##mainParagraph##
Mitten auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, umgeben von Bäumen und Grabmalen, findet sich ein Spielplatz. Zwei Hälften hat er, beide scheinbar mit gleichen Geräten ausgestattet. Aber sie unterscheiden sich grundlegend. Es sind zwei Welten – die „Kinderwelten“.
Wer die „Kinderwelten“ betritt, findet Sandkasten, Schaukel, Rutsche und Wippfiguren, die junge Besucher dazu einladen, sie zu nutzen. Es ist die „heile Welt“ – so heil, wie reale Welten eben sein können: Die Geräte funktionieren, und wenn die Sonne scheint, ist es schön, sich hier eine Weile zu vergnügen, während Mama, Papa, Oma oder Opa auf der Bank warten. Natürlich löst das Spielen manch alltägliche Bedrückung nicht auf. Das machen hier angebrachte Schilder deutlich, auf denen etwa zu lesen steht: „Meine Freundin vernachlässigt mich“ oder „Ich habe es nicht auf die Realschule geschafft“.
Eine Brücke führt in den anderen Bereich der Anlage. Hier gibt’s noch einmal die gleichen Geräte. Aber sie funktionieren nicht. Die Schaukel und Wippen sind blockiert, die Rutsche versperrt und der Sand im Sandkasten ist zu Beton geronnen. Das ist die „Trauerwelt“. In dieser Erstarrung, aber auch anhand von vielen Schildern mit Aussagen von Kindern und Jugendlichen wird erfahrbar: Wenn der Tod Kindern Vater oder Mutter, Schwester oder Bruder nimmt, finden sie sich plötzlich in einer anderen Welt wieder. Nichts ist mehr wie vorher. Diesen Umbruch versinnbildlichen auch zwei Holzskulpturen von Lothar Rumold: In der „heilen Welt“ trägt ein Vater sein Kind auf den Schultern, in der Trauerwelt trägt das Kind den Erwachsenen. Die Texte und Bilder stammen von jungen Menschen im Alter von sieben bis 26 Jahren – Teilnehmer von Gruppenangeboten der Trauerbegleitung des Infocenters am Karlsruher Hauptfriedhof. Die Texte variieren von kurzen Ausrufen wie „Ich kann nicht verstehen, dass ich meine Mama nie wieder sehe“ zu ganzen Berichten über das Miterleben des Leidens und Sterbens. Und auch von Gefühlen, Erfahrungen und Erlebnissen danach erzählen sie: von denen mit der eigenen Seele und denen mit den Bekannten und Mitschülern, denen es oft sehr schwer fällt, zu verstehen, was in den Trauernden vorgeht und sie deshalb ausgrenzen, vielleicht sogar mobben.
Konzipiert hat die „Kinderwelten“ die Sozialpädagogin und bis 2019 als Trauerbegleiterin beim Friedhofs- und Bestattungsamt angestellte Barbara Kieferle-Stotz. Seit 2005 arbeitet sie auch mit Kindern in Trauergruppen und sie hat die aufgezeichneten Erfahrungen gesammelt. Unter ihrer Ägide entstand 2007 zunächst der für Erwachsene angelegte „Lebensgarten“ auf dem Hauptfriedhof, 2012 folgten dann nebenan die „Kinderwelten“. Realisiert wurde das Projekt vorwiegend mithilfe von Spenden. Kieferle-Stotz, inzwischen in der Begegnungsstätte der Trauerhilfe Stier tätig, führt weiterhin Interessierte durch die Anlagen.
Dass die „Kinderwelten“ reges Interesse finden, bestätigt die Leiterin des Infocenters am Hauptfriedhof Christiane Dietz: „Wir haben viele Gruppenführungen. Aber auch Eltern mit ihren Kindern oder Großeltern mit den Enkeln nutzen die Gelegenheit, beim Friedhofsbesuch hier eine Pause einzulegen.“ Und sie berichtet auch, dass Befürchtungen, die vielerseits vorm Start der Anlage laut wurden, sich nicht bewahrheitet hätten: „Es gibt da kein Johlen und Herumtoben, das die Ruhe und Atmosphäre des Friedhofs nachhaltig stören könnte.“ wip
INFO
Infocenter am Hauptfriedhof Karlsruhe
Haid-und-Neu-Straße 33
Telefon: 0721 7820933
Internet: www.friedhof-karlsruhe.de