Als Gralsburg solcher Luftschlösser kann der Saar-Pfalz-Kanal gelten. Von diesem Jahrhundertprojekt hingen Wohl und Wehe von Saarland und Pfalz ab, wurden seine Befürworter nicht müde zu behaupten. Der 127 Kilometer lange Kanal wäre von Saarbrücken aus durch die Nordpfalz verlaufen. Zwischen Frankenthal und Worms sollte er in den Rhein münden. Die Schiffe hätten dabei mithilfe von Staustufen und Hebewerken im Saarland erst 70 Meter an Höhe gewinnen müssen, um am Haardtrand 170 Meter in die Rheinebene abzusteigen.Ein Mittelgebirgskanal solchen Ausmaßes war laut dem Landauer Historiker Karl-Heinz Rothenberger zumindest in Deutschland noch nie gewagt worden. 1926 verglich ein Professor der Technischen Hochschule Aachen das schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch saarländische Köpfe geisternde Projekt mit dem Panama-Kanal: Der „Pfälzer Panama-Kanal“ hätte bei Kaiserslautern das Lautertal nördlich der A-6-Autobahnbrücke mit einer 330 Meter langen und 40 Meter breiten „Wanne“ überspannt. Nordöstlich von Kerzenheim (Donnersbergkreis) war ein Schrägaufzug vorgesehen, mit dessen Hilfe bis zu 172 Meter lange Schubverbände einen Höhenunterschied von 88 Meter hätten überwinden sollen. Dabei sollten die Schiffe in einem mehr als 200 Meter langen, zwölf Meter breiten und 3,5 Meter tiefen „Wasserbehälter“ parallel zum Haardtrand auf und ab schweben.
In der Mitte des Kanalprojektes sahen die Ingenieure an der Autobahn einen gewaltigen Stausee vor: Im Eselsbachtal nordöstlich von Kaiserslautern wäre ein von Wäldern umgebenes, fünf Kilometer langes und bis zu 220 Meter breites Gewässer mit einer Fläche von 100 Hektar samt Insel entstanden. Zum Vergleich: Der Gelterswoog bei Kaiserslautern misst gerade einmal 13,5 Hektar.
Das geplante technische Wunderwerk brachte auch das Kunststück fertig, Saarländer und Pfälzer zumindest in den 60er- und zu Beginn der 70er-Jahre zu einer Interessengemeinschaft zusammenzuschmieden. Seine Randlage hatte die wirtschaftliche Entwicklung des Saarlandes behindert. Vom Kanal erhofften sich die Nachbarn, dass ihre Kohle- und Stahlindustrie gegenüber der Ruhr konkurrenzfähiger werden würde. Und die Pfälzer versprachen sich einen industriellen Aufschwung entlang des neuen Verkehrsweges. Bei Eisenberg wurde schon an einen Hafen für die pfälzische Industrie der Sande, Erden und Tone gedacht. Und der Kaiserslauterer Stadtoberbaurat Tinti warb 1961 mit Blick auf den See im Eselsbachtal mit einem wunderbaren Natur- und Freizeiterlebnis.
Die seit 1888 bestehenden Bestrebungen, den Kanal zur Stützung der schwächelnden saarländischen Wirtschaft zu verwirklichen, fanden 1973 ein jähes Ende. Die Bundesregierung grub dem Projekt das Wasser ab. Angesichts eines geschätzten Aufwandes von rund einer Milliarde Euro und eines miserablen Ergebnisses der Kosten-Nutzen-Analyse gab das Bonner Kabinett dem Ausbau der Saar den Vorzug. Dadurch erhielt das Saarland über die seit 1964 schiffbare Mosel einen deutlich preisgünstigeren Wasserstraßenanschluss. Zudem begründete der damalige Bundesverkehrsminister Lauritz Lauritzen (SPD) seine Ablehnung mit technischen Bedenken. Darüber hinaus gab es längst Transportalternativen: Die Autobahn A 6 war zwischen Kaiserslautern und Saarbrücken ausgebaut, und die Bahnverbindung war elektrifiziert worden.
Bleibt die Frage, wie es heute um die Wasserstraße stünde, wäre sie realisiert worden. Der Historiker Rothenberger ist überzeugt: Angesichts des stillgelegten Kohlebergbaus und der geschrumpften Stahlindustrie an der Saar wäre der Kanal „heute ein ,Museumsstück’ – wenn man ihn nicht längst zugeschüttet hätte“.
„Riviera“ am Wasgausee
Wesentlich kürzer als die Vision vom Saar-Pfalz-Kanal, nämlich nur 20 Jahre lang, währte der Traum von einem anderen künstlichen Gewässer. 1967 hatte die Planungsgemeinschaft Westpfalz empfohlen, im Königsbruch zwischen Fischbach, Rumbach und Schönau die Sauer aufzustauen. Lagen doch in ihrem Tal immer mehr Wiesen brach, weil ihre Bewirtschaftung zu aufwendig war und nicht mehr lohnte. Mit dem Wasgausee sollten Touristen in die strukturschwache Region gelockt und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Liegewiesen und Badezonen für 7500 Besucher sollten an seinen Gestaden angelegt werden. Zusätzlich war von Campingplätzen, Wochenendhäusern, Restaurants und Hotels mit allem drum und dran, von Parkplätzen, Tennisanlagen und einem Wildgehege die Rede. Investoren nutzten das Projekt bald in Zeitungsanzeigen als Werbeargument für den Kauf von Ferien- oder Zweitwohnungen: „Hier entsteht auch der in Planung befindliche Wasgausee.“ Der 1. Segelclub Wasgausee, der es zeitweise auf 140 Mitglieder brachte, war ein weiterer Frühstarter. Zu seinen Aktivitäten zählten Vorbereitungskurse für den Segelschein. Übrigens:Die Staumauer des Sees sollte jenes Frankfurter Ingenieurbüro planen, das schon in Ägypten am gigantischen Assuan-Staudamm mitgewirkt hatte.
Es wurde groß gedacht, aber zu wenig bedacht. So zum Beispiel, dass das Gewässer mit einer Länge von etwa 2,6 Kilometern und einer Breite von 300 Metern zwar eine beachtliche Ausdehnung haben würde. Aber in weiten Bereichen hätte es gerade mal eine Stauhöhe von 80 Zentimetern erreicht. Das mag für ein Nichtschwimmerbecken im Freibad reichen, kaum aber für ein Segelparadies. Hinzu kam: Ein Teich mit den Ausmaßen des Wasgausees hätte sich im Sommer rasch aufgewärmt und wäre vermutlich schnell umgekippt.
Als wäre all dies noch nicht genug, entpuppte sich das Projekt spätestens 1981 als Kostenfalle. Um die Anforderungen zu erfüllen, die an ein Badegewässer gestellt werden, hätte die abwasserbelastete Sauer den See nicht einfach durchfließen dürfen. Allein für die Wasserversorgung und die Abwasseraufbereitung der umliegenden Dörfer sowie der geplanten touristischen Anlagen wären 18 Millionen Euro fällig geworden. Das war mehr als die ursprünglich kalkulierten Gesamtkosten für die Grundstückskäufe, die Anlage des Stausees sowie für den Bau der nötigen Infrastruktur.
Anfang der 70er-Jahre hatten Kommunalpolitiker den Wasgausee noch als Leuchtturmprojekt gepriesen, das Bedeutung weit über die Südwestpfalz hinaus haben werde. Nach dem Kostenschock von 1981 war klar: Sollte der Stausee nicht in der Versenkung verschwinden, musste der Rotstift ran.
Doch mittlerweile machten Naturschützer auf den hohen ökologischen Wert des Königsbruchs, das geflutet werden sollte, aufmerksam. Das Mainzer Umweltministerium gab ein Gutachten in Auftrag: 1987 bescheinigten Wissenschaftler der Universität Hohenheim auf 620 Seiten, dass entlang der Sauer zahlreiche seltene und geschützte Arten anzutreffen sind. Damit erlitt das Projekt Wasgausee endgültig Schiffbruch. Im November desselben Jahres verkündete die Mainzer Landesregierung das Aus. Stattdessen sollte nun sanfter Tourismus gefördert werden. Rund dreieinhalb Millionen Euro waren inzwischen für Grundstückskäufe ausgegeben worden. Schon ein Jahr später wurde das Königsbruch als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Als 4,2 Millionen Euro teures Trostpflaster spendierte das Land den Fischbachern das Biosphärenhaus. Im Jahr 2000 wurde es eröffnet.
In der Zeit, in der das Projekt Wasgausee das Licht der Welt erblickte, wurde in der Vorderpfalz auf eine strahlende Zukunft gesetzt. Im BASF-Stammwerk, also im Herzen der Doppel- Metropole Ludwigshafen/Mannheim, sollte ein Atomkraftwerk entstehen. Der Grund: BASF-Manager sorgten sich in den 60er-Jahren um die Versorgung des Unternehmens mit Erdöl. Auslöser waren der Bürgerkrieg im erdölreichen Nigeria sowie die anhaltenden Spannungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, die schließlich 1967 zum Sechs-Tage-Krieg führten. Damals setzten die Erdölförderländer erstmals den Rohstoff als politische Waffe ein.
Atomkraftwerk am Rhein
Bereits im Mai 1967 beantragte die BASF eine Genehmigung für den Bau eines Atomkraftwerkes auf dem Gelände der ehemaligen Karbidfabrik in Höhe der Neckarmündung. Zwar unterstützte die Mainzer Landesregierung das Vorhaben, auch stimmte der Ludwigshafener Stadtrat Anfang 1970 bei nur einer Enthaltung zu. Doch von Anfang an gab es Bedenken: Sowohl die Reaktorsicherheitskommission als auch die Stadt Mannheim verlangten, das Kraftwerk vorsichtshalber unterirdisch zu bauen. Mitte 1970 legte das Bundeswissenschaftsministerium das Projekt für zwei Jahre auf Eis: In dieser Zeit sollte über die Sicherheitsanforderungen nachgedacht werden, die an ein Atomkraftwerk in einer Stadt zu stellen sind.
Doch nach Ablauf des zweijährigen Moratoriums drückte sich das Ministerium vor einer Entscheidung. 1973 lieferte der Jom-Kippur-Krieg den BASF-Managern neue Argumente: Nach anfänglichen Erfolgen erlitten Ägypten und Syrien beim Versuch, Israel aus den 1967 eroberten Gebieten zu vertreiben, schwere Rückschläge. Daran hatte die USA mit massiven Waffenlieferungen an Israel erheblichen Anteil. Im Gegenzug versuchten arabische Erdölstaaten, mit einer 25-prozentigen Produktionskürzung israelfreundliche Länder in die Knie zu zwingen. Nach dieser ersten Ölkrise förderte die Bundesregierung verstärkt die Kernenergie.
Das galt aber nicht für das BASF-Vorhaben. Das nun zuständige Bundesinnenministerium erließ sogar eine Richtlinie, die für Kernkraftwerke einen Mindestabstand von 425 Metern zum Rhein vorschrieb. Damit sollten sie vor Explosionen auf Schiffen geschützt werden. „Das war offensichtlich als Lex BASF gedacht“, heißt es in der von Werner Abelshauser herausgegebenen Unternehmensgeschichte. Sollte doch das Kraftwerk nur 50 Meter vom Rhein entfernt entstehen.
Um das Projekt zu retten, brachte die BASF einen neuen Standort nördlich ihrer Kläranlage ins Gespräch. Inzwischen hatten sich aber die kalkulierten Investitionskosten fast verfünffacht. Im Dezember 1976 beerdigte der Vorstand deshalb das Projekt. Rund 18 Millionen Euro waren bis dahin für die Kraftwerkspläne ausgegeben worden.
Heute verfügt die BASF auf ihrem Werksgelände über drei moderne Erdgaskraftwerke. VON JÜRGEN MÜLLER