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75 Jahre Rheinland Pfalz - Kirchheimbolanden

Beim Riesling klar die Nummer eins

Beim Riesling klar die Nummer eins

Eine besonderes Fleckchen Erde an der Mosel: der Piesporter Erzlay, der nur per Schiff vom anderen Flussufer aus zu erreichen ist. FOTO: SINGER

PIESPORT. Das Weinland Rheinland-Pfalz hat schon alles erlebt. Erst ist regional getrunken worden, dann wurden, als das Land halb so alt war wie heute, nicht nur Urlaube an immer weiter entfernten Zielen hipp, sondern auch die Weine von dort. Doch nun, anno 2022, kehrt vielleicht ein Umdenken ein. Dass eine Flasche Wein auf diesem Globus im Schnitt 1000 Kilometer vom Erzeuger bis zum Endkunden zurücklegt und die Flaschen vom anderen Ende der Welt dann auch noch für ein paar Euro im Supermarkt im Regal stehen, könnte zu denken geben. Es wäre ein günstiger Moment, auf lokale Sorten umzusteigen, zumal es angesichts eines sich verändernden Klimas kaum noch Weine gibt, die sich nicht in der Pfalz, Rheinhessen oder dem Rheinland anbauen lassen. Vor allem bei den wohlklingenden Roten hat der Südwesten mächtig aufgeholt.Wenn Rheinland-Pfalz eine Klammer hat, die es zusammenhält, dann ist es vielleicht der Wein. Fast die Hälfte der 13 Anbaugebiete in Deutschland liegen zwischen Wörth, Koblenz und Trier: die Pfalz, Rheinhessen, die Mosel, die Nahe, die Ahr und nicht zu vergessen der zwischen Bingen und Bonn liegende Mittelrhein.

Alle Lagen, fast alle Sorten: Es gibt wenig, was das Weinland Rheinland-Pfalz nicht zu bieten hat. Die Pfalz ist in Sachen Wein so etwas wie das Herzstück Deutschlands. Immerhin wird in Neustadt die Deutsche Weinkönigin gewählt.

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Mit seiner Ernte auf der Mosel: Johannes Singer. FOTO: SINGER
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Die Pfälzische Weinkönigin von 2021: Sophia Hanke (rechts) mit den beiden Prinzessinen Laura Wessa (links) und Sabina Kobek. FOTO: CKA

Weinberg als Hochzeitsgeschenk

Das Weinbauland Rheinland-Pfalz steht für „Tradition, Vielfalt und Moderne“, sagt Johannes Singer von der Mosel, der gemeinsam mit seiner Frau ein sehr spezielles Hochzeitsgeschenk bekam. Als es mit der Hochzeitsgesellschaft am 6. Juli 2013 auf der Mosel am einzigen nur per Schiff erreichbaren Steillagenweinberg Deutschlands vorbei ging, hieß es: So, der gehört jetzt euch. Der Schwiegervater hatte den Piesporter Erzlay in einer Nacht- und Nebelaktion einige Jahre zuvor erworben. Einen Gefallen hat die Familie sich mit dem Erwerb der berühmten Lage in Piesport im Landkreis Bernkastel-Wittlich aus finanzieller Sicht nicht getan, wie Singer gesteht. Aber privat genießt er „einfach das Gefühl, den Weinberg zu haben“.

Von Piesport aus sind es ein, zwei Minuten über die Mosel. Aber vom Betrieb, dem Sektgut St. Laurentius in Leiwen, aus sind Johannes und seine Frau Nadine Herres-Singer eine Stunde lang unterwegs zu ihrem Juwel. In den Weinbau ist Singer mit der Hochzeit eingestiegen. Der gelernte Maler- und Lackierermeister hat Praktika in der Champagne und in Luxemburg absolviert. Damit war er auf den Spuren seines Schwiegervaters Klaus Herres unterwegs, der ebenfalls in der Champagne gelernt hatte und in dieser Tradition an der Mosel arbeitet.

Der Weg war steinig, doch längst zählt er zu den Sekt-Spitzenerzeugern in Deutschland und beliefert schon lange Schloss Bellevue in Berlin. Johannes Singer war auch schon einmal zu Gast beim Bundespräsidenten. Sein Schwiegervater kennt alle Staatsoberhäupter seit Johannes Rau, wie er erzählt.

Die Mosel: Berühmt für ihre Steillagen

Die Mosel steht für ihre Steillagen. Die mit Abstand wichtigste Sorte ist der Riesling. Das gilt auch für die Nahe, deren Anbaugebiet mit gut 400 Hektar bestockter Rebfläche etwa halb so groß ist wie das der Mosel. Die Nahe führt eine Art Dornröschenschlaf. Neben dem Rheingau, der die Mainzer und Wiesbadener lockt, hat sie es schwer. Dabei rühmt sie sich einer besonderen Bodenvielfalt, deutschlandweit hat sie die engräumigsten Wechsel. Der Bad Kreuznacher Raum ist also eine Reise für Weinfreunde wert. Das kleinste Anbaugebiet ist der Mittelrhein (Riesling), wenig größer ist die Ahr, die sich selbst gerne rühmt, das größte zusammenhängende Rotweinanbaugebiet Deutschlands zu sein. Wie die Mosel mit ihrem berühmten Calmont Klettersteig haben die Ahr wie auch der Mittelrhein in den Hängen unglaubliche Ausblicke zu bieten. Wer sich die Mühe macht, auf den Wegen zwischen den steilen Lagen herumzukraxeln, kommt in dieses Vergnügen.

Rheinhessen und die Pfalz sind die beiden Flaggschiffe, wenn es um deutschen Wein geht. Der liegt im internationalen Vergleich der Anbauflächen zwar nicht unter den ersten Zehn, gehört in den Jahren 1990 bis 2020 aber zu denjenigen, die zugelegt haben. Nach Angaben des Deutschen Weininstituts immerhin um 8,4 Prozent. „Tabellenführer“ Spanien hat in diesen 20 Jahren mehr als ein Drittel eingebüßt, liegt aber immer noch vor Frankreich und Italien, die sich hinter dem aufkommenden China, auf Rang drei und vier einreihen. Was die Daten auch verraten: Deutschland ist beim Riesling im weltweiten Vergleich ganz klar die Nummer eins. Der feinfruchtige, meist säurebetonte Weißwein wächst in allen 13 Anbaugebieten Deutschlands. Fast ein Viertel der Rebfläche in Deutschland ist mit Riesling bestockt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts vom31. Juli 2020 ist er in der Pfalz (5924 Hektar), in Rheinhessen (4970), an der Mosel (5422) und am Mittelrhein (301) die am meisten angebaute Sorte, nur an der Ahr reiht der Riesling sich mit 46 Hektar hinter dem Spätburgunder (366) ein.

Deutsche Weinkönigin wird in der Pfalz gewählt

Hof hält der Riesling entlang der 85 Kilometer langen Weinstraße zwischen im Süden Schweigen-Rechtenbach an der französischen Grenze und im Norden bis nach Bockenheim – und darüber hinaus, denn auch die Nordpfalz will nicht vergessen werden.

Die Pfalz hat Weinschulen- und Institute mit Weltruhm. In Neustadt wird jedes Jahr Anfang Oktober die deutsche Weinkönigin gekürt. Schließlich locken von Frühjahr bis in den Herbst hinein Weinfeste in die kleineren und größeren Weinorte entlang der Weinstraße. Allen voran der an zwei Wochen stattfindende Wurstmarkt in Bad Dürkheim am zweiten und dritten September-Wochenende. Im Jubiläumsjahr stellt die Pfalz mit Klaus Schneider aus Dirmstein im Landkreis Bad Dürkheim den Präsidenten des Deutschen Weinbauverbands (DWV) und außerdem den Präsidenten des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), Steffen Christmann aus Neustadt.

Für Furore mit ihren Weinen sorgen die jungen Winzer und Winzerinnen der Pfalz, die in ihren Familienbetrieben als nicht mal 30-Jährige das Ruder in die Hand bekommen haben und nach einer oft kurzen Übergangsphase ins kalte Wasser geworfen werden und tolle Weine produzieren.

Die Gewinner in der Pfalz sind die Menschen: Sie haben die Qual der Wahl. Und das auch bei den „Locations“ wie es Neudeutsch so schön heißt. Denn von urigen und knorzigen Weinkneipen bis hin zu ultraschicken Vinotheken hat die Pfalz alles zu bieten. Und ganz ähnlich ist es auch in den anderen Landesteilen. Im Weinland Rheinland-Pfalz gibt es viel zu erleben. CHRISTINE KAMM
  

AHR BIS RHEIN

Die Anbau-Gebiete

Rheinland-Pfalz ist das Weinbauland Nummer eins in Deutschland. Rund zwei Drittel aller deutschen Wein werden hier produziert. Sechs der 13 deutschen Anbaugebiete liegen in dem an Frankreich und Luxemburg angrenzenden Bundesland im Südwesten der Bundesrepublik: die Pfalz, Rheinhessen, die Mosel, Nahe und Ahr sowie der an Nordrhein-Westfalen angrenzende Mittelrhein.

Ahr

Das Weinanbaugebiet Ahr gehört mit seinen 560 Hektar Rebfläche zu den kleinsten Anbaugebieten Deutschlands. Von der Quelle in Blankenheim in Nordrhein-Westfalen bis zur Mündung bei Sinzig führt der Nebenfluss des Rheins 89 Kilometer durch das schmale Tal. An der Ahr gibt es überwiegend Nebenerwerbswinzer und deshalb starke Genossenschaften. Die drei wichtigsten Sorten an der Ahr: Spätburgunder (366 Hektar), Riesling (46) und Frühburgunder (34).

Mittelrhein

Mit 565 Hektar ist der Mittelrhein neben der Hessischen Bergstraße eine der kleineren Weinregionen Deutschlands. Entlang des Rheins wird überwiegend Riesling angebaut. Die drei wichtigsten Sorten am Mittelrhein: Riesling (301 Hektar), Spätburgunder (47), Müller-Thurgau (22).

Mosel

Die Mosel (8689 Hektar) gilt als die älteste Weinregion Deutschlands. Die Römer hatten die Reben mitgebracht. An der Mosel findet sich die steilste Weinberglage Europas, der Bremmer Calmont. Er kann zwar erklommen werden, doch schwindelfrei, trittsicher und geübt sollten Wanderer dort sein. Die drei wichtigsten Sorten an der Mosel: Riesling (5422 Hektar), Müller-Thurgau (850), Elbling (458).

Nahe

Die Nahe ist erst seit 1971 ein eigenständiges Anbaugebiet und nach dem Nebenfluss des Rheins benannt. Die Rebfläche beträgt 4200 Hektar. Das Anbaugebiet reicht flussaufwärts bis kurz vor Kirn. Es grenzt an die Nordpfalz. Glan und Alsenz sind Nebenflüsse der Nahe. Es ist das Gebiet mit der größten Bodenvielfalt in Deutschland. Die wichtigsten Sorten der Nahe: Riesling (1221), Müller-Thurgau (501), Dornfelder (405).

Pfalz

Seit 2008 gilt die Pfalz als das größte Riesling-Gebiet der Welt. Mit 23.721 Hektar ist sie das zweitgrößte Anbaugebiet im Bundesland. Wein wird überwiegend in der Rheinebene und da in fast 150 Ortschaften angebaut. Das Herz der Weinpfalz ist die Deutsche Weinstraße. Das größte Weinfest der Welt wird in der Pfalz gefeiert: Es ist der im September stattfindende Wurstmarkt in Bad Dürkheim. Die drei wichtigsten Sorten der Pfalz: Riesling (5924 Hektar), Dornfelder (2805), Grauburgunder (1905).

Rheinhessen

Es ist mit 26.943 Hektar das größte Anbaugebiet in Rheinland-Pfalz. Die wichtigsten Sorten in Rheinhessen: Riesling (4970 Hektar), Müller-Thurgau (4004), Dornfelder (3280). cka/Quelle: Deutsches Weininstitut