Ja, es mag für Außenstehende durchaus verstörend klingen,wenn man eine Redakteurskollegin auf ihr Hurenkind hinweist, das sie doch noch bitte beseitigen soll. Die Kollegin wird sich jedoch wahrscheinlich nicht beleidigt fühlen, denn sie weiß, was gemeint ist. Ein Hurenkind ist nichts anderes als eine letzte Zeile eines Absatzes, die zugleich die erste Zeile einer Spalte ist. Also eine alleinstehende Zeile oben in der Spalte. Fängt ein Absatz in der letzten Zeile einer Spalte an, steht also eine Zeile unten alleine, nennt man es hingegen Schusterjunge. Hurenkinder gelten als handwerkliche Fehler, weil man am Anfang der neuen Spalte ein aus dem Zusammenhang gerissenes Fragment vorfindet, für das man noch einmal zurückspringen muss, um es zu verstehen. Schusterjungen sind zwar nicht schön, heutzutage aber eher akzeptiert als Hurenkinder.
Übrigens: Um sich den Unterschied zwischen Hurenkindern und Schusterjungen zu merken, gibt es eine Eselsbrücke: Ein Hurenkind weiß nicht, wo es herkommt, ein Schusterjunge nicht, wo er hingeht. Die Begriffe stammen aus dem Jargon der Drucker, bei denen es früher recht rau zuging. Um1900 ist für Hurenkind auch das Wort Missgeburt überliefert. Im Englischen hingegen klingen die Begriffe schon etwas seriöser. Hurenkinder nennt man dort „widow“ (Witwe), Schusterjungen werden „orphan“ (Waise) genannt. tbss