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Michael Landgraf lebt als Fortbildungsdozent und Schriftsteller seit 1999 in Neustadt an der Weinstraße. Als Mitglied des Stadtrates wurde er gemeinsam mit anderen in den gewählten Beirat für Migration und Integration berufen. Mit Barbara Kupper, die aus Polen stammt, leitet er dieses Gremium.
Warum engagieren sie sich im Beirat Migration?
Aus persönlichem Interesse. Ich gehöre der bundesweiten „Arbeitsgemeinschaft Interreligiöses Lernen“ und dem landeskirchlichen „Arbeitskreis Interkulturalität“ an. Als Autor haben rund 20 meiner Erzählungen und Sachbücher mit interkultureller Begegnung zu tun. Die neue Aufgabe passt also zu meiner bisherigen Arbeit.
Welche Ziele hat der Beirat?
Der Beirat wird nach jeder Kommunalwahl neu gewählt. Dazu kommen berufene Stadträte, die die Brücke zur Kommunalpolitik schlagen. Die städtische Integrationsbeauftragte Eresvinda López gehört auch dazu. Der Beirat hat letztlich eine politische und eine koordinierende Funktion. In unserer ersten Sitzung beschlossen wir, dass wir präsenter werden wollen. Bürger mit Migrationshintergrund sollen wissen, welche Angebote es für sie gibt. Bei der letzten Beiratswahl bekamen viele keine Wahlunterlagen, selbst heutige Beiratsmitglieder. Dann wollen wir uns stärker vernetzen. Dankbar sind wir über die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Ingo Röthlingshöfer und dass Kristina Eichelberger von der Stadt koordinative Aufgaben erledigt.
Wie läuft die Vernetzung zwischen den Migrationspartnern?
Barbara Kupper und ich haben bereits mit verschiedenen „Playern“ Kontakt aufgenommen, beispielsweise dem Bildungsbüro. Gespräche mit der Volkshochschule, der Ausländerbehörde, dem Stadtvorstand und den Fraktionen folgen. Mit der langjährigen Vorsitzenden des Arbeitskreises Asyl, Ulrike Gauglitz, gibt es bereits eine enge Zusammenarbeit. Wir sind im Landes-Netzwerk der Beiräte in Rheinland Pfalz vertreten und vernetzen uns mit denen im Umfeld. Ein Gedanke ist auch, überregionale Veranstaltungen nach Neustadt zu holen.
Welche Probleme zeigen sich in der Praxis?
Jeder, der in ein anderes Land zieht, erlebt bürokratische Hürden und hat Probleme mit der Amtssprache. Das betrifft selbst Menschen aus dem europäischen Ausland, die hier arbeiten oder einen hiesigen Ehepartner haben. Sprachhilfen sind da wichtig. Dann ist da die Hilfe bei Asylverfahren. Hier leistet der AK Asyl eine wertvolle Arbeit. Wir können uns zwar qualifizieren, doch sind wir auch auf erfahrene Rechtsanwälte oder Übersetzer mit Empathie für Ratsuchende angewiesen.
Wird Integration von den Neustadtern mitgetragen?
Ich erlebe die Neustadter als offen und solidarisch. Nach dem tragischen Anschlag in Hanau konnten der Beirat und die Gedenkstätte innerhalb weniger Stunden rund 80 Leute zur Mahnwache auf dem Neustadter Markplatz versammeln. Alljährlich ein Erfolg ist das Multi-Kulti-Fest, wo wir als Beirat mit einem Stand vertreten sein wollen. Bis dahin werden wir auch einen Flyer mit Ansprechpartnern, Themen und konkrete Hilfen fertigstellen.
Die Flüchtlingsdramen reisen nicht ab. Ihre Position?
Keiner ist freiwillig auf der Flucht. Im Syrienkrieg bekommen wir die Flüchtlingswellen nicht direkt ab, anders als die Türkei, wo über vier Millionen Flüchtlinge leben. Auch wenn nur ein Teil davon nach Griechenland und damit nach Europa kommt, betrifft die Krise auch uns. Wir können nicht wegsehen. Letztlich geht es um Menschen! Gerade wir Pfälzer sollten emotional nahe dran sein. Unsere Geschichte ist von Flucht und Migration geprägt.
Was meinen Sie mit „Pfälzer Migration“?
Pfälzer erlebten über Jahrhunderte Kriege, Verfolgung und Hungersnöte. Sie mussten ihre Heimat verlassen. Viele zog es nach Pennsylvania, wo man nach 250 Jahren immer noch Pfälzisch spricht. Außerdem steckt in unseren Adern das Blut von Migranten, ob von Hugenotten aus Frankreich oder von Schweizer Bauern, die nach dem 30-jährigen Krieg hergeholt wurden. Dass wir Pfälzer eine so lange Zeit Migration hautnah erlebten, das motiviert mich, für Flüchtlinge ohne Heimat heute einzutreten. INTERVIEW: ANDREA ZIMMERMANN
Hoimat
Wann ich vuWann ich vun Hoimat redd,
do zuck ich,weil jo ännermääne
kennt, ichwär vun sellemols,
so än HoimatfilmeGugger
odder än
AberheitschibumbeitschiJodler
odder än
SoänguudePalzwoiTrällerer.
Wann ich vun Hoimat redd,
do denk ich awwer aa
an die viele Leit,
die heit kääni henn
un grad unnerweechs sinn,
uff ihre Fieß un iwwersMeer,
weils Kriege gebbt un Not
un se in ehre Hoimat
nimmi leewe kenne.
Wann ich vun Hoimat redd,
do erinner ichmich,
dass ewiche Zeide
Leit ausmoinere Hoimat Palz,
annerschtwu hiegemisst henn,
uff ihre Fieß un iwwersMeer,
weilsKriege gewwehot undNot
un die allweil noch Pälzisch
babbeln, nooch all denne Johr.
Wann ich vun Hoimat redd,
doweeß ich,
dasswer sich Pälzer nennt,
ä Sammelsuriumis,
ä vieldausendjähricheMixdur
aus Germane un Reemer,
aus Spannier un Schweizer
unwer halt sunnscht noch
in de Palz hängegebliwwe is.
Wann ich vun Hoimat redd,
do spier ich,
dass ich dankbar bin,
irchendwo dehäämzu soi
wu ich gern leewe duh
un dass ich offe soi derf,
grad fer die Leit,
die ohne so ebbes sinn –
ä Hoimat.
MICHAEL LANDGRAF (PREISGEDICHT BOCKENHEIM 2016)
Zur Sache: Pfälzer als Flüchtlinge
Daniel Defoe, weltbekannter Autor des „Robinson Crusoe“, beschrieb als Chronist 1709 das Flüchtlingsszenarium in London. Er machte sich für die Hilfesuchenden aus der Pfalz stark. „Poor Palatines“ nannte man sie auf der Britischen Insel, ein Begriff, der zu einem Synonym für deutsche Auswanderer wurde. Damals entstanden rund um London Flüchtlingsslums. „Zu Zehntausenden kommen die Menschen aus der Pfalz, um Armut und religiöser Verfolgung zu entgehen“, schreibt Defoe. Rufe nach Obergrenzen, Kontingenten und Flüchtlingskolonien wurden laut. Defoe berichtet von fremdenfeindlicher Hetze ebenso wie von der Zivilcourage vieler Privatleute. Was sich damals in London abspielte, erinnert in vielem an die heutige Flüchtlingskrise. Einige Tausend „poor Palatines“ brachte man ins mindestens so arme Irland. Hunderte schickte man als billige Arbeitskräfte in die neuenglischen Kolonien in Übersee. In England selbst blieben rund 3.000 Flüchtlinge. anzi