer größeren Umgebung wahrnehme. Im Gegensatz zum Auge lässt sich das Ohr aber nicht einfach schließen. Das Ohr sei unser empfindlichstes Sinnesorgan und liefere dem Gehirn immerzu, auch nachts, akustische Daten.
Verschiedene Ursachen
Genau hier liegt die Krux: Diese Daten müssen gefiltert und bewertet werden, was bei jedem unterschiedlich funktioniert. Das macht den Tinnitus zu einem individuellen Leiden: Bei jedem können die Auslöser unterschiedlich sein. Laut Schwabbauer ist ein Tinnitus nicht zwangsläufig körperlicher Natur, sondern kann auch seelisch begründet sein. Schwabbauer, der vor seinem Psychologie-Auslöser störender Ohrgeräusche finden und stoppen – Ganzheitlicher Ansatz für die persönliche Erfolgsstrategie Studium als Tontechniker beim Film arbeitete und bereits als therapeutischer Leiter der Psychosomatik einer Münchner HNO-Klinik mit den Schwerpunkten Tinnitus und Hörstörungen tätig gewesen ist, drückt das so aus: „Die Sinnesorgane sind den körperlichen Funktionen zuzuordnen, das Wahrnehmen und Interpretieren der Sinneseindrücke geschieht eher auf der psychischen oder emotionalen Ebene. Und der soziale Aspekt ist die verbindende Funktion der Sinne. Die Sinne sind also Teil jeder der drei Dimensionen.“
Individuelle Lösungen
Auf dieser Erkenntnis gründet er seine „Tinnitus-Lösung“. „Es existiert kein Medikament oder sonstiges Hilfsmittel gegen Tinnitus“, betont der Psychologe. Vielmehr müsse jeder seine persönlichen Stressoren ermitteln und seinen eigenen Weg finden, dagegen vorzugehen. Dabei helfen etwa folgende Fragen: Gibt es körperliche Leiden, die Stress verursachen, indem sie Ängste auslösen oder die weitere Teilhabe am sozialen Leben verhindern? Gibt es Konflikte am Arbeitsplatz oder in der Familie/Partnerschaft? Ist der Leistungsanspruch an sich selbst zu hoch? Führt eine Situation zur Anspannung, die man erträgt statt etwas daran zu ändern?
Helfen kann es laut Schwabbauer aber bereits, die eigene Fokussierung auf den Tinnitus zu erkennen und gegenzusteuern: „Versuchen Sie, den eng gestellten Tinnitus-Fokus zu weiten, erlauben Sie sich wieder die Wahrnehmung anderer Sinneseindrücke. Erleben Sie sich als genussfähigen Menschen, ausgestattet mit feinen Sinnen, die Ihnen erlauben, nicht nur die Schlange, sondern auch die herrlich duftende Blumenwiese wahrzunehmen. Trainieren Sie die aktive Umlenkung Ihrer Aufmerksamkeit auf die anderen Sinne“, rät der Experte.
Darüber hinaus können Gedanken und Bewertungen Angst und Trauer auslösen und damit den Tinnitus erzeugen oder verstärken. Dann gelte es, auf typische Denkfehler zu achten und hilfreiche Alternativen auszuloten. Manchmal helfe der Trost, dass der Tinnitus zwar nicht angenehm sei, es jedoch viele andere Dinge im Leben gebe, die Genuss versprechen.
Nicht zuletzt rät Schwabbauer dazu, gezielt Anspannung und Stress abzubauen. Die Entspannungsmethode, ob Yoga oder Progressive Muskelentspannung, müsse aber Spaß machen: „Wenn wir nicht mit Freude bei der Sache sind, dann üben wir auch nicht regelmäßig.“ Der dauerhaften Anspannung müsse man aber mit den für einen selbst funktionierenden Methoden dauerhaft entgegenwirken. wig
ZUM WEITERLESEN
Markus Schwabbauer, „Die Tinnitus-Lösung. Die eigene Stille schaffen. Ohrgeräusche dauerhaft ausblenden“, Südwest/Falken, 2021, 190 Seiten, 18 Euro