Nach den Statuten des Verkehrsvereins wird die Speyerer Brezelkönigin für zwei Jahre gewählt. Anne-Susann wurde 2019 zur zweiten Speyerer Brezelkönigin gewählt und hätte nach ihrem zweiten Amtsjahr 2020 abdanken müssen. Dann kam Corona und die Amtszeit wurde außerordentlich verlängert, sodass Anne- Susann I. 2022 erst im zweiten Amtsjahr weilt. Wie sie 2019 inthronisiert wurde, erzählt Susanne Kühner.Es war wenige Minuten nach 20 Uhr am Samstagabend, 13. Juli, als Anne-Susann Sperling ihre Erleichterung im Freudentaumel des Moments auf dem Brezelfest- Platz aus sich herausschrie.„Leute, ich liebe euch!“, lautete der magische Satz, der die Menschenmasse im Festzelt von Sandy Marquitz ein weiteres Mal jubeln, trampeln und klatschen ließ. Die Wahl der zweiten Brezelkönigin war besiegelt. Als Anne-Susann I. wird die 22-Jährige zwei Jahre lang regieren.Zwei Stunden lang dauerte die Anspannung bei den Bewerberinnen um das Amt der Hoheit, bis das Ergebnis schließlich feststand. Am Altpörtel hatten sich Künstlerin Viktoryia Perez (38), Anna Lisa Lang (25, Auszubildende als Steuerfachangestellte), Linda Herrmann (28, chirurgische Schwester im Diakonissen- Stiftungs-Krankenhaus), Natascha Dorn (29, Assistentin des Direktors der Uniklinik Mannheim/ Heidelberg) und Anne-Susann Sperling (Auszubildende im Hotelfach mit Managementqualität) zunächst eingefunden, um die letzten Instruktionen von Thomas Zander – dem Moderator des großen Finales im Ringen um die Krone der bisherigen Amtsinhaberin Laura Hölzl – entgegen zu nehmen.Ihre erste Bewährungsprobe hatten sie bereits einige Wochen vor dem Brezelfest bestanden: In der Postgalerie war öffentlich der Vorentscheid für den Einzug ins Finale ausgetragen worden. Enge Verbundenheit zu Speyer und eine Leidenschaft fürs Brezelfest hatten alle Bewerberinnen dort geäußert. Beim Brezelschlingen unter den gestrengen Augen des Speyerer Brezelbäckers Patrick Blau bewiesen sie außerdem Geschick.Flankiert vom Vorstandsgremium des Verkehrsvereins Speyer und Mitgliedern des Dirndl-Lederhosen- Stammtisches zogen die bis dahin Prinzessinnen genannten Anwärterinnen nun am 13. Juli auf die majestätische Position über die Maximilianstraße, die von zahlreichen Zuschauern aufgesucht wurde. Einen frenetischen Empfang bereiteten die Fans und Unparteiischen dem Quintett im Festzelt, wo die Entscheidung über die Nachfolge Hölzls fallen sollte.Wieder sollte ein Applausometer zur Hilfe genommen werden. Nachgebessert hatte der Verkehrsverein Speyer mit seiner Veranstaltungs-GmbH allerdings bei der Technik, die vor zwei Jahren Kritik hervorgerufen hatte. Mit drei Mikrofonen wurde der Schall diesmal aufgenommen. Zwei davon wurden von Helfern links und rechts im Gang durch die Reihen getragen, um einen Mittelwert zu errechnen.
Die Funktion überprüft wurde beim Probeapplaus. Allein der ließ die Anhänger der fünf Bewerberinnen bereits in Ekstase geraten – eine spannende Wahl war garantiert. Mächtig Lärm machte unter anderem eine komplette Abordnung der Brezelgesellschaft aus Kirchhellen. Mit diesen verbindet den Verkehrsverein seit 17 Jahren eine innige Freundschaft, wird dort doch auch alle drei Jahre Brezelfest gefeiert. Verrückte Ideen wie die der Weltrekord-Wettbewerbe in Speyer kennt man in Kirchhellen ebenso.
Der Vereinsvorsitzende Heiner Schenke brachte die auf den Punkt: „Wenn ein Fest, 350 Kilometer von der Heimat dazu bringt, dass Leute sich mit ihrem dicken Hintern auf ein Rad setzen und Leute, die keinen Traktor fahren können, mit dem Planwagen hierherkommen – dann ist Brezelfest in Speyer.“ Tatsächlich war ein großer Teil der Brezelgesellschaft mit dem Drahtesel angerückt.
Zu müde für Begeisterungsstürme waren die Brezelbrüder und -schwestern längst nicht. Zu hundert Prozent ausgelebt wurde der Beifallssturm für die persönlichen Favoritinnen wie bei den anderen Zuschauern im Zelt auch.
In einem ersten Wahlgang schieden drei Prinzessinnen aus. Ins Stechen gingen Anne-Susann Sperling und Natascha Dorn. Geschunkelt, gesungen und sich mit ihrer Persönlichkeit vor einem zum Bersten gefüllten Festzelt präsentiert hatten sich alle im Vorfeld. Das Ergebnis im Finale war unterm Strich nicht nur eindeutig, sondern von außergewöhnlicher Stärke, wie Thomas Zander formulierte.
2017, bei der Wahl von Laura Hölzl, lag der Spitzenwert zwischen 102 und 103 Dezibel. Sperling wurde 2019 mit 108 sicher auf den Thron gehievt. Wobei: Die zweitplatzierte Natascha Dorn hatte ebenfalls gewaltigen Rückenwind. 107,1 betrug ihr Dezibelpegel. Ihre Enttäuschung über den Vorsprung der Siegerin verbarg Dorn nicht.„Natürlich wäre ich gerne Erste geworden“, gab sie zu. Dankbar äußerte sich die junge Frau aus Ketsch, die gerne Verbindungsglied zwischen Baden und der Pfalz – vor allem in Zeiten der Rheinbrückensperrung – gewesen wäre, über den Rückhalt ihrer Familie und Freunde in der Vorbereitungszeit und am Wahlabend selbst. „Eine Erfahrung war das auf jeden Fall“, zog sie eine positive Quintessenz aus der Kandidatur zur Brezelkönigin.
Dieser Titel wurde bei Anne-Susann Sperling mit der Übergabe von Krone und Schärpe besiegelt, die von Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) im Beisein des VVS-Vorsitzenden Uwe Wöhlert vorgenommen wurde. Verarbeiten musste die neue Hoheit ihre neue Rolle erst einmal. Dabei hat sie bereits reichlich Erfahrung im Umgang mit einer Repräsentantinnenrolle:
In der Fastnachtskampagne 2017/18 saß sie bei der Speyerer Karnevalgesellschaft als Anne I. auf dem Thron. „Ich bin so glücklich“, beschrieb die frisch gewählte Brezelkönigin das Gefühl, mit dem sie von der Bühne ging, auf der ihr zuvor wie den Mitbewerberinnen maximal fünf Minuten Zeit geblieben waren, die Besucher verbal von sich zu überzeugen. Kein Zuckerschlecken, doch das Adrenalin machte alles möglich. Die Unterstützung ihrer Fans aus Verein, Partei, Freundes- und Familienkreis machte Anne- Susann I. dann aber doch nahezu sprachlos. Glück für die Ur-Speyererin: Sie hatte bereits einen Draht zu den Gästen aus Kirchhellen geknüpft, die sie lautstark mit ihren Stimmen unterstützten.
Viktoryia Perez, Linda Herrmann und Anna Lisa Lang verließen die Bühne als Prinzessinnen. „Dabei sein ist alles“, kommentierte Herrmann den Wahlausgang. Enttäuscht war auch Lang nicht: „Das war ein tolles Erlebnis, eine Erfahrung und Bereicherung.“ Die neue Hoheit freute sich über den fairen Wettstreit, den alle Kandidatinnen bewiesen hatten und zollte den anderen Respekt für ihre tollen Auftritte. Die OB sprach von einem phänomenalen Abend.
„Das Festzelt war proppenvoll, es ist super, wie viele mitgemacht haben und ich freue mich auf die Zusammenarbeit im Repräsentieren der Stadt mit Anne I.“, betonte Stefanie Seiler.„Sie wird das gut machen“ Überzeugt, mit dem neuen Format eine tolle, objektive Wertung zustande gebracht zu haben, äußerte sich Thomas Zander.„Das Ergebnis war eindeutig und wir haben mit Anne eine würdige Nachfolgerin“, sagte er. Für Laura I. hatte Wöhlert gereimt: „Bei einem will ich nicht übertreiben: wirst immer unsere Erste bleiben.“
Hölzl selbst gab zu, dass das weinende Auge am Ende doch stärker wurde. Sie freute sich jedoch auf die zukünftige Zusammenarbeit mit der neuen Brezelkönigin im VVS und meinte: „Sie wird das gut machen.“ Am Ende eines nervenaufreibenden und aufregenden Wahlabends wollte die neue Brezelkönigin Anne-Susann erstmal nur eines: „Einen trinken.“ Kein Problem auf dem größten Volksfest am Oberrhein, das in der Eichbaum Brauerei Mannheim nunmehr seit 50 Jahren einen verlässlichen Lieferanten an der Seite hat. Susanne Kühner