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Kreisjournal Südliche Weinstraße

Die Südpfalz hilft ihrem elsässischen Nachbarn

Solidarität in der Corona-Pandemie: Materielle Hilfen trotz knapper eigener Reserven

Die Südpfalz hilft ihrem elsässischen Nachbarn

Der gemeinsame Krisenstab des Landkreises Südliche Weinstraße und der Stadt Landau zu Beginn der Pandemie.

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Von Landrat Dr. Fritz Brechtel (Landkreis Germersheim) und Landrat Dietmar Seefeldt (Landkreis Südliche Weinstraße)

Es war eine schnelle und unkomplizierte Hilfe für den französischen Nachbarn in Not und ein Zeichen gelebter Freundschaft, dass die Landkreise Südliche Weinstraße (SÜW) und Germersheim (GER) aus den eigenen Beständen der Katastrophenschutzstäbe bzw. Gesundheitsämter insgesamt 600 FFP-2 Schutzmasken, 5.000 Behelfs-Schutzponchos, 50 Schutzanzüge, Medikamente und 100 Teströhrchen für Abstriche in drei Etappen an das Krankenhaus im benachbarten Wissembourg übergaben, als es dort in einer Hochphase der Corona-Pandemie aufgrund von Lieferschwierigkeiten zu Engpässen gekommen war. Der Hilferuf erreichte die benachbarten Landkreise in der Südpfalz über den direkten Kontakt der Amtsärztin des Gesundheitsamtes Südliche Weinstraße-Landau, Anett Schall, zur Klinik in Wissembourg. Die guten Beziehungen unter den Verwaltungsspitzen und Leitern der Katastrophenschutzstäbe führten zu der spontanen und konkreten Hilfe in einer Zeit, in der diesseits und jenseits jeder Grenze Schutzbekleidung und Teströhrchen in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß nachgefragt und in sehr vielen Fällen nicht lieferbar waren.

Gemeinsamer Katastrophenschutz, gemeinsames Rettungswesen

Die beiden deutschen Landkreise SÜW und GER sind seit Jahrzehnten Mitglied des EVTZ Eurodistrict PAMINA1 und leben das grenzenlose Europa gemeinsam mit ihren elsässischen Nachbarn in formal abzuwickelnden grenzüberschreitenden Projekten genauso wie im alltäglichen Miteinander. So wird beispielsweise das gemeinsame Gesundheits- und Rettungswesen stetig ausgebaut. Bereits seit 30 Jahren gibt es das deutsch-französische Abkommen zur Zusammenarbeit der Rettungsdienste. Rund 650 Notarzteinsätze werden inzwischen vom Standort Bad Bergzabern im Süden des Landkreises Südliche Weinstraße gefahren, 15 Prozent davon in deutsch-französischer Kooperation. Für den gemeinsamen grenzüberschreitenden Katastrophenschutz schafften die beiden, immer wieder von Hochwasser bedrohen, Gebietskörperschaften entlang des Rheins, der Landkreis Germersheim und der französische Partner, der Protection Civil du Bas-Rhin, im Rahmen eines Interreg-Projektes2 ein gemeinsames Amphibienfahrzeug an. Während viele grenzübergreifende Projekte langwierig sind und einer umfangreichen bürokratischen Abwicklung bedürfen, erfolgten die Hilfslieferungen nach Wissembourg unkompliziert, schnell und ohne formelle Hürden.

Erschütternde Berichte aus dem Elsass

Wie sich die Pandemie vor Ort entwickeln würde, wusste niemand. Aus dem Elsass erreichten Deutschland schon früh im Pandemiegeschehen dramatische Berichte über Fallzahlen, Fallverläufe und fehlende Bettenkapazitäten. Berichte erschütterten und schürten gleichzeitig die Furcht, die Südpfalz könnte als direkter Nachbar in eine vergleichbar schlimme Situation kommen. Regelmäßig informierte der EVTZ Eurodistrict PAMINA seine Mitglieder über die aktuelle Situation in den Mitgliedsregionen. Demnach befanden sich am 23. März 2020 in der Région Grand Est, direkte französische Grenzregion zur Südpfalz, mehr als 2.300 infizierte Personen im Krankenhaus, davon rund 530 in der Reanimation. Die Zahlen stiegen rapide, die Zahlen des angrenzenden Départements Bas-Rhin innerhalb von Grand-Est gaben keinen Anlass für entspannte Situationsanalysen auf südpfälzischer Seite: Am 26. März 2020 waren hier mehr als 650 Personen stationär untergebracht, rund 190 davon befanden ich zu dem Zeitpunkt auf Intensivstationen. Noch etwa einen Monat später waren die Zahlen besorgniserregend, denn in Grand Est lagen ca. 4.600 Personen in Krankenhäusern, davon 740 beatmet, bis dahin gab es etwa 2.460 Todesfälle. Allein in Bas-Rhin waren es etwa 1.000 stationäre Patienten, 205 beatmet, fast 430 Menschen waren gestorben3.

Hilfseinrichtungen für die eigene Bevölkerung

Die Entwicklungen im Nachbarland vor Augen verliefen die Vorbereitungen in den rheinland-pfälzischen Landkreisen Südliche Weinstraße und Germersheim sowie in der Stadt Landau in der Pfalz mit dem Ziel bestmögliche Vorsorge und Versorgung im Falle von steigenden Infiziertenzahlen. In Wörth am Rhein entstand ein hochmodernes und gut ausgestattetes Notkrankenhaus, das mit leichten und mittelschwer erkrankten Patienten belegt werden könnte, sobald die vorhandenen Kapazitäten in den Krankenhäusern der Region ausgereizt sind. In Bad Bergzabern wurde eine leerstehende Station im Krankenhaus des Klinikums Landau-Südliche Weinstraße mit Material der Bundeswehr aufgerüstet und u.a. nichtinvasive Helm-Beatmungsplätze vorgesehen. Aufgrund der Nähe zur französischen Grenze spielte auch hier der Gedanke eine Rolle, möglicherweise Patienten aus Frankreich mitversorgen zu können. Bislang wurden diese Hilfseinrichtungen nicht benötigt. Sollte eine akute Welle die Region erreichen, wären die Betten bei Bedarf schnell belegbar.

Mangelware medizinische Schutzausrüstung

Die Amtsärzte und weiteres medizinisches Personal von deutscher und französischer Seite standen im regelmäßigen Austausch. In Telefonkonferenzen tauschten die Fachleute Erkenntnisse aus und informierten über aktuelle Sachstände. Als sich die Situation in Wissembourg zuspitzte, beschworen auch sie eindringlich das europäische Miteinander – gerade in der Not. Die Kollegen im dortigen Krankenhaus mit Material zu versorgen, stand nie in Frage, obwohl das öffentliche Gesundheitswesen in Zusammenarbeit mit den Katastrophenschutzstäben auch in der Südpfalz händeringend auf der Suche nach entsprechendem Schutzmaterial war. Die Vorräte waren bei weitem nicht auf eine Pandemie dieses Ausmaßes ausgelegt und die Lagerbestände mussten dringend ausgeweitet und aufgefüllt werden.

Französische Beatmungspatienten in Kandel und Landau

Dieselbe Problematik zeigte sich ebenso beim Thema Intensivbzw. Beatmungsbetten in den regionalen Krankenhäusern, die bei schweren Verläufen einer Covid-19-Erkrankung u.U. überlebensnotwendig und lebensrettend sind. Im Landkreis Germersheim gab es ursprünglich in den beiden Asklepios Südpfalzkliniken in Kandel und Germersheim insgesamt zwölf Beatmungsplätze. Eine eher unterdurchschnittliche Zahl im landesweiten Vergleich. Inzwischen wurde die Anzahl auf 26 erhöht. Das Klinikum Landau-Südliche Weinstraße verfügt zwischenzeitlich über 20 Beatmungsplätze (13 in der Klinik Landau, 7 in der Klinik Bad Bergzabern) für die Versorgung von COVID-19- und Nicht-COVID-19-Patienten. Für den Katastrophenschutzstab im Landkreis Germersheim kam daher die Belegung von freien Kapazitäten mit französischen Beatmungspatienten Ende März zunächst überraschend. Dennoch stimmte der Landkreis unmittelbar zu. Es war ein Spagat zwischen selbstloser Hilfe und Berücksichtigung der Schutzbedürfnisse und Vorhaltung notwendiger medizinischer Infrastruktur für die Bevölkerung vor Ort. Um weiter gezielt planen zu können, formulierte Germersheim eine klare Forderung an die Landesregierung in Rheinland-Pfalz: Die Landkreise sind für den Katastrophenschutz zuständig. Sie können und wollen helfen. Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg konterkarieren jedoch die Pläne zum Schutz der Bürger. In der Folge konnten weitere Beatmungspatienten (in Kandel 5 Patienten und Landau ein Patient) aus Frankreich aufgenommen und gerettet werden.

Grenzenlos durch die Krise – bis zum 16. März 2020

Auch die Entscheidung der Bundesregierung zur Grenzschließung aufgrund der unübersichtlichen und unsicheren Pandemielage und Ausbreitung des Virus in Europa erschwerte das Helfen. Wurden Schutzmasken, Schutzponchos und -anzüge sowie Teströhrchen und Medikamente bis dato direkt an den Nachbarn übergeben, erfolgte die letzte Lieferung unter beinahe schon vergessenen Bedingungen in Europa: Die Grenze zwischen Deutschland nach Frankreich, eine innereuropäische Grenze, war geschlossen. Wo Europa zusammengewachsen war, entstand durch eine plötzlich sichtbare und trennende Grenze ein Riss. Am 16. März setzte die Bundesregierung umfassende Kontrollen und Einreiseverbote für die Grenzen nach Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz in Kraft. Auf der Basis eines Notifizierungsschreibens über die Wiedereinführung der vorübergehenden Grenzkontrollen auf der Grundlage von Artikel 28 des Schengener Grenzkodexes wies Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, die Bundespolizei an, die Kontrollen ab dem 16. März sicherzustellen. Das Schreiben wurde an diesem Tag an die Europäische Kommission und die Innenminister der EU-Staaten versandt.

Nachdem die Grenze geschlossen war, waren auch die Modalitäten für die letzte Übergabe von Material andere. Deutsche Helfer stellten fast konspirativ Kartons mit Schutzausrüstung am früheren Grenzübergang in Schweigen-Rechtenbach ab und brachten ausreichend Distanz zwischen sich und der Grenze. Französische Kollegen übernahmen dann mit Gruß- und Dankrufen die wertvolle Fracht.

Die Schließung der Grenzen im Zuge der Pandemie schockierte die Menschen. Sie stellte das vereinte Europa und das selbstverständliche Miteinander auf beiden Seiten dieser Grenzen vor eine ungeahnte Zerreißprobe. Menschen erlebten Anfeindungen und Ausgrenzung, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Auch in diesem Schatten und als besonderes Symbol von Nachbarschaft und Zusammenhalt erfolgte die dritte Übergabe an Material für Wissembourg.

Gleichzeitig solidarisierten sich die Menschen. Rund 200 Amtsträger aus dem Elsass und dem südlichen Rheinland-Pfalz riefen im April gemeinsam zu Respekt und Miteinander auf: „Wir stehen auch in der Krise fest zusammen. Eine vorübergehende Grenzschließung kann daran nichts ändern!“, heißt es in dem deutsch-französischen Appell. Initiatoren des deutsch-französischen Solidaritätsaufrufs waren der Birkenhördter Bürgermeister Matthias Ackermann und sein Kollege René Richert aus der französischen Gemeinde Riedseltz. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner setzten damit ein deutliches Zeichen der Solidarität und der grenzüberschreitenden Freundschaft und Zusammenarbeit aller Verantwortungsträgerinnen und -träger in den an der Grenze liegenden Gebietskörperschaften. „Frankreich und Deutschland werden auch die Corona-Krise meistern. Als Partner, als Freunde. Kein Virus wird diese Freundschaft zerstören!“, heißt es abschließend in ihrem Aufruf4.

Fußnoten

Der Beitrag wurde ursprünglich für die Zeitschrift „Der Landkreis – Zeitschrift für kommunale Selbstverwaltung“, publiziert in der Ausgabe August/September 2020, geschrieben.

1 Der PAMINA-Raum wurde am 12. Dezember 1988 durch die „Weißenburger Willenserklärung“ ins Leben gerufen. Gewählte Vertreter der drei Teilräume Südpfalz, Mittlerer Oberrhein und Nord-Elsass bekundeten darin ihre Absicht, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu intensivieren. Der Verband Regio PAMINA (seit 2003) wurde 2016 schließlich in den EVTZ Eurodistrict PAMINA überführt. Das Wortgebilde PAMINA setzt sich zusammen aus PA (Palatinat/Pfalz), Mi (Mittlerer Oberrhein) und NA (Nord Alsace/Nordelsass).

2 „Interreg, oder wie es offiziell heißt, die "europäische territoriale Zusammenarbeit", ist Teil der Struktur- und Investitionspolitik der Europäischen Union. Seit mehr als 20 Jahren werden damit grenzüberschreitende Kooperationen zwischen Regionen und Städten unterstützt, die das tägliche Leben beeinflussen (…)“, www.interreg.de.

3 Vgl. Grenzüberschreitende Informationen zu Covid-19 des EVTZ Eurodistrict PAMINA 01/2020 vom 24. März 2020, 03/2020 vom 26. März 2020 und 28/2020 von 20. April 2020.

4 Vgl. Gemeinsame Presseinformation der Stadt Landau sowie der Landkreise Südliche Weinstraße und Germersheim vom 22. April 2020.