Es gibt immer Hoffnung, auch wenn die Diagnose Demenz gestellt wird. Diese Botschaft ist dem promovierten Arzt und Präventivmediziner Michael Spitzbart wichtig. Doch er betont auch: „Das beste Mittel ist, dafür zu sorgen, dass die Erkrankung erst gar nicht entsteht.“ So ermuntert er zum lebenslangen Lernen und dazu, stets Neues auszuprobieren, und erklärt, wie Demenzerkrankungen entstehen.
Aktivität und Lernen bis ins hohe Alter hinein und eine gesunde Lebensweise halten das Gehirn hingegen leistungsfähig
Indem man den Gedächtnisspeicher regelmäßig trainiere und mit entsprechenden Vitalstoffen versorge, seine Einstellung zum Leben hinterfrage und das Wohlbefinden optimiere, lasse sich das Risiko an Demenz zu erkranken, um bis zu 40 Prozent senken, betont Spitzbart. „Grundsätzlich lässt sich unser Gehirn ähnlich wie ein Muskel trainieren: durch Wiederholung und Übung“, weiß der Experte. Selbst im Alter sei es noch möglich, durch Lernen Nervenverbindungen aufzubauen.
Umgekehrt gibt es laut Spitzbart eine Menge Faktoren, die Demenz befördern: ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Umweltgifte und Vorerkrankungen sowie psychosoziale Faktoren wie Stress und Einsamkeit. Bei Stress wird das Gehirn überlastet und vom Stresshormon Cortisol geschädigt, im Falle der Einsamkeit meist zu wenig trainiert und gefordert. „Einsam zu sein bedeutet, immer freudloser, trauriger und grauer im Denken zu werden“, formuliert es Spitzbart. Das Gefühl werde im Gehirn im gleichen Zentrum verarbeitet wie Schmerz. Dass Einsamkeit mit einem höheren Demenzrisiko zusammenhängt, ist dabei empirisch belegt: Personen, die sich einsam fühlten, hatten in einer großangelegten Studie ein bis zu 40 Prozent höheres Demenz-Risiko. Spitzbart: „Neurowissenschaftler stellen die Theorie auf, dass Einsamkeit Prozesse im Gehirn auslöst, die am Ende den Hippocampus schädigen – und so etwa der Alzheimer-Demenz Vorschub leisten.“ Ein ungesunder Lebensstil einsamer Menschen trage ein Übriges dazu bei.
Ähnlich hängen übrigens Depression und Demenz zusammen, die sogar eine ähnliche Symptomatik zeigen. Zu den Vorerkrankungen, die Demenz begünstigen, zählen dem Experten zufolge die beiden Formen eines erworbenen Diabetes (Typ II und III). In beiden Fällen verbleibt durch eine sogenannte Insulinresistenz zu viel Zucker im Blut. Bei Alzheimer stellen Forscher ähnliche Prozesse fest wie bei dieser Insulinresistenz, auch wenn beim Patienten gar kein Diabetes vorliegt. Daraus wird ein Zusammenhang geschlussfolgert.
Auch Menschen mit Morbus Parkinson haben laut Spitzbart ein erhöhtes Demenz-Risiko, denn beiden liege eine Veränderung im Gehirn zugrunde.
Wie stark sich aber vor allem der Lebenswandel auf Demenz auswirkt, belegt die sogenannte „Nonnenstudie“ aus den USA, deren Ergebnis staunen lässt: Ein Drittel der Teilnehmerinnen, allesamt Nonnen der „School Sisters of Notre Dame“, wiesen zu Lebzeiten zwar keinerlei Anzeichen einer Demenz auf, ihre nach dem Tod obduzierten Gehirne zeigten jedoch deutliche Anzeichen. Dass die Plaque-Ablagerungen zu Lebzeiten kaum Wirkung zeigten, führen die Forscher auf das aktive Leben der Nonnen bis ins hohe Alter zurück. Sie gingen einer Vollbeschäftigung nach und waren bis zuletzt geistig und körperlich gefordert. Auch soziale Faktoren wie die Gemeinschaft und ein geregelter Tagesablauf sollen sich bei den Nonnen positiv ausgewirkt haben, ebenso wie ein starker Glaube, Beten und Abstinenz von Alkohol und Nikotin.
Damit die Sinne bis ins hohe alterwach bleiben, raten Experten aber auch dazu, sie bei nachlassender Sinnesleistung mit technischer Ausrüstung zu unterstützen, etwa mit Hörgerät und Brille. Und bei der Ernährung soll eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung, bestenfalls in Bio-Qualität, mit vielen gesunden Fettsäuren (Nüsse, Fisch) vorbeugend wirken. wig
ZUM WEITERLESEN
M. Spitzbart, „Wenn das Gehirn seinen Verstand verliert“, Scorpio, 2021, 182 S., 18 Euro