Ein Friedhof ist nicht nur eine Begräbnisstätte, er ist ein Ort der Erinnerung mit einem Blick in die Vergangenheit der Orts- und Familiengeschichte.
Das trifft in Mutterstadt in besonderem Maße auf das Feld Nr. 18 auf dem Neuen Friedhof zu, direkt neben dem Haupteingang am Pfalzring gelegen. Ortschronist Volker Schläfer erläutert bei einem Gang über dieses Gräberfeld und beim Lesen der Grabinschriften sozusagen „geballte“ Mutterstadter Ortsgeschichte über Personen, Berufe und Gewerbe der vergangenen Jahrzehnte.
Bestattet sind hier u.a. Herbert Maurer (1929 – 2010), der von 1956 bis 1992 im Dienst der Gemeinde tätig, davon ab 1973 als hauptamtlicher Bürgermeister (bei seiner Wahl durch den Gemeinderat noch SPD-Mitglied, dann WG Arenz/FWG). In seiner Amtszeit wurden viele ortsbildprägende Großobjekte realisiert wie Neue Pforte, Neues Rathaus, Schulzentrum im Mandelgraben, Seniorentagesstätte, Haus der Vereine, die Erweiterung des Gewerbegebietes oder die Pfalzmarktansiedlung. Richard Biebinger (1910 – 1989) war einer der Landwirte, die durch die Aufgabe ihrer Höfe in der Oggersheimer Straße und die folgende Flurbereinigung die Voraussetzungen für die Ortskernsanierung Mitte der 1960-iger Jahre schufen. Der Aussiedlerhof Biebinger an der Ruchheimer Straße wurde mehrfach als schönster Vorgarten im Außenbereich, mit einer Sammlung von Grenzsteinen, ausgezeichnet. Der Landwirt war aber auch kommunalpolitisch tätig und zwar als Ratsmitglied von 1956 bis 1964 für die WG Laudenklos und anschließend bis 1974 für die SPD-Fraktion als ehrenamtlicher 2. Beigeordneter.
In der Ortspolitik aktiv war auch der Elektro-Ing. Bernd Mundschau (1939 – 1996) und zwar für die WG Arenz/FWG von 1979 bis 1992 als 2. Beigeordneter. Nach seinem Austritt aus der FWG wurde er 1994 nochmals über die SPD-Liste in den Gemeinderat gewählt. In dem Familiengrab ist auch Mundschaus Schwiegervater Karl Emmert (1910 – 1993) bestattet, der einen Steinmetzbetrieb hatte und so zeugen heute noch Grabsteine auf dem alten und neuen Friedhof von seiner handwerklichen Tätigkeit.
Werner Biebinger (1935 – 2023), Landwirt, Jäger, Hotelbesitzer und Kommunalpolitiker, war 1974 einer der drei Ratsmitglieder, mit denen die neu gegründete Wählergruppe Arenz erstmals in den Gemeinderat kam. Sein großes Hobby war aber die Jagd und so benannte er das von ihm 1980 in Betrieb genommene familiengeführte Hotel-Restaurant im Gewerbegebiet am Mutterstadter Waldrand „Jägerhof“.
Geschichten hinter den Namen
Der Rundgang geht weiter, vorbei an den Familiengräbern von gleich sechs ehemals selbstständigen Metzgermeistern, die hier bestattet sind. Karl Kunz (1907 – 1981) hatte nicht nur eine Metzgerei, „de Kunze Karl am Wasserturm“ war auch viele Jahre in der Ortspolitik aktiv. Von 1948 bis 1952 als CDU-Gemeinderatsmitglied und dann von 1956 bis 1964 bei den Bürgermeistern Otto Reber und Hermann Belzner (beide SPD) für die CDU als ehrenamtlicher 1. bzw. 2. Beigeordneter.
Wilhelm Holzwarth (1894 – 1976) war Besitzer des Gasthauses „Zum Ochsen“ mit Metzgerei in der Ludwigshafener Straße/Ecke Schulstraße. In diesem Gasthaus mit Saal wurde Mutterstadter Ortsgeschichte geschrieben, u.a. bei den früher dort abgehaltenen Gemeinderatssitzungen mit Bürgermeisterwahlen, bei vielen Vereins- und Vereinswiedergründungen, politischen und kulturellen Veranstaltungen und Tanzvergnügen. Die Metzgerei (mit Imbissecke) blieb in Familienhand und wurde von seinem Sohn Eugen (1927 – 1972) weitergeführt. Friedrich Holzwarth (1901 – 1979) hatte in der Luitpoldstraße, gegenüber dem Rathaus, eine Metzgerei mit Weinstube; die Metzgerei wurde dann von seinem Schwiegersohn Fritz Steinkönig (1921- 1986) übernommen. Dieser war jahrelang der Hauptlieferant für die Mutterstadter „Waldfestservelat“, wofür er oft auch noch samstags und sonntags für kurzfristige Nachbestellungen in der Wurstküche stand.
Inhaber einer Metzgerei in der Rheingönheimer Straße war auch Josef Kunz (1924 – 2014), aktives Vorstandsmitglied im örtlichen Gewerbeverein.
Emil Dietrich (1904 – 1977) und sein Schwiegersohn Rudi Neumann (1927 – 1976) waren beide als Architekten an der baulichen Entwicklung Mutterstadts beteiligt, sowohl im Wohnungsbau, als auch für die öffentliche Hand, für die Kirchen und im Gewerbebau. Baulich umgesetzt wurden viele dieser Planungen durch die Mutterstadter Baufirma Adam Rief in der Ringstraße. Bau-Ing. Roland Rief (1931- 1990) führte erfolgreich das weit über den Ort hinaus bekannte große Baugeschäft.
Im Baubereich waren auch Karl Ehringer (1897 - 1988) und dessen Schwiegersohn Erwin Unold (1920 - 1994) tätig. Sie waren Inhaber des als Spenglerei gegründeten Handwerksbetriebs als Fachfirma für Heizungs- und Sanitärinstallation. Erwin Unold war darüber hinaus auch einige Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der örtlichen Raiffeisenbank.
„Fräulein Oberinspektorin“ Lilly Nußkern (1902-1998), so die seinerzeitige offizielle Anrede, schrieb insoweit Rathausgeschichte, als dass sie bis heute die einzige Beamtin im gehobenen Dienst in der Mutterstadter Verwaltung war und ist. Ab 1948 bis zu ihrer Pensionierung leitete Frau Nußkern das damalige Fürsorgeamt(später Sozialu. Versicherungsamt).
Das große Hobby von Hans Rothaug (1932 – 2016), selbstständiger Bäckermeister in der Neustadter Straße, war der Chorgesang als aktiver Sänger und 30 Jahre als Vorsitzender des Evang. Kirchenchors. Er gehörte dem Presbyterium der prot. Kirchengemeinde an, war Vorsitzender des Gesangvereins der regionalen Bäckerinnung und Vorstandsvorsitzender der BÄKO GmbH, Mannheim.
Hermann Steiger (1902 - 1997), Landwirt in der Oggersheimer Straße, war passionierter Jäger und viele Jahre Feldgeschworener und Wildschadenschätzer für die Gemeinde.
Dr. Hans Wieland (1905 – 1998) war 60 Jahre als Hausarzt in Mutterstadt tätig, ab 1937 in der Neustadter Straße 2 und dann ab 1954 in seinem Haus mit Praxis in der Gartenstraße. Früher war es ja üblich, dass ein „Landarzt“ nachmittags und abends Hausbesuche machte und sozusagen „rund um die Uhr“, für seine Patienten da war, auch außerhalb der Sprechstunden, an Wochenenden und Feiertagen.
Fazit von Volker Schläfer nach dem Rundgang über dieses Grabfeld: „Viele ortsbekannte Namen haben deren Tod und die Zeit überdauert, sind festgehalten in den Grabsteinen und „erzählen“ so Orts- und Familiengeschichte“. red