Die Wahlnacht beginnt sonntags, 18 Uhr. Fernseher an, Ergebnisprognose, Balken hoch oder runter, erste Hochrechnung, Politiker ringen um Worte. Die Wahlnacht beginnt sonntags, 18 Uhr? Nicht für Hauptstadtkorrespondenten. Da beginnt sie nachmittags, sagen wir: so gegen 16:30 Uhr. Denn wer als Berichterstatter einigermaßen vernetzt ist, bekommt dann auf wundersame Weise die ersten Ergebnisse der Nachwahlbefragungen aufs Handy gespielt. Es beginnt die Kopfarbeit. Was bedeutet das Ergebnis für die Regierungsbildung? Wer ist sprechfähig?
An Wahlsonntagen laden die Parteien zu Wahlpartys ein. Bei Wein und Bier läuft dann allerlei Parteivolk zusammen – und natürlich die Medienmeute. Den tieferen Sinn dieser Partys hat der Chronist auch in über 16 Jahren Berlin-Tätigkeit nicht recht ergründen können. Vielleicht gibt es sie ja nur, weil das Fernsehen Bilder braucht: Jubel hier, Depression dort.
Bis vor einigen Jahren haben die Parteien wichtige Politiker in die Partyhallen geschickt. Deren Aufgabe war es, im lockeren Gespräch auf die Journalisten einzuwirken. Es ging, wie immer, um die Deutungshoheit.
Gern erinnert sich der Chronist an den wohl putzigsten Beeinflussungsversuch. Es war im September 2004. Die SPD hatte soeben die Landtagswahl in Sachsen gnadenlos vergeigt: nur 9,8 Prozent Wählerzustimmung. Doch der damalige SPD-Chef Franz Müntefering versuchte den Journalisten seine eigensinnige Sicht der Lage beizubringen: Es ginge aufwärts mit der Sozialdemokratie ... rod