Leider findet auch in 2021 kein Brezelfest und damit auch kein Umzug statt. Dennoch gibt es erfreulicherweise Neuigkeiten um die Geschichte des Festes und den damit schon immer verbundenen Festumzug. Wie viele erinnern sich heute beispielsweise noch an das Festlied, eine Hymne auf das Nationalgebäck?
Über 100 Jahre alte Zeichnungen vom Brezelfestumzug entdeckt
Fritz Hochreither, Ehrenmitglied des Verkehrsvereins Speyer (VVS) und Kümmerer um das Archiv desselben, hat recherchiert und einiges Wissenswertes aufgedeckt, was lange verborgen lag. Die neuen Erkenntnisse entspringen der Geschichte und die wiederum liegt zig Jahrzehnte zurück. Was Hochreither als derzeit bedeutendsten Fund aus dem Stadtarchiv vorweisen kann, ist auf die Jahre 1910 bis 1914 datiert.
Per Zufall entdeckte er in der Geschäftsstelle des VVS in der Kleinen Pfaffengasse ein Dia-Bild in Miniatur, so klein gar, dass es beinahe mit Papier entsorgt worden wäre.
Hochreither aber schaute genauer hin und entdeckte eine Abbildung, die Teil eines Brezelfestumzuges zu sein schien. Der Forschertrieb des Ur-Speyerers war geweckt.
Mit Unterstützung von Archivarin Julia Kratz kamen weitere Zeichnungen zum Vorschein. „Am Ende kamen über 60 Einzelbilder zusammen“, berichtet Hochreither. Aus dem kleinen Individualmaß von 24 auf 36 Millimeter ist inzwischen eine Bildstrecke von sieben Metern geworden. VVS-Unterstützer und Mitglied des Beirates Roland Brönner hat die Dias auf Papier gezogen.
Filigranste Arbeit hat der Erschaffer der Darstellungen damals geleistet. Jeder Tuschestrich ist fein und wohlüberlegt gesetzt.„Offenkundig handelt es sich um die Vorplanung des Brezelfestumzugs“, meint Hochreither. Wo heute am PC die Zugfolge und die Beschreibung der Beiträge festgehalten werden, wurde es anfangs des 20. Jahrhunderts noch auf Pergamentpapier getan.
Konkretes zum Künstler konnte Hochreither noch nicht herausfinden. Erschwert wurden die Ermittlungen durch die Pandemie, denn während dieser blieb das Stadtarchiv über weite Strecken geschlossen. Einen Nachnamen indessen hat der VVS-Mann ausmachen können: König. „Dabei handelt es sich möglicherweise um Paul König, Diplom-Ingenieur und Postoberbaurat, oder um Regierungsrat Werner König“, vermutet Hochreither. Diese beiden Namen hat er im alten Speyerer Adressbuch herausgefunden. Für weitere Hinweise ist der Archivar dankbar.
Nicht nur aufgenommen werden in die Sammlung historischer Dokumente sollen die Skizzen, die zu Tage gefördert wurden. Der VVS-Vorsitzende Uwe Wöhlert hat etwas anderes im Sinn. Sicherstellen will er, dass das Brezelfestgefühl bei den Menschen geweckt wird. Daher wird sich der VVS auf einen Umzug in besonderer Form vorbereiten: Roland Brönner wird die gefundenen Zeichnungen zu einer bewegten, mit Musik unterlegten Parade – gut 100 Nummern lang – zusammensetzen. „Diese werden wir dann auf unserer Internetseite ablaufen lassen“, kündigt Wöhlert an. An diesem Vorhaben wird keiner was rütteln – auch kein Virus.
Mit großer Hilfe und Unterstützung des Stadtarchives konnten in der Zwischenzeit weitere bedeutsame Fundstücke zu dem Thema aufgetrieben werden. Diese müssen nun allerdings in etwas mühevoller Arbeit gesichtet und ausgewertet werden. „Problematisch ist, dass viele Schriften in der damals üblichen Sütterlinschrift verfasst sind“, erklärt Hochreither. Heutzutage gebe es kaum noch Personen, die diese Schriftform lesen können.
Vorgesehen ist bereits jetzt, zusätzlich zur bereits erwähnten Aufführung des „virtuellen Brezelfestumzugs anno dazumal’, eine öffentliche Informationsveranstaltung zu organisieren. Bürger*innen sollen dabei Näheres über die bedeutenden Funde erfahren und sie besichtigen können. Norbert Kühner
Der virtuelle, historische Brezelfestumzug ist zu sehen unter: www.brezelfest-speyer.de/umzug-historic