Im Laufe der Pandemie haben Beschäftigte ihr Berufsleben auf den Prüfstand gestellt. Ist 2022 ein gutes Jahr für eine Veränderung? Personal-Experten geben einen Ausblick.
5 Trends: Das kommt 2022 auf Bewerber zu
Jetzt muss was Neues her: Dieser Impuls begleitet derzeit viele Beschäftigte. Vier von zehn Erwerbstätigen denken über einen Jobwechsel nach. 37 Prozent sind 2022 offen für einen neuen Job oder haben sogar bereits konkrete Schritte in die Wege geleitet, so das Ergebnis einer Umfrage, die Forsa im Januar unter gut 1000 Beschäftigten im Auftrag von Xing E-Recruiting durchgeführt hat.
Die Chancen auf dem Markt sind gut
Grundsätzlich sehen Experten großer Personaldienstleister in Deutschland 2022 gute Chancen auf Jobwechsler zukommen. „Der Fachkräftemangel hat auch während Corona über fast alle Qualifikationsebenen nicht nachgelassen“, sagt Heinz Ostermann, Personalvermittlungsexperte im Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister. „Als Bewerber würde mich das zuversichtlich stimmen.“
Nach der anfänglich großen Unsicherheit nach Beginn der Pandemie seien die meisten Unternehmen wieder aus der „Schockstarre“ geflohen, so auch Marlene Pöhlmann, Managing Director beim Personalvermittler Robert Half. „Damit wurde das Ganze sicherer und man merkt jetzt nach wie vor: Es ist wirklich ein totaler Kandidaten-Markt.“ Gleichzeitig sei die Pandemie für viele eine Zeit gewesen, „wirklich mal alles in ihrem Leben zu überdenken.“ Ist das noch immer ein Job, den ich haben möchte? „Man merkt schon, dass jetzt die Bereitschaft zu wechseln um einiges höher ist“, sagt Pöhlmann.
Laut Christoph Niewerth, Chief Operating Officer im Vorstand des Personalvermittlers Hays, bleibt trotz der positiven Grundstimmung die Qualifikation aber wichtig. Je eher sich eine Tätigkeit digitalisieren oder automatisieren lässt, desto mehr Druck werde es geben, ersetzt zu werden.
Bewerbung und Onboarding bleibt digital
Die Pandemie hat das Arbeiten stark verändert, das haben die meisten hautnah erlebt. Laut Pöhlmann müssen sich Bewerber auch künftig auf digitale Bewerbungsgespräche und digitale Onboardings einstellen. Das gilt nicht nur für Hochqualifizierte oder Wissensjobs. Über alle Qualifikationsebenen hinweg sei festzustellen, dass das persönliche Vorstellungsgespräch dem digitalen Gespräch nach und nach weicht. „Als Bewerber muss ich mich einfach darauf einstellen“, so Ostermann.
Mobiles Arbeiten wird zum Standard
Regelmäßiges Arbeiten im Homeoffice, damit haben viele in der Pandemie zum ersten Mal Erfahrung gemacht. In „enorm vielen Stellenanzeigen“ werde Remote Work derzeit zum Standard, sagt Marlene Pöhlmann. Arbeitgeber seien vermehrt auch offen dafür, jemanden aus Dresden oder aus Nürnberg einzustellen – selbst wenn das Unternehmen in Berlin sitzt, sagt Pöhlmann.
Das ermögliche viel Flexibilität, auf der anderen Seite lässt sich das zum Teil als negative Entwicklung verzeichnen. Bei der Frage, warum jemand seinen Job gerne macht, könne die Verlagerung ins Digitale eine Stelle schon sehr verändern, so die Expertin. „Führungskräfte müssen nun besonderen Wert darauf legen, wie sie das Wir-Gefühl im Team stärken.“
Natürlich werden die, die nicht in einem Bürojob arbeiten, weiter zur Arbeit pendeln müssen. Auf der Negativ-Seite seien deshalb auch die steigenden Kosten für Berufspendler zu verbuchen, so Heinz Ostermann. Das könne für diese Gruppe der Berufstätigkeiten ein Hemmnis werden.
Künftige Beschäftigte müssten sich mit der digitalen Arbeitswelt arrangieren, sagt Pöhlmann. Dazu gehört eine gewisse Flexibilität, die Fähigkeit, um- und agil zu denken sowie die Kompetenz, sagen zu können: „Ja, ich kann im Homeoffice effizient arbeiten und mit meinen Vorgesetzten oder mit meinem Team kommunizieren.“ Auch Christoph Niewerth betont die Rolle der Soft Skills. Die Arbeitswelt werde immer schneller, die Arbeitsweise interdisziplinärer, agiler und unabhängiger. Wer erwartet, selbstständig arbeiten zu dürfen, müsse das auch in der eigenen Arbeitsweise widerspiegeln können.
Bewerber können Flexibilität fordern
Ein Großteil der Unternehmen müsse sich inzwischen darauf einstellen, dass Mitarbeiter – da wo es möglich ist – flexible Arbeitszeiten fordern. Als Bewerber kann man laut Pöhlmann durchaus darauf pochen, dass sich das Unternehmen mehr an die eigenen Lebensumstände anpasst. „Man sitzt nicht mehr unbedingt von 9 bis 17 Uhr am Schreibtisch, sondern nutzt eher die Methode: Das Projekt muss bis zum Zeitpunkt X umgesetzt sein.“ Wer dann von 18 bis 22 Uhr besser Zeit hat, weil die Kinder im Bett sind, sollte das auch vom Arbeitgeber gewährleistet bekommen.
Auch Weiterbildung und Onboarding seien große Themen, sagt Niewerth. „Gerade jetzt sollte man als Bewerber danach fragen, wie sich das Unternehmen hier entwickelt.“ Wie findet das Unternehmen die Balance zwischen flexiblen Arbeitsmodellen und einer guten Teamstruktur, in die man sich auch integriert fühlt?
In dem Zusammenhang werde für Bewerber künftig auch die Frage wichtig: Wie werde ich bei meinem psychischen und physischen Wohlbefinden unterstützt? Hier müssen sich Niewerth zufolge viele Arbeitgeber umstellen. „Da müssen sich Unternehmen wirklich attraktiv machen und genau zuhören: Was wollen meine Leute? Ich glaube, das Unternehmen, das am besten zuhört, wird den besten Weg machen.“ dpa
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