Gerade auf dem Zeitungsmarkt habe ein erbitterter Kampf getobt, erinnert sich der damalige Verleger Dieter Schaub. Dennoch habe sich der Markt im Tageszeitungsbereich bis zur Wiedervereinigung im Prinzip kaum bewegt. Daher sei er auf den Erwerb von Zeitschriften ausgewichen. Erfolgreich sei das Experiment aber nicht gewesen, stellt der ehemalige Verleger heute fest: „Das ist nicht unser Metier.“ Besser passten offenbar Buchverlage. Den Anfang machte das Bibliografische Institut Mannheim, das unter anderem Duden und Brockhaus herausgab. Die RHEINPFALZ-Tochter Pfälzische Verlagsanstalt (PVA) erwarb 1981 zehn Prozent der Anteile. 1984 kam der Benziger Verlag im schweizerischen Einsiedeln und Zürich dazu, danach der Walhalla-Verlag in Regensburg. 1986 kaufte die RHEINPFALZ dann die kränkelnde Westermann-Gruppe, zu der unter anderem der gleichnamige Schulbuchverlag – jeder Schüler kennt die Atlanten – und der Arena-Kinderbuchverlag gehören, und sanierte sie.„Ein Glücksfall“, bilanziert Altverleger Schaub heute. Weniger glücklich verlief das Fernseh-Experiment der RHEINPFALZ. Als „medienpolitischer Urknall“ wurde der Start des Privatfernsehens in Ludwigshafen 1984 gefeiert. Im RHEINPFALZ-Pressezentrum in der Ludwigshafener Amtsstraße. Den Namen EPF (Erstes Privates Fernsehen) habe er sich damals ausgedacht, erinnert sich Dieter Schaub. Doch sein Kind sei das Fernsehen nie gewesen. Regionales Fernsehen habe er sich in Ballungsräumen vorstellen können, „aber nicht hier“, erzählt der Senior-Verleger. Bundeskanzler Helmut Kohl und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel hätten aber damals darauf gedrängt. „Nachdem Baden- Württemberg aus dem Projekt ausgestiegen war, mussten wir am Rhein haltmachen, durften nicht nach Mannheim. Damit war das Projekt tot“, erklärt Schaub.Auch beim privaten Regionalrundfunk war die RHEINPFALZ vorne mit dabei. Zum 1. Mai 1986 startete der Verlag mit Sendungen im Rahmen des landesweiten RPR-Programms, anfangs noch sehr provisorisch in Redaktionsräumen des Ludwigshafener Pressehauses. Erkennungszeichen: Die stündlich zum Auftakt der Nachrichten bimmelnde Turmuhr der benachbarten Lutherkirche, die wegen der noch nicht schallisolierten Produktionsräume deutlich zu hören war.
Verlegerischer Ausflug nach Karl-Marx-Stadt
Einen Coup landete die Medien Union direkt nach der Wende mit dem Erwerb der „Freien Presse“ in Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt. Das SED-Blatt besaß eine Auflage von 600.000. Dass eine der größten Zeitungen der ehemaligen DDR von einem „Regionalblatt“ wie der RHEINPFALZ aufgekauft wurde, gab zu wilden Spekulationen Anlass. Helmut Kohl, Kanzler der Einheit und als Ludwigshafener bekennender RHEINPFALZ-Leser, habe die Übernahme eingefädelt, verbreitete unter anderem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die wahre Geschichte hinter diesem bundesweit für Aufsehen sorgenden Zukauf ist nicht ganz so spektakulär, aber dennoch hochspannend.
„Nachdem ich im Fernsehen den Fall der Mauer verfolgt hatte, war ich schon zwei Tage später in der DDR und habe abgeklopft, welche Möglichkeiten auf dem ostdeutschen Zeitungsmarkt für uns bestehen“, erinnert sich Dieter Schaub. Der erste Kontakt nach Karl-Marx-Stadt sei aber auf Initiative der „Freien Presse“ zustande gekommen. „Der Verlag war in einem desolaten Zustand. Die brauchten jetzt einen verlässlichen Partner.“ Deshalb wandte sich eine Delegation der „Freien Presse“ an Jürgen Richter, den damaligen Geschäftsführer des Braunschweiger Westermann-Verlags. Ob er denn ein bundesdeutsches Zeitungshaus kenne, das an einer Übernahme interessiert sei? Von Richter habe er dann von der Anfrage der „Freien Presse“ erfahren und sich gleich auf den Weg nach Karl-Marx-Stadt gemacht.
In dieser chaotischen Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung wurden die Weichen gestellt. Schaub kam zu der Überzeugung, dass das ehemalige SED-Blatt mit seinen 23 Bezirksausgaben, das die größte Regionalzeitung der DDR gewesen war, gut in den Konzern passen würde. Als die Treuhand schließlich den Verkauf ausschrieb, hatte Schaub sein, wie er sagt, faires Angebot längst ausgerechnet und parat.
Das lag dann mit 192 Millionen Mark deutlich über dem der Mitbewerber, auch über dem des „Spiegel“ (110 Millionen Mark). Die Medien Union erhielt daraufhin den Zuschlag, und am Tag vor der Wiedervereinigung, am2. Oktober 1990,wurden die Kaufverträge unterzeichnet – „damals noch mit Hammer und Sichel“, fügt Dieter Schaub hinzu.
In der Folgezeit wurden Dieter Schaub zufolge insgesamt 200 Millionen Mark unter anderem in den Neubau einer modernen Druckerei und in den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Organisation investiert. Die Redaktion wurde auf computergestütztes Arbeiten umgestellt. Darüber hinaus galt es, das einstige Publikationsorgan der DDR-Staats- und Regierungspartei SED in eine unabhängige, überparteiliche Tageszeitung umzuwandeln.
Doch auch bei der RHEINPFALZ selbst ist in diesen Jahren die Zeit nicht stehen geblieben. Die Lokalredaktionen wurden personell aufgestockt, der Platz für Berichterstattung wurde ausgeweitet, die journalistische Kompetenz wurde mit Fachredakteuren für Sport und Kultur ausgebaut. Auch die Wirtschaftsberichterstattung fasste mehr und mehr im Lokalen Fuß. Zu Beginn der 90er-Jahre begann auch die Umrüstung der Druckerei in Ludwigshafen-Oggersheim. Die Anschaffung von vollfarbtauglichen Druckmaschinen ermöglichte, dass die RHEINPFALZ ab September 1995, pünktlich zu ihrem 50-jährigen Bestehen, komplett in Farbe erschien.
Als all dies in die Wege geleitet war, verabschiedete sich Verleger Dieter Schaub nach 30 Jahren an der Spitze des Unternehmens in den Ruhestand. In dieser Zeit hatte er die RHEINPFALZ nicht nur zu der Zeitung für die Pfalz gemacht, er hatte auch einen Medienkonzern aufgebaut, der sich im immer härteren Konkurrenzkampf behaupten konnte. „Im Rückblick war die Hälfte meiner unternehmerischen Entscheidungen miserabel, aber die andere Hälfte war richtig gut“, resümiert Schaub.
Von einem Tag auf den anderen legte er zum Jahreswechsel 1993/94 die Geschicke des Konzerns in die Hände seines ältesten, damals 32-jährigen Sohnes Thomas Schaub. VON ANNETTE WEBER