Auf dem Foto aus dem Jahr 1973, das die neue Geschäftsstelle der RHEINPFALZ in Schifferstadt zeigt, sitzt Mathias Lennartz vor dem damaligen Geschäftsstellenleiter Wolfgang Riffelmacher. Lennartz sei einer der ältesten Zusteller im Ort, heißt es dazu. Zeitung austragen, das habe er sehr gerne gemacht, und er sei dabei auch ganz penibel gewesen, erinnert sich heute seine Schwiegertochter Roswitha Lennartz. Geboren im Jahr 1910, hatte Mathias Lennartz im Zweiten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren. Es kann für den Vater von fünf kleinen Kindern nicht einfach gewesen sein, seine Familie zu ernähren. Anfangs, erzählt sein Sohn Heinz, habe der Vater noch in der BASF gearbeitet, später dann beim„Pilger“ in Speyer als Bürobote. Wenn er Zeitungen austrug, habe der Vater schon gegen 4 Uhr morgens das Haus verlassen müssen, erinnert sich der Sohn. Betrachtet man die Archivfotos der Zeitungszusteller und -zustellerinnen, so sieht man meist ältere Menschen, oder Menschen, die alt wirken. Die unmittelbare Nachkriegszeit war alles andere als einfach. Für viele Kriegsversehrte und Kriegerwitwen bot das Zeitungsaustragen eine willkommene Möglichkeit, die Haushaltskasse aufzubessern.
Damit die RHEINPFALZ heutzutage im gesamten Verbreitungsgebiet pünktlich morgens um 6 Uhr in den Briefkästen ist, muss alles reibungslos klappen auf dem Weg vom Oggersheimer Druckzentrum bis zum Haus des Abonnenten. Mehr als 30 Transportunternehmen fahren im Auftrag der RHEINPFALZ jede Nacht zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens über 8000 Kilometer auf pfälzischen Straßen. Zwischen 50 und 80 Tonnen bedrucktes Papier werden dabei bewegt. Knapp 70 Millionen Male wird die Zeitung im Lauf eines Jahres in einen Briefkasten gesteckt. Dafür verantwortlich sind rund 2500 Zustellerinnen und Zusteller, die bei jedem Wetter für die Leser der gedruckten Ausgabe unterwegs sind.
Diese Austräger – egal ob vor 75 Jahren oder heute – zeichnen sich in der Regel durch Treue und Zuverlässigkeit aus. Einige sind schon 40 und mehr Jahre mit dabei. Sie können viele Geschichten erzählen, denn Zeitungen auszutragen, das ist ein aufregendes, manchmal sogar gefährliches Geschäft. So ging beispielsweise um 4.44 Uhr an einem schönen Junimorgen des Jahres 2005 ein Anruf bei dem zuständigen Vertriebschef ein. In einer ziemlich abgelegenen Ecke des Lambrechter Tals könnten Ausgaben nicht zugestellt werden, vermeldete ein Austräger. Der Grund: Eine Rotte Wildschweine mit Jungen blockierte die Zufahrt zu den Häusern.
Doch nicht nur Vierbeiner können Zustellern gefährlich werden. Auch das Wetter ist manchmal tückisch. Die RHEINPFALZ-Zusteller werden wohl den Jahresbeginn 2002 nicht so schnell vergessen. Mehr als 100 Unfälle von Austrägern wurden in diesen Wintertagen gemeldet. Mit Prellungen und Verstauchungen kamen etwa die Hälfte der Mitarbeiter noch glimpflich davon. 33 Zusteller zogen sich jedoch Knochenbrüche zu, einige sogar sehr komplizierte. Gemeldet wurden auch Bänderrisse und Gehirnerschütterungen. Hinzu kamen noch sieben Autounfälle, die glücklicherweise nur Blechschäden zur Folge hatten.
Gefährlicher Weg über fremdes Hoheitsgebiet
Manchmal müssen Zusteller sogar fremdes Hoheitsgebiet betreten. Das Ehepaar Elfriede und Helmut Sieg benötigte in den 80er-Jahren in Zweibrücken einen polizeilichen Passierschein, um die RHEINPFALZ frühmorgens zum Leser zu bringen. Die US-amerikanischen Streitkräfte auf dem Kreuzberg hatten ihren Zuständigkeitsbereich mit Schranken abgesperrt, und es kam durchaus vor, dass die Austräger mit Maschinenpistolen empfangen wurden.
Das Problem bestand darin, dass einige Zeitungen in Häuser geliefert werden mussten, die nur über das Kasernengelände erreichbar waren. Nur ein amtliches Schreiben konnte schließlich die Gewehrläufe der GIs von den Mitarbeitern der RHEINPFALZ fernhalten.
Die Zeitungsträger waren und sind das Rückgrat des Verlages. Wer einmal den Ärger von Lesern abbekommen hat, bei denen morgens im Briefkasten die RHEINPFALZ fehlte, weiß warum.Was nutzen der geschliffenste Text, das brillanteste Foto und der beste Druck, wenn die Zeitung nicht rechtzeitig auf dem Frühstückstisch liegt. Seit 75 Jahren trotzen Austrägerinnen und Austräger Wind und Wetter, sind frühmorgens zu wahrlich unchristlichen Zeiten auf den Beinen – manche von ihnen schon in dritter Generation. Meist unbemerkt, aber auf jeden Fall unersetzlich. VON ANNETTE WEBER