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Fünf Tonnen Holz und zwei Tonnen Mensch: das will erstmal bewegt werden – allein mit Muskelkraft. Und zwar so, dass das originalgetreu nachgebaute römische Patrouillenboot bitte nicht gleich nach dem Ablegen ins Ufer kracht, an einer flachen Stelle auf Grund läuft oder sonst wie havariert. Also am besten einfach das tun, was Alex tut.
Alex sitzt ganz vorn links, spielt mit seinem Ruder quasi die erste Geige, zumindest fürs Backbord. Der Mann rechts daneben heißt Jan und ist fürs Steuerbord zuständig. Beide haben das noch nie gemacht, kommen mit ihrer verantwortungsvollen Aufgabe aber gut klar. Hören muss die gesamte Mannschaft ohnehin auf den Bootsführer: Dieter Heim steht im Bug und gibt die Kommandos. Spätestens nach der zweistündigen Verwandlung in einen römischen Legionär weiß man, was gemeint ist, wenn das Backbord streichen soll, um eine Tellerwende zu vollführen.
Imposant ist auch die Vollbremsung. Physik pur ist erlebbar, wenn das Sieben-Tonnen-Schiff aus rascher Schrittgeschwindigkeit zum Stoppen gebracht werden soll, indem alle Riemen ins Wasser gedrückt werden.
In den Ruderpausen geht’s anschaulich um römische Kultur und Lebensart. Zu lernen ist etwa, dass die Römer bereits Profis in Sachen Ackerbau und Schmerzmittel waren oder wie sie gemeinsam öffentliche Toiletten aufsuchten – zum Netzwerken, Diskutieren und Handeln, also um„Geschäfte zumachen“.
Natürlich wird auch erklärt, warum man ausgerechnet hier in diesem Boot sitzt: Der Rhein war vor 1700 Jahren die Verteidigungslinie des Römischen Reichs gegen das freie Germanien. Wendigen Patrouillenbooten des Typs „Navis Lusoria“ ohne viel Tiefgang kamen dabei eine große Bedeutung zu. Die Besatzung bestand aus 24 rudernden Legionären, dem Schiffsführer und ein paar Bogenschützen.
Wie im 3. Jahrhundert werden auch im 18 Meter langen Nachbau Kiel, Spanten und Planken von mehr als 4000 handgeschmiedeten Eisennägel zusammengehalten. Als Höchstgeschwindigkeit kann eine trainierte Rudermannschaft sechs Knoten, also etwa elf Stundenkilometer, schaffen. Wird zusätzlich das 20 Quadratmeter große Segel gesetzt, sind auch sieben Knoten (etwa 13 km/h) drin.
Wer wo sitzt, ist nicht allein eine Gewichtsfrage. Vor allem die Taktgeber wie Alex und Jan wollen gut ausgewählt sein. Dabei spielt wohl ein gewisses Maß an Menschenkenntnis des Schiffsführers eine Rolle. Bevor es an Bord geht, hat er etwas Zeit, seine Mannschaft kennenzulernen. Schließlich gibt’s erstmal eine kurze Einführung. Es wird besprochen, was die Lusoria Rhenana genau ist und wie das so alles funktioniert mit dem Rudern.
Auch kann es vorm Ablegen mal ein gemeinsames Brett- und Schätzspiel in Formeines riesigen Puzzles geben. Darauf zu sehen sind die Veränderungen des Rheins durch dessen Begradigung im 19. Jahrhundert. Denn zur Römerzeit und noch viele Jahrhunderte danach sah der Fluss mit seinen Mäandern und Seitenarmen völlig anders aus als heute. Die Fließgeschwindigkeit war geringer und das Wasser flacher.
Genau dafür waren die römischen Patrouillenboote konzipiert. Auf dem heutigen Rhein damit zu fahren, wäre wegen der starken Strömung für Freizeit-Legionäre zu gefährlich. Der Setzfeldsee von Neupotz zwischen Germersheim und Wörth ist als abgeschnittener Altrheinarm für diese Zwecke hingegen ideal. Hier gibt es auch eine Menge interessanter Flora und Fauna am- und im Wasser zu entdecken, auf die der Bootsführer gerne hinweist.
Ideal ist dieses besondere Rudererlebnis nicht nur für geschichtlich Interessierte, Natur- und Bewegungsfreunde, Familien, Kegelvereine und Schulklassen, sondern auch als Team-Building-Maßnahme. Und es kann auf der Lusoria Rhenana sogar standesamtlich geheiratet werden. Tobias Grauheding
INFO
»Lusoria Rhenana« des Germersheimer Vereins zur Förderung von Umweltbildung und römischer Geschichte in Neupotz: Öffentliche Fahrten am ersten Sonntag im Monat (5.7. ausgebucht), 16.30 Uhr, Anmeldung im Infozentrum »Haus Leben am Strom«, Neupotz, Hauptstraße 4, Telefon: 07272 7000261, www.leben-am-strom.de.
Infos für Gruppen auf www.lusoriarhenana.de und bei Dieter Heim,Telefon: 0151 12835577. Aufgrund der Abstandsregeln wird aktuell mit maximal 12 bis 18, ansonsten mit bis zu 30 Personen gefahren. Die Fotos stammen von 2019.