„Dringende Bitte! Welcher Soldat hatte Anschrift von Helene B., Lörrach, und sollte ein Lebenszeichen von Hermann B. bringen?“ Und: „Sale! Viele Ausstellungsstücke radikal reduziert & sofort zum Mitnehmen.“ 75 Jahre liegen zwischen diesen Zitaten. Sie stammen aus Anzeigen in der RHEINPFALZ, das erste vom Oktober 1945, das zweite aus einem Möbelhaus-Inserat im Mai 2020. Zwei Schlaglichter auf die Zeitumstände und wie sie sich entwickelt haben – ein Spiegelbild des Wandels. Ohne Anzeigen hätte es die Tageszeitung in dieser Form nie gegeben; die wenigsten hätten sie sich leisten können. Über viele Jahrzehnte waren „bezahlte Werbeeinschaltungen“ mit über 60 Prozent Umsatzanteil das wesentliche finanzielle Standbein. Die Erlöse aus dem Abonnement- und Einzelverkaufspreis hätten nicht gereicht, um wirtschaftlich zu überleben. Dieses Bild verändert sich nun schon seit Jahrzehnten, sodass die Situation inzwischen umgekehrt ist: Der bei den Tageszeitungen erzielte Umsatz aus dem Anzeigengeschäft beträgt nur noch ungefähr ein Drittel des Gesamtumsatzes.Dabei sind Anzeigen weitaus mehr als reine Werbung. Sie sind Informationsquelle und bieten dem Leser Nutzwert. Das gilt natürlich nicht nur für Tageszeitungen, sondern für alle Medien. Und um den großen Kuchen „Werbe-Etats“ rangeln neben den klassischen Formen Zeitung, Rundfunk, Fernsehen seit vielen Jahren auch die digitalen Medien, die zunehmend über Smartphones und Tablets abgerufen werden. Dem muss auch ein Zeitungsverlag Rechnung tragen, wenn er den Übergang zum „Medienhaus“ schaffen will: Die Beratung der Kunden, mit welchen Werbeformen in den unterschiedlichen Kanälen Produkte und Dienstleistungen ins rechte Licht gerückt werden können, nimmt schon längst großen Raum ein – vor allem im regionalen Bereich bei den Einzelhändlern und den Handwerksbetrieben.
Bei den bundesweit auftretenden Unternehmen, den Lebensmittelkonzernen, den Autoherstellern und den großen Elektromärkten beispielsweise, ist ein ganz anderer Aspekt entscheidend: Sie wollen nicht mit jedem einzelnen Verlag über Preise und Anzeigenmillimeter verhandeln, sondern Pakete schnüren. Daher gibt es im sogenannten nationalen Geschäft schon seit Jahrzehnten Vermarkter, die für die regionalen Tageszeitungen insgesamt Buchungen annehmen.
Auch wenn bei den Werbe-Etats der großen Konzerne stets hohe Summen im Spiel sind, mindestens ebenso wichtig sind für eine regionale Tageszeitung die lokalen Kunden – die Modegeschäfte, die Bäcker und Metzger, die Handwerker, das Autohaus. Hier kann die Zeitung durch ihre Aufteilung in viele verschiedene Lokalausgaben ihr großes Plus ausspielen: die zielgerichtete Kundenansprache. Streuverluste gibt es nicht, weil lokal gebuchte Inserate nur dort erscheinen, wo das werbende Unternehmen auch zu Hause ist. Folgerichtig sind die Geschäftsanzeigen auch bei der RHEINPFALZ der wichtigste Umsatzzweig. Auf weiteren Plätzen folgen die Stellenanzeigen und die Privatanzeigen, also die Glückwünsche und die Traueranzeigen.
Wie stark der technische Wandel auch das Anzeigengeschäft beeinflusst, zeigt die Entwicklung beim Auto- und Immobilienmarkt. Vor zwei Jahrzehnten noch ein stabiles Umsatzstandbein, ist ihnen mit dem Siegeszug des Internets mehr und mehr das Wasser abgegraben worden. Kein Wunder: Wenn der Kunde gezielt und zeitsparend das gewünschte Produkt suchen kann – beim Autokauf bis hin zur gewünschten Wagenfarbe –, kann die gedruckte Zeitung da nicht mithalten. Dennoch gibt es diese Rubrikennoch, eben weil das seriöse Umfeld einer Tageszeitung für viele Inserenten nach wie vor ein wichtiges Argument ist.
Apropos Technik: Ob Autokauf oder Traueranzeige, der Kunde kann seine Anzeigen über die Internetseite der RHEINPFALZ problemlos selbst gestalten und mit Inhalt füllen. Da wird es wohl solch einen Fehler, wie er in den 50er-Jahren passiert ist, nicht mehr geben: „Köchin (fett) sucht neue Anstellung“ war in der Zeitung zu lesen. Der Zusatz „fett“ sollte allerdings weder auf die Kochgewohnheiten noch auf die Körperfülle der Dame hinweisen, sondern war nur als Hinweis an den Setzer gedacht, das Wort Köchin in fetter Schrift zu setzen… VON PETER LEISTER
Gutenbergs eifrige Erben
RHEINPFALZ bei technischen Neuerungen ganz vorne
Rund 500 Jahre lang war Gutenberg unangefochten. Na ja, zumindest im Grundsatz. Die beweglichen Lettern aus Metall, die er als Grundlage für den Buchdruck erfunden hatte, bildeten – bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein – die Basis für den Zeitungsdruck. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Der technische Fortschritt, insbesondere die Digitalisierung, war nicht mehr aufzuhalten. Und die RHEINPFALZ war oft ganz vorne mit dabei.
Die Bleisatz-Zeit endete bei der RHEINPFALZ im Frühjahr 1977. Es wurde als einschneidendes Erlebnis empfunden. Der damalige Chefredakteur Fritz Schlossareck informiert die Leser am2. April 1977 auf der Titelseite, dass die Bleisetzmaschinen von „Bildschirmgeräten“ abgelöst werden, die „an einem zentralen Computer hängen“. Erweiß um die Tragweite dieser Veränderung: „Anspruchsvolle Berufe wie der des Handsetzers, des Maschinensetzers, des Metteurs hören auf, Berufe zu sein.“
„Ganzseitenumbruch“ heißt das Zauberwort
Mit Lichtsetzmaschinen, die die per Tastatur eingegebenen Texte als fertig formatierte Artikel auf Fotopapier ausspuckten, fing es damals an. Schon sieben Jahre später redete davon niemand mehr. „Ganzseitenumbruch“ hieß das Zauberwort, das den Redakteur nicht nur zum Schreiber und Textbearbeiter, sondern auch zum Gestalter machte. Ganz besonders gravierend: Die Journalisten, die sich vorher beim Verfassen ihrer Texte ja nur mit mehr oder minder geschliffener Sprache zu befassen hatten, mussten sich nun mit kryptischen Satzbefehlen herumplagen, beispielsweise um im Artikel Freiräume für die Platzierung von Fotos zu schaffen. Die Geräte in der RHEINPFALZ-Redaktion waren Bildschirmterminals, die mit einem Großrechenzentrum in Stuttgart verbunden waren.
Bereits im Jahr 1992 war aber auch diese Technik Geschichte – die Bildschirmterminals wurden abgelöst von Apple-Macintosh-Computern. Die „Macs“mit ihrer Software ermöglichten erstmals, dass Texte und Bilder einer Zeitung so dargestellt wurden, wie sie auch auf der gedruckten Zeitungsseite erschienen. Mit all diesen technischen Veränderungen war die RHEINPFALZ immer vorne mit dabei – manchmal zum Leidwesen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit so manchem technischen Fehler kämpfen mussten.
Vor 25 Jahren erste Schritte Richtung Digitalisierung
1995 war die RHEINPFALZ aber wirklich an der Spitze:Dank der Druckmaschinen der neuen Rotation von MAN konnte sie als erste Tageszeitung in Deutschland durchgängig auf allen Seiten vierfarbig erscheinen. Die damals größte Investition in die Zeitungstechnik wurde von weiteren tiefgreifenden Veränderungen begleitet: Auch in der Druckvorstufe, der Produktionssteuerung und der Plattenherstellung setzte der Verlag kompromisslos auf Digitalisierung und betrat dabei absolutes Neuland.
Inzwischen ist die gedruckte Zeitung längst nicht mehr das einzige journalistische Produkt der Marke RHEINPFALZ. Der Verlag arbeitet mit Hochdruck daran, seine Inhalte auch digital zu vermarkten. Auch da ist es wieder die Technik, die dies erst ermöglicht.
Und das ist der bislang letzte Dreh, den der Fortschritt fabriziert:Vor vier Jahrzehnten sorgte die Technik dafür, dass Texte in Form gegossen wurden und als fertige Zeitungsartikel in Spaltenbreite ausgespuckt wurden, jetzt ist die Computertechnik dafür da, die Texte unformatiert vorzuhalten, damit sie problemlos in Facebook oder Instagram ausgespielt werden können. Fast wie früher, als der Redakteur seinen Bericht noch auf der Olympia-Schreibmaschine auf ein weißes Blatt Papier tippte. pel