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VG Römerberg und Dudenhofen

Der Handwerker aus Römerberg stellt Stühle mit Geschichten her

Horst Ahrens beherrscht die Kunst des Flechtens

Der Handwerker aus Römerberg stellt Stühle mit Geschichten her

Adlerauge: Horst Ahrens beherrscht sein Kunsthandwerk nach wie vor ohne Brille. FOTO: KÜHNER

Horst Ahrens ist mit seinem Handwerk verflochten. Im wahren Wortsinn. Was als Hobby begann, ist mittlerweile zur Dauereinrichtung geworden. Der Römerberger sorgt dafür, dass Menschen aus ganz Deutschland neue alte Stühle bekommen.

Zahntechniker ist Ahrens von Haus aus. Krankheitsbedingt konnte er den Beruf schon früh nicht mehr ausüben. Er suchte sich Beschäftigung. Die fand Ahrens im Umgang mit Flechtrohr, Stöpsel und Stichel. Er wurde Stuhlflechter.

„Die Praxis habe ich mir komplett selbst beigebracht. Dafür gibt es keine Bücher“, erzählt Ahrens. Inzwischen geht ihm die Arbeit reflexartig von der Hand. Wichtig für ihn: „Ich brauche keine Brille.“ Seine Adleraugen finden jedes der kleinen Löcher auf Anhieb. Ruhe und Fingerspitzengefühl beim Einziehen des Flechtrohrs in die vorgegebenen Punkte sind Ahrens von Haus aus gegeben.

„Das ist Handarbeit und das Geld definitiv wert“, betont der 65-Jährige. Er weiß, dass er sein Geschick zu günstig anbietet. Sechs bis acht Stunden Arbeit stecken in durchschnittlichen Stühlen. Bei Ahrens zählen jedoch das Herzblut und die Leidenschaft für das oft jahrhundertealte Mobiliar, mit dessen Wiederherstellung er Menschen glücklich machen kann.

„Auf diesen Stühlen wurde gelebt“, unterstreicht er: „Jeder einzelne hat seine Geschichte.“ Zu gerne würde Ahrens diese in Worten hören. So kann er nur erahnen, wie viele Momente die Stühle oder Sitzbänke mitgemacht haben.

„Die Bank“, lenkt der Stuhlflechter ein und zeigt auf einen Doppelsitz, ist etwas ganz Besonderes. 120 Jahre ist dieser alt und aus Buchenholz gebogen.

Das Bemerkenswerte, so Ahrens: „Sie ist aus einem Stück gemacht, lediglich an bestimmten Stellen verleimt und verzapft.“ Ein Stuhl von Louis Philippe aus Nussbaumholz ist ein weiteres Liebhaberstück des Römerbergers.

In der Viehtriftstraße im Ortsteil Heiligenstein ist er seit mittlerweile 23 Jahren offizielle Anlaufstelle als Stuhlflechter. Ein Ein-Mann-Betrieb sozusagen, der Menschen aus der ganzen Republik, vom tiefen Süden bis in den hohen Norden, mit seiner Arbeit begeistert. Persönlich vorbeikommen müssen diese nicht unbedingt mit den Sitzmöbeln. „Die Stuhlfläche ist abnehmbar. Der Versand kostet nur wenige Euro“, erklärt Ahrens.

Welcher Menschentyp zu ihm kommt, beantwortet er zunächst mit einem Lächeln und dann mit einer Feststellung, die Ahrens mit Nachdruck formuliert: „Das sind Menschen mit Verstand.“ Ein Stuhl in der Qualität der Vergangenheit sei nämlich heutzutage für das Geld, das für die Reparatur ausgegeben wird, nirgends mehr erhältlich.

Die Historie der Einzelstücke ist dem Flechter wichtig. Deshalb entfernt er die Patina nicht. „In meiner Werkstatt gibt es kein Schleifpapier“, merkt er an: „Ich arbeite nur mit Stahlwolle.“ Was alt ist, darf auch entsprechende Spuren tragen. Wer glaubt, alte Stühle sind die Passion einer Minderheit, ist auf dem Holzweg. Nicht nur die Älteren wissen Tradition zu schätzen. „Ich habe auch viele junge Menschen, die sich daran erinnern“, sagt Ahrens.

Wartezeiten bis zu einem halben Jahr nehmen diese dafür in Kauf. Eine Ausnahme hat der Flechtkünstler bei einer 90-jährigen Dame gemacht. Sie sollte ihren Herzenswunsch eines „neuen alten Stuhles“ zu Lebzeiten erfüllt sehen und noch lange daran Freude haben.

Ahrens mag es bei seiner Arbeit zu sehen, wie er Stück für Stück weiterkommt. Dieses Glücksgefühl vermittelt er auch gerne anderen Menschen, die unbedarft die Kunst des Stuhlflechtens erlernen können. Im Oktober wird er wieder einen Workshop im Flechten geben. Der Kunst- und Kulturverein Römerberg bietet diesen regelmäßig an. Nahezu ausgebucht ist der Kurs, an dem maximal zwölf Personen teilnehmen können. xsm

INFO 
www.kuk-roemerberg.de