Geschlechtliche Vielfalt existiert schon immer und überall. Jede Region hat dazu ihre eigene, bisher kaum erforschte Geschichte. Die Wanderausstellung „Nanu? – Geschlechtliche Vielfalt in der Pfalz. Gestern und heute“ ist eine Spurensuche zu historischen Entwicklungen und regionalen Besonderheiten. Sie möchte zum Abbau von Ablehnung und Ausgrenzung sowie zur Entwicklung eines offenen und respektvollen Umgangs miteinander beitragen.
Wanderausstellung „Nanu?“ gibt Einblicke in die Geschichte der geschlechtlichen Vielfalt in der Pfalz
20 mobile Roll-Ups veranschaulichen Einzelschicksale, lokale und regionale Besonderheiten werden im Kontext der Zeitgeschichte thematisiert. So stammt etwa die älteste bekannte Quelle für Transgeschlechtlichkeit aus Speyer. „Im Stadtarchiv gibt es die auch international beachtete Akte von 1477 über Katherina Hetzelsdorfer, einem Transmann, der ertränkt wurde“, erklärt Wolfgang Knapp, freiberuflicher Kulturwissenschaftler und Co-Kurator der Ausstellung. „Ein weiteres Beispiel ist, dass schon in der Kaiser und Weimarer Zeit gegen den Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches gekämpft wurde, mit dem sexuelle Handlungen unter Männern strafrechtlich verfolgt wurden. Dabei fanden die Betroffenen Unterstützung von mehreren Tausend Persönlichkeiten aus der Wissenschaft und Lehre in Form des ,wissenschaftlich-humanitären Komitees’, so auch von dem Komponisten Musiklehrer Karl August Krauss aus Speyer“, führt Knapp aus. Zeitlich reicht die Ausstellung zurück bis in die griechische und römische Antike, in der Homosexualität zum Alltag gehörte und anders bewertet wurde. Dass geschlechtliche und sexuelle Vielfalt nach wie vor der Aufklärung und positiven Wahrnehmung bedarf, ist sich Knapp sicher: „Ich halte die Ausstellung für sehr sinnvoll, weil zwar in der Gesetzgebung dazu viel in Bewegung ist, aber die gesellschaftliche Situation, auch unter Jugendlichen, recht starr ist, das, was sich in den Köpfen abspielt“. Konkret: „Es regieren nach wie vor Klischees: In Filmen ist es der schwule Friseur mit dem Pudel auf den Arm.“ Hier muss ein Umdenken stattfinden. „Wir müssen akzeptieren, dass es geschlechtliche Vielfalt gibt und dass sich das keiner ausgesucht hat“, appelliert er. In Speyer gastiert die Ausstellung von Mai bis Juli jeweils einen Monat an einem anderen Ort. Von Freitag, 6. Mai, bis Samstag, 28. Mai, ist sie zunächst im Rathaus zu sehen. Als Begleitveranstaltung dazu beleuchtet Christian Könne, Historiker und Co-Kurator der Ausstellung, in seinem Vortrag „Speyerer Lesbenemanzipation seit den 1980er Jahren“ am Montag, 16. Mai, ab 18.30 Uhr, was über die Speyerer Lesbenemanzipation bekannt ist. Am Freitag, 20. Mai, geht es ab 19 Uhr um das queere französische Chanson. Florence Launay und Gudrun Eymann vom Duo Fleur Bleue entführen das Publikum in die musikalische Emotionalität dieses Genres. Zu guter Letzt hält Sabine Klapp, Direktorin des Instituts für Pfälzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern und Mitinitiatorin der Ausstellung, am 7. Juli, ab 18.30 Uhr den Vortrag „Transidentität im Mittelalter – eine Quelle im Stadtarchiv Speyer und ihre historische Einordnung“ im Rathaus. Dabei geht es um das Schicksal der erwähnten Katherina Hetzelsdorfer.
Vom 5. bis 26. Juni wandert „Nanu?“ in die Gedächtniskirche Speyer. Am 7. Juni wird ab 18 Uhr in der Talkrunde „Kreuz und Queer“ mit der Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, Dorothee Wüst, diskutiert, wie offen die evangelische Kirche in der Pfalz für Menschen unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Orientierung ist. Am19. Juni um10Uhr lädt Pfarrerin Mechthild Werner und ihr Team zum Gottesdienst zur Geschlechtervielfalt in die Kirche. Die beiden Kuratoren, Christian Könne und Wolfgang Knapp, vermitteln am14. Juni, 17Uhr, einen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Ausstellung und erläutern die Besonderheiten von „Queer Studies“ als Forschungsrichtung.
Vom 28. Juni bis 21. Juli wird die Ausstellung in der Bibliothek des Hans-Purrmann-Gymnasiums Speyer präsentiert.
„Nanu?“ ist im Zuge des Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ und der „Partnerschaft für Demokratie Zweibrücken“ entstanden. Die Präsentation in Speyer und das Begleitprogramm sind eine Kooperation der Beauftragten für Gleichstellung der Evangelischen Kirche der Pfalz, der Gleichstellungsstelle der Stadt, des Kulturellen Erbes – Stadtarchiv und der Speyerer Freiwilligenagentur. msw
Info
6. bis 28. Mai: Glaspavillon, Rathausinnenhof, geöffnet: Mo – Do 9 – 15 Uhr, Fr 9 – 14 Uhr
5. bis 26. Juni: Gedächtniskirche, geöffnet: Di – Fr 11 – 17 Uhr, Sa 10 – 17 Uhr, So 14 – 17 Uhr
28. Juni bis 21. Juli: Hans-Purrmann-Gymnasium, geöffnet: Mo – Do 9 – 15 Uhr, Fr 9 – 14 Uhr