„Nehmt mir doch grad mal die Handschellen ab, damit ich der Tilly meinen Mantel umlegen kann“, hatte Bernhard Kimmel bei einem Ortstermin am Brechloch die Polizeibeamten gebeten. Die dachten sich nichts dabei und taten es. Mit einem Sprung hechtete der Kopf der Kimmel-Bande einen sechs Meter tiefen Hang hinunter, besorgte sich aus einem nahe gelegenen Versteck neue Waffen und befreite seine Freundin auch noch.
Polizei tappte im Dunkeln
Die Kimmel-Bande hatte zwischen 1957 und 1961 bei Einbrüchen in der Pfalz insgesamt 150.000 D-Mark erbeutet und die Polizei tappte völlig im Dunkeln. Es hätte noch lange so weiter gehen können. Die sechs jungen Männer vergruben die Beute in Aluminium-Milchkannen im Pfälzerwald.
Doch dann in der Silvesternacht von 1960/61 geschah das Ungeheuere: Die Bande um den damals 25-jährigen Webergesellen Kimmel zog in dieser Nacht durch den Pfälzerwald.
Zunächst zündeten die jungen Männer, angetrunken wie sie waren, die Totenkopfhütte an. Dann gingen sie weiter zu der einen Kilometer entfernten Hellerhütte und randalierten dort. Plötzlich ein Licht, ein Schuss. Das Bandenmitglied Lutz Cetto hatte den damals 49-jährigen Hüttenwart Karl Wertz mit seiner Neun-Millimeter-Pistole erschossen. Heute erinnert ein Ritterstein an den Hüttenwart des Pfälzerwald-Vereins.
Die Polizei konnte Kimmel nicht finden
Eine Woche lang dauerte die Fahndung nach dem Kopf der Bande. Bernhard Kimmel, den die Presse nun nur noch den „Al Capone von der Pfalz“ nannte, war der Polizei zusammen mit seiner Freundin Mathilde Dohn -die „Revolver-Tilly“-immer einen Schritt voraus. Mit 1.000 Beamten durchforstete die Polizei den Pfälzerwald - es war der größte Einsatz, den die Rheinland-Pfälzische Polizei bis dahin erlebt hatte. Doch Kimmel gelang es immer wieder, die Fahnder zu narren. Er blieb unauffindbar. Schließlich stellte er sich selbst der Polizei.
Doch damit ist die Geschichte aber noch lange nicht am Ende.
Kimmel gelang beim Ortstermin am Brechloch die oben beschriebene Flucht. Wieder schafften es die Ordnungshüter nicht, den Verbrecher zu stellen.
Vier Tage später stellte er sich erneut den Behörden. Bei dem Prozess am Landgericht Frankenthal wurde er 1963 zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. 1970 wurde er dann wegen guter Führung vorzeitig entlassen.
Eine Zeit lang wird er im linken Kulturbetrieb herumgereicht und gibt Interviews für die Presse, in denen er sein „Schinderhannes“-Image als edler Verbrecher pflegt.
Er kann es nicht lassen
Doch Kimmel kann es nicht lassen. Bereits 1975 wird er nach einem Bankeinbruch bei Frankfurt in der Nähe des Tatorts geschnappt. In seinem Auto findet man Werkzeug, das zum Einbruch passt. Trotz der vielen Indizien gelingt es jedoch nicht, ihm die Tat nachzuweisen. So wird er freigesprochen.
Am 12. Dezember 1981 endet die kriminelle Karriere dann.
Bei einem Einbruch in eine Sparkasse in Bensheim an der Bergstraße erschießt Bernhard Kimmel einen Polizisten, ein anderer Polizist wird durch die Explosion eines Sprengsatzes schwer verletzt und bleibt querschnittsgelähmt. Kimmel selbst wurde auch verletzt und festgenommen. Diesmal wird er zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach 22 Jahren wird er entlassen. Insgesamt hat er 30 Jahren hinter Gittern verbracht. Zuletzt lebte er in Offenbach an der Queich, dann in einem Altersheim bei Landau. Vor fünf Jahren starb er dort. Die Beute in den Milchkannen wurde nie gefunden.
Kimmel und die Medien
Bereits über die spektakuläre Flucht und die missglückte Fahndung wurde bundesweit berichtet. Redegewandt und charismatisch suchte Kimmel früh selbst den Kontakt zur Presse, worauf die Regenbogenpresse auch gerne einging. 1969 wurde ein Film mit dem Titel „Al Capone von der Pfalz“ für das Deutsche Fernsehen unter anderem mit Christof Wackernagel und Rainer Werner Fassbinder gedreht. Zum 70. Geburtstag von Kimmel sendete der Südwestrundfunk 2006 eine Dokumentation. Im selben Jahr wurde die Dokumentation „Mein Freund, der Mörder“ von Peter Fleischmann ausgestrahlt, der ihn Jahre lang begleitet hatte. Außerdem erschienen mehrere Bücher über den „Al Capone von der Pfalz“.
rko