„Speyer wird samt der Garnison wenig über 6.000 Seelen zählen, Industrie scheint noch nicht recht erwacht, man treibt Tabak- und Gemüseanbau, auch etwas Schiffahrt, vorzüglich aber Krappbau." Die wirtschaftlichen „Eckdaten" der Stadt schienen gut überschaubar und schnell skizziert, als der Autor dieser Beschreibung, Karl Julius Weber, in den 1820er Jahren seine „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" veröffentlichte (erschienen in: „Die Entdeckung der Pfalz. Reisebilder zwischen 1789 und der Mitte des 19. Jahrhunderts, Landau 1992).
Auch damals zählte der Dom natürlich längst zu den herausragendsten Bauwerken und vielbeachteten „Merkwürdigkeiten", wie man es zu dieser Zeit auszudrücken pflegte, die die Stadt zu bieten hatte, so dass er in dieser Beschreibung seinen Platz erhielt. Im Hinblick auf das Stadtbild vermerkte Weber dagegen: „Die breite Hauptstraße (Maximilianstraße) ausgenommen, sind die meisten Gassen Speyers schlecht und krumm, und nur der Dom vermag den Reisenden zu interessieren, wo die Begräbnisse unserer Kaiser waren. Frankfurt war die Wahl-, Aachen die Krönungs-, das ganze Reich die Residenz- und Speyer die Totenstadt der deutschen Kaiser, Deutschlands Persepolis."
In diesem Zusammenhang beklagte der Autor die Zerstörungen in der Pfalz während des Pfälzischen Erbfolgekrieges 1689, bei dem „die Mordbrenner Ludwig XIV" selbst nicht davor zurückschreckten, die Speyerer Kaisergräber auf der Suche nach wertvoller Beute zu plündern.
Hatte „das altertümliche Speyer" als Stadt einst eine herausragenden Stellenwert eingenommen, so erschien es jetzt im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit „beschränkt auf Feld- und Weinbau", wobei insbesondere der Anbau der Krapp-Pflanze, die einen roten Farbstoff für die Tuchverarbeitung lieferte, von großer Bedeutung war. Auf Böden in der Umgebung der Stadt, wo früher Straßen dahingezogen waren, „waltet nur der Pflug oder der Karst", wie Weber im Hinblick auf die gewandelten Verhältnisse anmerkte. Wie andere Autoren, deren Werke in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erschienen, so erwähnte er auch den bei den Speyerern beliebten Ausflugsort vor den Toren der Stadt: „Das Wäldchen nebst Berghausen ist der Vergnügungsort der dennoch jovialen Bewohner."
In jeder Hinsicht bemerkenswert erschien Weber ein Stück Speyerer „Lokalkolorit" und gewachsenen Bürgerstolzes längst vergangener Tage, die die „Einteilung" der Stadtbewohner in mehrere „Klassen" betraf. Weber notierte: „Echt reichsstädtisch oder spießbürgerlich war die Einteilung der Bewohner in fünf Klassen: Alldahiesige, deren Namen schon in Lehmanns Chronik stehen (gemeint ist die Chronik der Stadt Speyer, die Stadtschreiber Christoph Lehmann 1612 veröffentlichte), meist Fischer, Allhiesige, nicht viel jünger, Hiesige, deren Großeltern schon zu Speyer lebten, Fremde, die seit 10 bis 20 Jahren ansässig waren, und Hergelaufene, die erst seit wenigen Jahren ihr Domizil da aufgeschlagen hatten. Die Allda hiesigen, Allhiesigen und Hiesigen sahen auf die anderen herab wie Durchlauchten, Erlauchten und Gnädige auf ehrbare Bürger, Bauern und Lumpenpack". Ih