Wenn es soweit ist, wird laut gemeckert. So zeigt die Ziege, dass die Wehen beginnen. Viele der „Walliser Kupferhalsziegen“, eine vom Aussterben bedrohte Schweizer Rasse, freuen sich dann, wenn Susanna Bleses in der Nähe ist. Manche beginnen erst mit der Geburt, wenn Bleses beim Stall ist.Für die Tierbesitzerin sind es spannende Tage. Meist geht es in der Mittagszeit los. Nach fünf Monaten Tragezeit baut sich der Euter der Tiere auf. Dann, wenn die Temperaturen langsam steigen, kommt der Nachwuchs zur Welt, manchmal im Doppelpack als Zwillinge. Deshalb kann Bleses jetzt noch nicht abschätzen, wie viele Babys es diesmal sind. „Sie können das natürlich alleine schaffen, aber sie suchen auch den Kontakt. Ihr Vertrauen in uns ist riesengroß. Manche wollen gestreichelt werden.“Bleses schaut, ob Füße und Kopf ordentlich liegen und lässt der Natur ihren Lauf. Dem frischgeborenen Zicklein säubert sie die Schnauze und freut sich über den gesunden Nachwuchs. Die Mama und das Zicklein bekommen dann eine gemütliche Einzelbox. Erst einmal hat Bleses aktiv bei einer Geburt helfen müssen. Bei der Mutterziege hörten die Wehen auf, und so zog Bleses das Zicklein aus dem Körper.
Susanna Bleses und Michael Ohler züchten in Gimmeldingen vom Aussterben bedrohte Ziegen- und Schafrassen
Susanna Bleses erwartet im Frühling mehrfach Nachwuchs. Und das Jahr für Jahr. Die Gimmeldingerin züchtet mit ihrem Partner Michael Ohler seltene Ziegen- und Schafrassen. Aktuell stehen die Geburten von rund zehn jungen Ziegen und fünf Lämmern an.
Rund zwölf Wochen bleiben die Kleinen bei ihrer Mutter. Der Nachwuchs wird gezielt an andere Züchter verkauft, damit die seltene Rasse erhalten bleiben kann. Der Zuchtverband nimmt die jungen Ziegen sogar erst nach sechs Monaten auf und trägt sie in die offiziellen Papiere ein. Auch wenn die Kleinen bereits mit drei Wochen an den ersten Zweiglein knabbern, ist ihr Verdauungstrakt noch nicht ganz ausgebildet. Der Pansen ist bei den Wie erkäuern erst nach sechs Wochen einsatzbereit. Für den Eigenbedarf macht Bleses Frischkäse aus der Ziegenmilch, jetzt möchte sie auch Seife daraus herstellen.
Ihre „Ungarischen Zackelschafe“ sind eine weitere bedrohte Rasse, die mit ihren eindrucksvollen „Zackeln“, ihren langen, schmalen Hörnern, ein Blickfang auf der Weidefläche sind. Daneben stehen auch die „Grau gehörnten Heidschnucken“. Anders als die zutraulichen Ziegen halten die Schafe Abstand. Daher muss Border Collie Ludwig mithelfen, wenn es darum geht, sie in den Transporter zu dirigieren. Denn die Ziegen und Schafe sorgen auf fremden Wiesen und Brachflächen für Ordnung. Für die Eigentümer der Felder und für Bleses ist es ein einfaches Tauschgeschäft. Die Tiere fressen und halten gleichzeitig die Flächen frei von ungewolltem Bewuchs. Also eine klassische „Win-Win-Situation“ für Bauern und Tierhalterin Bleses. Eine enge Zusammenarbeit besteht etwa mit dem Diakonissenhaus in Lachen-Speyerdorf. Dort sind die Tiere regelmäßig als vierbeinige Rasenmäher im Einsatz.
Ziegen und Schafe ergänzen sich bei der Arbeit. Während die Ziegen auch an Gestrüpp, Büschen und Brombeerhecken knabbern, mampfen die Schafe das Gras. So stehen für Bleses und Ohler zwei Gründe für ihr aufwendiges Hobby im Vordergrund. Zum einen die Erhaltung der bedrohten Rassen, zum anderen die Landschaftspflege. Bei der Zucht werden die Tiere im Sommer in bestimmte Gruppen aufgeteilt, damit ein Bock nicht Tiere deckt, die mit ihm verwandt sind. In der Deckzeit im August klappt dann alles reibungslos. „Bei den Tieren funktioniert das ganz einfach. Alle weiblichen Tiere tragen dann über Winter“, so Bleses. Nur weiß sie nie genau, wann es wirklich losgeht. Nach fünf Monaten Tragzeit ist es soweit, doch schließlich gibt es keinen Kalender, in dem der Bock vermerkt hätte, wann die Befruchtung stattgefunden hat.
Täglich schaut Bleses bei den Tieren auf den Weiden vorbei. Haben sie genügend Wasser, sind die Zäune in Ordnung, ist ein Tier verletzt? Eine große Gefahr sind Wildschweine, die den Weidezaun zerstören und so ein Ausbüxen der Tiere ermöglichen könnten.
Die kleine Herde von zwölf Ziegen und acht Schafen bleibt bis zum natürlichen Tod bei ihren Besitzern. „Die Lebenserwartung beträgt rund 15 Jahre“, erklärt Bleses. Bei den Schafen verwertet sie auf eine besondere Weise das Fell. Sie schert die Tiere selbst einmal im Jahr. Sie berichtet: „Wenn man sie auf den Hintern setzt, dann bleiben sie auch sitzen, das ist bei ihnen ein natürlicher Reflex. Ich versuche, das Vlies zusammenhängend zu scheren. Daraus filze ich dann ein Fell. So erhalten wir ein ganzes Fell, ohne dass das Tier getötet wurde.“
Trotz des täglichen Einsatzes für das Tierwohl wollen sich Bleses und Ohler auch Raum für weitere Hobbys lassen. Ein zweiwöchiger Urlaub ist ebenfalls jedes Jahr für sie drin. „Wenn wir nicht da sind, sehen liebe Freunde oder Verwandte nach den Tieren. Das war schon die Grundbedingung, als wir uns vor sechs Jahren die Tiere anschafften, um zunächst das eigene Grundstück frei zu halten“, betont Bleses.
Dass daraus eine ganz besondere Beziehung wurde, war wohl einfach der natürliche Lauf der Dinge. Auch Hütehund Ludwig stieß dann als Welpe zu der Familie. Er wurde vor Ort zum Hütehund ausgebildet, und die Schafe waren dabei das praktische Anschauungsmaterial für die Schulungen. kle