Für Christen beginnt die Fastenzeit am Aschermittwoch. Wieso gerade an diesem Tag?
„Die Fastenzeit beginnt am Aschermittwoch, weil sie eine 40-tägige Vorbereitungszeit auf das Osterfest ist – in Anlehnung an die 40 Tage, die Jesus in der Wüste gefastet hat. Dabei sind die Sonntage von der Zählung ausgenommen, denn jeder Sonntag ist ein kleines Osterfest, an dem wir die Auferstehung Jesu feiern.
Das Aschenkreuz, das viele Gläubige an diesem Tag empfangen, ist ein Zeichen der Vergänglichkeit. Doch zugleich ist es ein Zeichen der Umkehr und Erneuerung – ein bewusster Neuanfang auf dem Weg zu Ostern. Die Fastenzeit lädt dazu ein, sich innerlich neu auszurichten, Gewohnheiten zu hinterfragen und den Blick stärker auf Gott und die Mitmenschen zu richten.“
Welche Rolle spielt das Fasten heute noch?
„Fasten ist längst nicht mehr nur ein kirchliches Ritual, sondern hat viele Facetten, die auch außerhalb des Glaubens an Bedeutung gewinnen. In unserer schnelllebigen, konsumorientierten Gesellschaft kann das bewusste Verzichten helfen, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Fasten bedeutet nicht nur den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel, sondern kann sich auf übermäßigen Medienkonsum, Stress oder unnötigen Luxus beziehen.
Die spirituelle Dimension des Fastens bleibt jedoch zentral: Es geht darum, innerlich frei zu werden, Ballast abzuwerfen und Raum für Gott und neue Perspektiven zu schaffen. Gleichzeitig kann Fasten eine soziale Dimension haben: Wer weniger für sich selbst beansprucht, kann mehr mit anderen teilen – sei es durch bewussten Konsumverzicht oder durch konkrete Hilfsbereitschaft gegenüber Bedürftigen.“
Was genau bezweckt der Verzicht auf etwas?
„Verzicht ist kein Selbstzweck, sondern eine bewusste Entscheidung, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt. In unserer Überflussgesellschaft neigen wir dazu, uns von Dingen, Gewohnheiten oder Ablenkungen vereinnahmen zu lassen. Fasten hilft, innezuhalten und sich zu fragen: Was brauche ich wirklich? Was gibt meinem Leben Sinn?
Aus christlicher Sicht dient der Verzicht dazu, die Beziehung zu Gott und den Mitmenschen zu vertiefen. Wer zum Beispiel bewusst auf Konsum oder Unterhaltung verzichtet, kann die gewonnene Zeit für Gebet, Stille oder zwischenmenschliche Begegnungen nutzen. Gleichzeitig kann Fasten eine Übung sein, um achtsamer mit der Schöpfung umzugehen und sich solidarisch mit Menschen zu zeigen, die täglich mit Entbehrungen leben müssen.“
Wie sieht das „moderne Fasten“ im Vergleich zu früher aus?
„Früher war das Fasten stark auf den Verzicht von bestimmten Speisen ausgerichtet, insbesondere auf Fleisch. Die kirchlichen Fastenregeln waren klar definiert und wurden streng eingehalten. Heute hat sich der Fokus erweitert: Während der Verzicht auf Lebensmittel für viele noch eine Rolle spielt, gibt es zahlreiche neue Formen des Fastens, die an die Herausforderungen unserer Zeit angepasst sind.
Viele Menschen verzichten bewusst auf Social Media, um mehr Zeit für persönliche Begegnungen zu haben. Andere reduzieren ihren Plastikverbrauch oder nehmen bewusst weniger das Auto, um umweltfreundlicher zu leben. Auch das Fasten von negativen Gedanken, Stress oder übermäßigem Perfektionismus kann ein moderner Ansatz sein. Entscheidend ist nicht nur der äußere Verzicht, sondern eine innere Haltung der Achtsamkeit und der bewussten Neuorientierung.
Was kann beim Fasten helfen oder es leichter machen?
„Fasten fällt oft leichter, wenn es nicht nur als Verzicht, sondern als bewusster Gewinn betrachtet wird. Eine klare innere Motivation ist entscheidend. Ein Ziel vor Augen zu haben, hilft durchzuhalten und die Fastenzeit als bereichernd zu erleben. Gemeinschaftliche Fastenaktionen oder geistliche Impulse können eine wertvolle Unterstützung sein. Der Austausch mit anderen kann motivieren und inspirieren. Zudem hilft es, Rituale in den Alltag zu integrieren – sei es durch bewusstes Gebet, tägliche Stille oder einen Moment der Dankbarkeit. Wer sich nicht nur auf den Verzicht konzentriert, sondern aktiv Gutes tut, kann das Fasten als Zeit der inneren Erneuerung erleben.“
Wie sieht Ihre eigene Fastenzeit aus?
„Für mich bedeutet Fasten vor allem, bewusster zu leben und innezuhalten. Ich verzichte auf bestimmte Dinge, die mich oft ablenken oder vereinnahmen, um offener für Gott und die Menschen zu sein. Oft bedeutet das, weniger Zeit mit digitalen Medien zu verbringen und stattdessen mehr Raum für Stille, Gebet und persönliche Begegnungen zu schaffen.
Doch Fasten ist für mich nicht nur ein Verzicht, sondern auch ein bewusstes Tun: mehr Achtsamkeit für meine Mitmenschen, mehr Dankbarkeit für das, was ich habe, und mehr Zeit für das Wesentliche. Die Fastenzeit ist für mich eine Einladung, mein Leben neu zu ordnen und mich innerlich auf das Osterfest vorzubereiten – mit dem Vertrauen, dass jede bewusste Veränderung mich Gott und meinen Mitmenschen ein Stück näherbringt.“ xsm
INFO
Nicht nur während der Fastenzeit spielt die Erneuerung eine tragende Rolle. Pfarrer Jens Henning bietet im Jahresverlauf Auszeiten für die Seele an. Regelmäßig treffen sich dazu Interessierte an verschiedenen Standorten. Die nächste Zusammenkunft wird eine größere Wanderung sein, am 17. Mai in der Pfalz. Am 5. Juli folgt wiederum eine Spaziergang in Dudenhofen. Näheres zu den Terminen ist per E-Mail unter pfarramt.dudenhofen@bistum-speyer.de zu erfahren.