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50 Jahre kreisfreie Stadt Neustadt

Zeitweise über Klage nachgedacht

Warum Mußbach der Eingemeindung letztlich doch zustimmte – Damals eine große Umstellung für die Bürger

Zeitweise über Klage nachgedacht

Die Eingemeindung von Mußbach nach Neustadt „war keine Liebesheirat“, weiß Klaus Kerth (CDU). Der frühere Mußbacher Ortsvorsteher war 1969 noch nicht politisch aktiv, aber sein Vater Jakob Kerth war lange Jahre im Gemeinderat und fünf Jahre als zweiter Bürgermeister für Landwirtschaft und Forsten zuständig.  

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Im Herrenhof, auf den die Mußbacher sehr stolz sind, gibt es viele schöne Details. Foto: ffg

Ein CDU-Mann im Gemeindevorstand war in Mußbach eine Ausnahme. „In Mußbach hatte immer die SPD die Mehrheit“, sagt Kerth. In Mußbach lebten viele Arbeiter, teils waren sie bei der im Ort ansässigen Firma Süd-Metall, teils bei der BASF in Ludwigshafen beschäftigt. Arbeiter waren das Wählerklientel der SPD. Zweistärkste Kraft im Gemeinderat war eine Wählergruppe Fischer, die CDU war die kleinste Fraktion.Einig waren sich die politischen Gruppierungen bei der Frage der Eingemeindung: Am liebsten wollte Mußbach selbstständig bleiben. „Mußbach war gut aufgestellt“, weiß Kerth. Die Gemeinde habe eine gute Infrastruktur gehabt. Es wurde gebaut, es gab eine über mehrere Jahre gehende Planung zur weiteren Entwicklung des Orts. Auch ein Schwimmbad hatte die Gemeinde. „Mußbach hatte keine Schulden“, so Kerth.
  

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Gasse beim Herrenhof. Fotos: ffg

Pläne für Verbandsgemeinde

Da angesichts der Verwaltungsreform klar gewesen sei, dass eine weitere Eigenständigkeit nicht möglich ist, wollte der Gemeinderat, dass Mußbach Teil einer Verbandsgemeinde wird. In der Diskussion war eine gemeinsame Verbandsgemeinde mit den Orten im Norden von Neustadt. „Doch einer nach dem anderen ist abgesprungen und hat gesagt, wir gehen zu Neustadt“, berichtet Kerth. Auch aus Überlegungen einer Verbandsgemeinde mit Deidesheim oder Haßloch wurde nichts.Neustadt habe aus zwei Gründen Interesse an einer Eingemeindung von Mußbach gehabt, so Kerth. Erstens habe sich Neustadt seine Wasserversorgung sichern wollen. Das Wasser für die Neustadter Bürger kam überwiegend aus einer Quelle im Ordenswald – und der war auf Mußbacher Gemarkung. Diese ging bis an die Grenze von Neustadt. Die Stadt selbst habe auf ihrem Gebiet keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr gehabt, nennt Kerth als zweiten Grund, warum Neustadt die Mußbacher eingemeinden wollte: „Der ganze Bereich entlang der Mußbacher Landstraße und das Gelände bis zu den Schlichtwohnungen in der Branchweilerhofstraße gehörte alles zu Mußbach.“ Der Mußbacher Gemeinderat habe zeitweise über eine Verfassungsklage gegen die Eingemeindung nachgedacht. Nachdem jedoch Klagen anderer Gemeinden gegen die Verwaltungsreform, unter anderem auch eine Klage von Lachen-Speyerdorf, gescheitert waren, entschieden die Mitglieder des Gemeinderats im April 1969 bei nur einer Gegenstimme, dass sie nicht klagen werden.
  

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Die Mußbacher Ortsverwaltung.

Keine großen Geschenke

„Man hat die Eingemeindung als notwendiges Übel erkannt und sich damit abgefunden“, sagt Kerth. Dass der Mußbacher Bürgermeister Otto Hoos (SPD) nach der Eingemeindung Bürgermeister in Neustadt werden sollte, habe sicher auch dazu beigetragen, dass sich die Mußbacher Kommunalpolitiker mit der Eingemeindung arrangierten. Widerstand von den Bürgern habe es nicht gegeben. Bei Bürgerversammlungen seien einige Fragen gestellt worden, das sei alles gewesen, so Kerth. „Große Eingemeindungsgeschenke haben wir nicht bekommen“, bedauert Kerth. Mußbach habe allerdings wohl auch keine Forderungen gestellt. Als „Zuckerchen“ sei ein zweiter Rasensportplatz versprochen worden. Das sei allerdings nur eine mündliche Zusage gewesen. Bis der Platz gebaut wurde, dauerte es Jahrzehnte. Durch die Eingemeindung habe sich eine ganze Menge geändert, sagt Kerth. Viele Straßen bekamen einen neuen Namen. So wurde aus der Hauptstraße die Straße An der Eselshaut und aus der Waldstraße die Straße Zum Ordenswald. „Die Verwaltung wurde abgezogen“, nennt Kerth als eine weitere Veränderung. Für die Bürger sei das eine große Umstellung gewesen, denn zuvor hätten sie alles vor Ort erledigen können. „Und die Kommunalpolitiker konnten nicht mehr selbst entscheiden, sondern nur noch Anträge stellen und bitten“, so Kerth. Im Ortsbeirat war die SPD die stärkste Fraktion. Ortsvorsteher wurde der SPD-Mann August Hörauf.

Im Herzen Mußbacher

„Die Mußbacher haben sich damit abgefunden, dass wir rechtlich Neustadter sind, im Herzen sind wir aber immer Mußbacher geblieben“, sagt Kerth. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Was nicht bedeute, dass sich Mußbach von Neustadt abtrennen wolle: „Aber wir bleiben immer Mußbacher.“ Dieses Gemeinschaftsgefühl sei wichtig, und es fördere die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement. ann
     

„Ein liebenswerter und selbstbewusster Teil Neustadts“

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Ortsvorsteher Dirk Herber. 
Foto: CDU/frei

„Einen greifbaren, tatsächlichen Vorteil, der sich alleine aus der Gebietsreform für Mußbach ergeben hat, sehe ich nicht“, sagt der Mußbacher Ortsvorsteher Dirk Herber. Man habe die maßgebliche Infrastruktur wie Schwimmbad, Herrenhof, Bahnhof, Schule, Kindergärten, Ärzte und Apotheke schon vor der Eingemeindung gehabt. Neustadt allerdings gewinne – und das mit Sicherheit in der Hauptsache durch und in allen Ortsteilen – vor allem an ehrenamtlichem Engagement, das die Bürger aufbringen.

„Das Schwimmbad haben die Mußbacher genauso mit ihren eigenen Händen erbaut, wie sie den Herrenhof zu dem wiederaufgebaut haben, das er heute ist“, betont Herber: „ein Kleinod in der rheinland-pfälzischen Kulturlandschaft und unser Mußbacher Herzstück.“ Viele weitere Projekte zur Dorfentwicklung ließen sich nur stemmen, weil in Mußbach alle mit anpackten. Als eines der besten Beispiele nennt Herber aktuell die aufwendige Umgestaltung des Grundschulhofs. Aber auch das Außengelände des städtischen Kindergartens sei von der Elternschaft bereits mehrfach wieder „aufgehübscht“ worden.

„Und so gibt es noch zahlreiche Beispiele, die als reine Auflistung in den Haushaltswünschen gegenüber der Stadt schwierig bis nahezu unmöglich umzusetzen gewesen wären, oder aber einen sehr langen Atem erfordern“, so Herber. „Wir, die in unserem Dorf wohnen, wir leben nicht nur hier, wir fühlen uns daheim“, sagt Herber. Viele würden mit großartigem Engagement jeden Tag dazu beitragen, dass Mußbach eine lebendige Gemeinschaft sei, in der man sich wohlfühlen könne.

Herber: „ Es ist also nicht nur die über die Jahre weiterentwickelte, hervorragende Infrastruktur, mit der unser Weindorf so gut aufgestellt ist wie selten ein anderes Dorf in der Umgebung. Es sind vor allem die Menschen.“

Der Ortsvorsteher ist sicher: „Wir alle werden auch in Zukunft gemeinsam daran arbeiten, dass sich unser Dorf wie bisher als liebenswerter, aber auch als selbstbewusster Teil Neustadts weiterentwickelt.“ ffg