Dem Mythos Stadt auf der Spur

Städte prägen durch persönliche Eindrücke und Erinnerungen und noch viel stärker durch historische Ereignisse, Literatur, Filme, Bilder und Erzählungen. Jene indirekten Eindrücke lassen eine Stadt zum Mythos, zum Sehnsuchtsort werden. Um das nachzuvollziehen, ist es unerlässlich, die Städte zu besuchen, ihr besonderes Flair und ihre Menschen zu erleben.Stefan Becker nähert sich dem Mythos Stadt seit mehr als 40 Jahren – in Reiseskizzen, Aquarellen und größeren malerischen Kompositionen. Er ist neugierig auf den Eindruck, den Städte auf den Reisenden hinterlassen und übersetzt ihn in künstlerische Darstellung. Wasserfarben werden ergänzt durch Tuschen, Kreiden, verschiedene Grafitstifte. Technisch komplexe Radierungen entstehen überwiegend in der Druckwerkstatt des Kulturwerks Berlin und werden anschließend im Atelier weiter bearbeitet.In den 80er Jahren führten Beckers Reisen nach Rom, Venedig und Florenz, in den 90er Jahren mehrmals nach New York, Paris und Barcelona, seit den 2000er Jahren sind Berlin und Hamburg bevorzugte Orte der künstlerischen Auseinandersetzung.Die eigentliche künstlerische Herausforderung in den Städtebildern liegt für Stefan Becker vor allem darin, topografisch-gegenstandsbezogene und damit einmalig eine Stadt kennzeichnende Silhouetten, Türme, Plätze oder Hochhausensembles mit freien grafischen Strukturen in spannungsvollen Kompositionen zu kontrastieren. Von größter Bedeutung ist hierbei der bewusste Einsatz der Leere im Bild. Diese Freiflächen werden zu Resonanzräumen der gegenständlichen Motive und geben dem„Mythos Stadt“ die Möglichkeit, sich zu entfalten. Alle Stadtansichten sind keine strengen Veduten, keine vordergründigen Abbilder der Städte, sondern betonen Ästhetik und Poesie. Es gelingt ihnen, Atmosphäre, Licht, Stimmung einzufangen und so dem Mythos Stadt neue Nahrung zu geben.Die Ausstellung „Stefan Becker – 94-22 unterwegs“ in der Städtischen Galerie Speyer zeigt circa 80 Zeichnungen, Aquarelle, Mischtechniken und Radierungen des Künstlers aus den Jahren 1994 bis 2022. Diese sind dem Thema „Stadt“ gewidmet und umfassen neben etwa 25 Editionsblättern zu New York Ansichten von Berlin, Hamburg, Paris, Rom, München, Venedig, Barcelona und Speyer. Zudem werden einige Landschaftsbilder aus der Serie „Residence des Palmiers“ und „Photonoia“ (seit 2018) präsentiert, deren Ursprünge ebenfalls auf Reiseskizzen beruhen und die in ihrer Thematik eher ironisch und doppeldeutig das Reiseverhalten der Deutschen beleuchten. Zudem sind in der Werkschau auch drei Stillleben-artige Acryl-Grafit-Arbeiten zu sehen. Mehrere Werke stammen aus Privatbesitz und werden zum ersten Mal in einer öffentlichen Ausstellung gezeigt. msw