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75 Jahre Lokalredaktion - Zweibruecken

„Ohne geht’s nicht“

Am 22.2.22 wurde sie geboren, 1922 wohlgemerkt. Hannelore Schuldt ist 100 Jahre alt, zum Schnapszahlgeburtstag gab’s Crémant, obwohl sie auch Allgäuer Enzian schätzt. Was sie noch schätzt: ihre Tageszeitung.

„Ohne geht’s nicht“

Ritual: Klaus Lohse liest seiner Hannelore täglich aus der RHEINPFALZ vor. FOTO: SIGRID SEBALD

Die gebürtige St. Ingberterin kam nach Zweibrücken ihrer zweiten großen Liebe wegen, wie sie sagt. Ihr erster Mann ist mit nur 52 Jahren gestorben. Seit 49 Jahren ist sie nun mit dem zweiten Mann ihres Lebens, Klaus Lohse aus Zweibrücken, zusammen. „Nicht verheiratet, wir leben in wilder Ehe“, sagt die 100-Jährige und lächelt spitzbübisch. Die Verbundenheit sei auch ohne Trauschein groß.Klaus Lohse ist es denn auch, der seine rHannelore täglich aus der RHEINPFALZ vorliest. Selbst lesen kann sie seit etwa zehn Jahren wegen einer Augenerkrankung nicht mehr. Die Zeitung hat einen festen Platz im Leben der beiden. Jeden Morgen nach dem Kaffeetrinken geht es los. Zuerst liest der 85-Jährige aus dem Politikteil vor, „vor allem die Sachen, zu denen wir in den Fernsehnachrichten noch nicht ausreichend informiert wurden“, sagt Lohse.

Am 22.2.22 wurde sie geboren, 1922 wohlgemerkt. Hannelore Schuldt ist 100 Jahre alt, zum Schnapszahlgeburtstag gab’s Crémant, obwohl sie auch Allgäuer Enzian schätzt. Was sie noch schätzt: ihre Tageszeitung.

Dann sei die Zweibrücker Rundschau dran. „Ich interessiere mich für fast alles, was in Zweibrücken vor sich geht, auch wenn es mich selbst nicht oder nicht mehr betrifft“, sagt Schuldt. Straßensperrungen, wo wird was gebaut, Kommunalpolitik, die Öffnung des Freibads – das alles lasse sie sich aus der Zeitung vorlesen, eine halbe bis dreiviertel Stunde täglich. „Was in Zweibrücken passiert, steht ja sonst nirgends drin“, schätzt die 100-Jährige ihre Lokalzeitung. Und ärgert sich, wenn sie mal nicht im Zeitungsrohr liegt, was aber selten vorkomme.

„Hannelore war früher sehr aktiv“, erzählt Klaus Lohse voller Stolz. Eine begeisterte Schwimmerin sei sie gewesen, habe Pferde geritten, sei Ski gefahren, bestätigt Hannelore Schuldt. Mit dem Wohnwagen sei man oft in Urlaub gefahren, und auch die Kultur kam nicht zu kurz. Das Paar gehörte etwa dem Literarischen Verein und der Mozartgesellschaft Zweibrücken an.Heute bekomme sie zweimal die Woche Besuch von Ilse Müller und Jutta Reister, die ihr jeweils zwei bis drei Stunden aus Büchern vorlesen. „Zuletzt war Tucholsky dran“, so Schuldt. So breitgefächert wie ihre Interessen seien auch die Themen, die sie sich aus der RHEINPFALZ vorlesen lasse.

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Hannelore Schuldt – hier auf einem Foto von 1941 – hat selbst gerne geschrieben, kleine Geschichten, auch eine „Bierzeitung“ hat sie mal verfasst. FOTO: SIGRID SEBALD
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So zeichnete sich die 19-jährige Hannelore Schuldt für ihre „Bierzeitung“, der Kopf ist von einem Foto ausgeschnitten. FOTO: SIGRID SEBALD

Manche Artikel schneidet das Paar aus und bewahrt sie auf. Und früher gab es noch eine Verwendung für die RHEINPFALZ: Sie stopften sie in nasse Schuhe, damit sie schneller trocknen. Inzwischen gehe man nicht mehr so viel aus dem Haus, so dass die Schuhe trocken blieben, wie Klaus Lohse nicht minder trocken sagt.

Hannelore Schuldt war Zeit ihres langen Lebens eine große Leserin. „Ich ging in St. Ingbert aufs Lyzeum, und da gab es eine Nonne, die immer wieder an uns appellierte, gute Bücher zu lesen.“ Das habe sie auch getan und zusätzlich noch Zeitung gelesen. In St. Ingbert sei das damals die „Westpfälzische Zeitung“ gewesen.

Eine weitere Leidenschaft sei das Schreiben gewesen, kleine Geschichten habe sie verfasst und von April bis September 1941 gar eine „Bierzeitung“ geschrieben und illustriert, für sich und andere junge Frauen aus der Sperling-Gruppe beim Reichsarbeitsdienst in Floss in der Oberpfalz. Die „Bierzeitung“ hat sie heute noch, darin beschrieb die 19-jährige Hannelore Schuldt auf leichte und unterhaltsame Art den Alltag im Lager, Gedichte finden sich darin und Zeichnungen, teilweise mit ausgeschnittenen Fotos kombiniert. Ein Kleinod, das nur in einer Auflage existiert.

Ohne Zeitung geht’s nicht, findet die 100-Jährige, die tägliche RHEINPFALZ sei ihr wichtig. „Damit kommt das Leben zu mir ins Haus.“ SIGRID SEBALD