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Domspitzen

Säckeweise Diebesgut

Speyerer Geschichten: Von einem Gangster-Netzwerk, welches in letzter Minute gestoppt wurde

Säckeweise Diebesgut

Im Westen von Speyer betrieb Michael Wambsganz eine Mühle. Ein kriminelles Netzwerk hatte das Diebesgut nicht nur gestohlen, sondern unmittelbar nach der Tat auf die rechte Rheinseite geschafft, wo das Getreide sofort den Besitzer wechselte und am folgenden Tag in der Philippsburger „Garnisonsmühle“ zu Mehl werden sollte. Ausschnitt aus einer Karte des Landkommissariates Speyer (um 1835). REPRO: HANS

Die Polizei der badischen Stadt Philippsburg beschlagnahmte Anfang Februar des Jahres 1867 16 Sack Weizen, nur kurz bevor diese in der Garnisonsmühle zu Mehl gemahlen werden sollten. Der Verdacht, dass es sich bei dem Getreide in einem Gesamtwert von 270 Gulden um Diebesgut und Hehlerware handelte, erhärtete sich bald. Man war einem gut organisierten kriminellen Netzwerk auf die Schliche gekommen und die Spur der Ermittlungen führte nach Speyer, zur Mühle von Michael Wambsganz.Der Müller betrieb in der damaligen Neustadter Straße eine Mühle, die über einen Mahlgang und einen Schälgang verfügte und mit seinen Wohnräumen über einen Durchgang in Verbindung stand. Am 30. Januar 1867 hatte Wambsganz 30 Säcke mit Weizen erhalten, die am folgenden Tag zur weiteren Verarbeitung in den Schälgang des Mühlengebäudes gebracht wurden.Der Müller staunte allerdings nicht schlecht, als am frühen Morgen des folgenden Tages feststellte, dass 16 der bereitgestellten 30 Säcke spurlos verschwunden waren. Ein beschädigtes Vorhängeschloss an einer Zugangstür bestätigte den Verdacht, dass es in der Nacht zu einem Einbruch in das Mühlengebäude gekommen sein musste.Wambsganz stelle seinen 34 Jahre alten Mühlenburschen Max Wohlrab sogleich zur Rede, da sich dieser in der vorausgegangenen Nacht alleine im Mühlengebäude befunden hatte. Da Wohlrab von einem Diebstahl nichts bemerkt haben wollte, verständigte der Müller den Speyerer Polizeikommissär, der die Ermittlungen sogleich aufnahm. Der Befund vor Ort war eindeutig: Man erkannte an Fußspuren vor dem Gebäude, dass mehrere Personen an dem Diebstahl beteiligt gewesen waren und die Abdrücke von Wagenrädern legten nahe, dass der entwendete Weizen mit einem zweispännigen Wagen, der die eher untypische „badische Spurweite“ aufwies, weggebracht worden war. Mühlenbursche Wohlrab halfen seine Unschuldbeteuerungen wenig – man verhaftete ihn auf der Stelle.Nur wenige Tage später, am 5. Februar, gelang es der Polizei in Philippsburg, die 16 Sack Weizen in letzter Minuten sicherzustellen. Wie die weiteren Ermittlungen ergaben, hatte der Philippsburger Bäcker Heinzmann das Getreide bereits am 1. Februar zum Mahlen in die Garnisonsmühle gebracht. Er gestand, dass er den Weizen für den Kaufpreis von 250 Gulden am gleichen Tag von dem dortigen Käsehändler Dahm und dem Zimmermann Heilig erstanden hatte. „Diese beiden im schlechtesten Rufe stehenden Individuen“ leugneten allerdings hartnäckig, das gestohlene Getreide an Heinzmann verkauft zu haben. Die ursprünglich verwendeten Säcke waren zunächst verschwunden, fanden sich dann aber am 7. Februar am badischen Hochufer des Rheins, wo sie Käsehändler Dahm in seinem Acker vergraben hatte.Zugleich ergaben die polizeilichen Ermittlungen, dass die mittlerweile tatverdächtigen Mühlenburschen Lutz, Zehentner und Hipp vom dritten auf den vierten Februar bei Wirt Hildenstab in Philippsburg übernachtet hatten. Dabei, so hatten Zeugen beobachtet, waren sie über die Verteilung einer Summe Geldes miteinander in Streit geraten. Dahm und Heilig leugneten zunächst jede Beteiligung, legten aber bald ein Geständnis ab und gaben wichtige Informationen Preis. Nach den Ermittlungen waren Lutz, Hipp und Zehentner, die unter den Spitznamen „Ratz“, „Räuber“ und „Bürgermeister“ längst bekannte Größen waren, an einem der letzten Januartage in Neustadt zusammengekommen. Am 30. Januar zog das Trio nach Speyer weiter, wo es gegen Abend in der „Setzer’schen Bierwirtschaft“ einkehrte. Von dort aus begab sich Zehentner zur Mühle Wambsganz, angeblich nur, um Wohlrab eine Pfeife zu verkaufen. Er kehrte zurück und erklärte seinen Spießgesellen: „Ich hab sonst einen Handel gemacht, ich habs ausgemacht mit dem, der in der Mühle schafft, da könnte man eine Fuhre Weizen holen“.Am 31. Januar wurde in Philippsburg mit Dahm und Heilig „der Accord gemacht“: Beide sollten das Diebesgut mit ihrem Fuhrwerk entgegen nehmen, abtransportieren und schnellstmöglich weiter verkaufen.In Begleitung von Hipp, der ihnen den Weg wies, brachen sie noch am gleichen Abend auf und erreichten gegen Mitternacht die im Westen von Speyer gelegene Mühle, wo die Säcke schon abholbereit im Freien standen. Zehentner und Hipp waren Stunden zuvor bereits vorausgefahren und vom Wirtshaus „Storchen“ aus gegen 11 Uhr „ans Werk“ gegangen. Nachdem die Diebe morgens wieder in Philippsburg angekommen waren, nahm Heinzmann den Weizen sogleich entgegen und brachte ihn zur Garnisonsmühle, wo das Getreide alsbald gemahlen werden sollte. Während der folgenden Tage verkaufte das Trio in Wiesloch noch acht Männerhemden, die man dem Müller Wambsganz beiläufig entwendet hatte, teilte das von Dahm herbeigebrachte Geld und trennte sich anschließend. Dennoch konnte Lutz schon bald darauf rheinabwärts in Oberwalluf festgenommen werden. Er fand sich mit Wohlrab vor Gericht wieder.Dahm und Heilig, die nach den Feststellungen der Behörden schon längere Zeit Diebesgut von Mühlburschen gewerbsmäßig weiter verkauften, wurden der badischen Justiz überstellt, ebenso wie die übrigen Mühlburschen, sofern man ihrer habhaft geworden war.Der Fallwurde im Mai 1867 vor dem Schwurgericht der Pfalz in Zweibrücken verhandelt, dessen Richter den aus Offenbach bei Landau stammende Peter Lutz zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilten. Max Wohlrab sprach man aus Mangel an Beweisen in dieser Sache frei, behielt ihn jedoch wegen eines Diebstahls, den er bereits im Dezember 1866 bei Müller Wambsganz begangen hatte, in Haft. lh

Speyerer Geschichten: Von einem Gangster-Netzwerk, welches in letzter Minute gestoppt wurde