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GrubiNetz: Geringe Literalität

Bildungschancen für alle: Die Bedeutung der Alphabetisierung in der Gesellschaft

6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland können nicht richtig lesen und schreiben. In den nächsten Jahren könnten es noch mehr werden. Das sieht auch Julia Kirsch vom GrubiNetz und gleichzeitig möchte sie, dass die Stigmatisierung dieser Menschen aufhört.

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten die Lese- und Schreibförderung im Erwachsenenalter anzugehen. FOTO: GISELA BÖHMER
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten die Lese- und Schreibförderung im Erwachsenenalter anzugehen. FOTO: GISELA BÖHMER

Immer noch ist das Thema mit viel Scham besetzt. So denken viele, dass Analphabeten oder neu: Menschen mit geringer Literalität, dumm und faul sind. „Das sind nicht die wahren Gründe dahinter. Es sind Vorurteile“, informiert Julia Kirsch, Regionale Netzwerkkoordinatorin (Region Pfalz) GrubiNetz - Kompetenznetzwerk. „Warum manch ein Mensch nicht lesen und schreiben kann, hat viele Gründe und Ursachen“. So kann beispielsweise durch eine längere Krankheit im Grundschulalter essenzielle Bausteine der Sprachbildung fehlen. Das Problem wird in den jungen Jahren nicht erkannt oder versucht zu korrigieren und endet dann mit einem Menschen, der vielleicht einzelne Buchstaben beherrscht oder ein paar Wörter nur aneinandersetzen kann. In ihrem stabilen Umfeld fällt das Problem nicht auf, erst bei der Berufswahl oder auf der Arbeit werden die Probleme konkreter. Aus diesem Grund haben oftmals Menschen mit einer geringen Literalität nur Hilfsjobs oder kommen aus dem Niedriglohnsektor.

Zum Tag der Bildung, der am 24. Januar stattgefunden hat, informierten die Netzwerke Grubi, Lerncafé und ALFAmobil an einem Infostand im Kaufland in Frankenthal. Den Ort habe man bewusst ausgewählt. „Menschen mit einer geringen Literalität müssen genauso einkaufen gehen, wie alle anderen auch. Nur sie achten nicht auf das geschriebene Wort beim Einkauf. Sie merken sich, wie die Verpackung aussieht, welche Form und Farbe. So können auch sie ihren Einkauf meistern, ohne dass jemand etwas davon merkt“. Julia Kirsch sieht eine weitere große Welle auf uns zu rollen.„Durch Corona kam es zu einem massiven Ausfall an Unterricht. Wurde dieser nicht zu Hause kompensiert, werden hier Schüler heranwachsen, die eine Lese- und Schreibschwäche haben. Unser Schulsystem ist nicht ausgerichtet, hier einzugreifen und die Probleme zu kompensieren“. Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß sie, dass Analphabeten sich grundsätzlich „durchwurschteln“. „Diese Menschen haben oft Mittelsmänner, die das Problem kennen und unterstützen. Wichtig wäre es, dass genau diese Menschen, ob Familie oder Freunde, das Angebot kennen und dem Analphabeten unterbreiten. Denn auch als Erwachsener kann man Lesen und Schreiben lernen oder seine Grundbildung verbessern!“

Auf die Frage, wann ein Analphabet einen Kurs besucht, weiß sie: „Es muss etwas Besonderes passieren. Der Mittelsmann muss wegbrechen oder aber die eigenen Kinder brauchen Unterstützung in der Schule“. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die einen Menschen dazu bewegen, sich dem Problem Lesen und Schreiben zu widmen. „Eine Frau kam zu uns in den Kurs, ihr Wunsch war es, ein einziges Mal an einem Elternabend in der Lage zu sein, ein Protokoll zu führen“, berichtet sie weiter.

Manche können lediglich einzelne Buchstaben lesen und schreiben, andere nur Wörter oder einfache Sätze. Doch jeder kann seine Lese- und Schreibkompetenz verbessern. Eine adäquate Lese- und Schreibkompetenz kann sich auf viele Bereiche des Lebens positiv auswirken. Ob es Behördengänge sind oder ein besserer Job, es gibt viele Gründe, sich auch im Erwachsenenalter mit der Sprachbildung auseinanderzusetzen.

„Wir wünschen uns, dass Arbeitgeber, Freunde und eben diese Mittelsmänner, wenn sie das Problem sehen, mit uns Kontakt aufnehmen, damit wir helfen können. Das Angebot rund um eine Lese- und Schreibförderung ist vielfältig. Ob in einem Lerncafé, wo man in entspannter Atmosphäre ohne Lerndruck gemeinsam an dem Problem arbeitet, oder aber in einem richtigen Kurs, beispielsweise an den Volkshochschulen, mit festen Terminen und Hausaufgaben - es gibt viele Grundbildungsangebote. Und was können wir als Gesellschaft tun? „Geld in die Hand nehmen, die Sprachförderung schon bei den Kindergärten wieder fest implementieren und die Beratungsdienste weiter stärken“, weiß Julia Kirsch. „Ein weiterer Punkt: die Entstigmatisierung der Menschen. Sie sind nicht faul oder dumm, es fehlt ihnen nur an einer Kompetenz. Sie brauchen unsere Unterstützung und keine abweisende Haltung“.

VON GISELA BÖHMER

INFO

Unterstützung gibt es!
ALFA-Telefon | Lesen und Schreiben
lernen für Erwachsene 0800 53 33 44 55

ALFA-Mobil: www.alfa-mobil.de ,
www.mein-schlüssel-zur-welt.de
GrubiNetz: www.grubinetz.de ,
Region Pfalz: Jennifer Müller-Handzik,
Landesarbeitsgemeinschaft anderes lernen e. V.,
jennifer.handzik@andereslernen.de, Telefon 0151 28863911

Lerncafés der Mehrgenerationenhäuser
Frankenthal: MGH, Mahlastraße 35,
Herr Roos, 0177 7190619, kontakt@lerncafe-ft.de