Liebe Leserinnen, liebe Leser, vor etwa 25 Jahren, am 21. Oktober 1995 stand ich auf der Bühne des Saalbaus in Neustadt und begrüßte unsere Gäste zum 50. Gründungsjubiläum der RHEINPFALZ. Um ehrlich zu sein, war ich ziemlich aufgeregt, weil es die erste offizielle Großveranstaltung war, für die ich in meiner Funktion als Verleger vor einem größeren Publikum sprach. Ich bin heute noch dankbar, dass es damals noch keine Smartphones gab, die den Auftritt hätten dokumentieren können. Gerne hätte ich,wie es geplant war, unsere Gäste am 26. und 27. September in unserer Druckerei in Oggersheim begrüßt, um das diesjährige, das 75. Jubiläum, zu feiern. Nicht um zu dokumentieren, dass ich heute souveräner mit der Situation umgehen kann, sondern weil ziemlich wahrscheinlich ist, dass ich den 100. Geburtstag nicht mehr in aktiver Funktion begehen werde. Sei es drum. Es gibt sicherlich größere Zumutungen in dieser Zeit als die Absage unser Jubiläumsveranstaltung. Erlauben Sie mir, statt der unvermeidlichen Ansprache wenigstens auf diesem Wege ein paar Gedanken zu unserer Zeitung zu äußern.1995 habe ich an dieser Stelle geschrieben: „Neue Entwicklungen hin zu elektronischen Medien werden die Landschaft unserer Branche verändern. Neue elektronische Medien wollen sich neben den herkömmlichen wie Fernsehen und Rundfunk etablieren. Wie grundlegend dieser Wandel sein wird, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Sicher dürfte aber sein, dass er auch die Zeitungen berühren wird.“Nun, heute wissen wir, dass dieser Wandel so grundlegend war, wie es sich damals wohl nur wenige vorstellen konnten. Und dass die Zeitungen davon berührt würden, das war wohl die Untertreibung des (vergangenen) Jahrhunderts.Was ist passiert, was hat sich verändert? Das Internet hatte damals vor allem technisch eher versierten Menschen einen neuen Zeitvertreib beschert, indem man sich von Link zu Link hangelte, um neue Dinge zu entdecken. (Man nannte das „surfen“. Gibt es heute noch jemanden, der das tut?) Inzwischen ist das Netz zu einem allumfassenden Kommunikationskanal geworden, über den alles transportiert wird, was sich irgendwie digital codieren lässt. In seiner Bedeutung ist das Netz zu einer Infrastruktur geworden, die in der Wichtigkeit zu der Wasser- und Stromversorgung aufschließt. Das zweite, fast noch bedeutsamere Ereignis war im Jahr 2007 die Erfindung des Smartphones, das den Menschen erlaubte, das Netz immer und überall zu nutzen. Diese Entwicklungen haben unser tägliches Leben derart massiv verändert, dass es einem heute schwerfällt, sich daran zu erinnern, wie man seine alltäglichen Probleme damals bewältigt hat.
Viele Akteure ringen um unsere Aufmerksamkeit
Die RHEINPFALZ hat sich in dieser Zeit an die Entwicklung angepasst. Wir waren – bewusst – nicht immer ganz vorne in Richtung Online dabei, was uns viele Sackgassen erspart hat, in die andere mit großer Überzeugung gelaufen sind. Inzwischen sind wir aber überzeugt, dass wir den richtigen Weg beschreiten, indem wir den Lesern unsere Inhalte über alle Kanäle ausspielen, die sie nutzen wollen.
Zwei Aspekte sind meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang wichtig für unsere Zeitung:
Alle Akteure, die im weltumspannenden Netz unterwegs sind, ringen um unsere Aufmerksamkeit als Publikum. Da diese aber ein begrenztes Gut ist, zeitlich und konzentrationsmäßig gesehen,werden die Reize, denen die Anbieter uns aussetzen, immer stärker und auch schneller. Wir stumpfen einerseits unweigerlich ab, werden aber andererseits geradezu süchtig nach dem nächsten K(l)ick. Haben Sie einmal in letzter Zeit Menschen beobachtet, die gewartet haben? Wie viele hatten kein Smartphone in der Hand?
In diesem Wettbewerb um Aufmerksamkeit muss sich die Zeitung heute behaupten. Wir sind dabei nicht chancenlos, aber es ist nicht leicht. Wir haben durch die im Vergleich zu anderen Medien größere Nähe zu den Menschen in unserem Verbreitungsgebiet einen Vorteil, was die Übermittlung von Nachrichten und anderen journalistischen Inhalten betrifft. Aber diese stehen in Konkurrenz zu diversen anderen Angeboten auf den mobilen Computern, die wir mit uns herumtragen: Chat-Programme, die das wichtige Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Kommunikation bedienen, Spiele zum Zeitvertreib, oder auch Filme oder Musik zur Unterhaltung.
Der andere Aspekt, den ich ungemein wichtig finde, ist ein gesellschaftlicher. Die Medien, und mit ihnen auch die RHEINPFALZ, haben im vergangenen Vierteljahrhundert ihr Sendemonopol verloren, das heißt sie sind nicht mehr die Einzigen, die in der Lage sind, Inhalte hin zu vielen Menschen zu bringen. Heute kann sich jeder im Netz öffentlich äußern, wann und worüber auch immer. Manch einer sah in der Vergangenheit das Netz als Grundlage für eine pluralistische, basisdemokratische Gesellschaft, in der jeder gleichberechtigt mit jedem kommunizieren kann und alles transparent ist. Daran ist erst einmal nichts Schlechtes. Leider ist es aber in der Praxis anders. Zum einen reicht es nicht, sich zu äußern, sondern man muss in der Kakofonie der Inhalte auch die notwendige Aufmerksamkeit erhalten (siehe oben). Zum anderen leidet die Qualität der Diskussionen im Netz schon lange darunter, dass die Regeln im Umgang miteinander, die in der physischen Welt noch weitgehend eingehalten werden, im Netz im Schutze der Anonymität völlig bedeutungslos erscheinen. Und zum Dritten gibt es in der Welt leider einige Akteure, die mit hohem finanziellen Aufwand im Netz eine virtuelle Wirklichkeit schaffen, um ihre (nicht immer legitimen) Ziele zu erreichen.
Informationen sammeln, auswählen und aufarbeiten
Da kommt, so meine ich, wieder der Journalismus ins Spiel. Auch wenn wir heute aus einer Vielzahl von Informationsquellen wählen können, ist umso wichtiger, dass es eine Instanz wie die RHEINPFALZ gibt, wo Redakteure nichts anderes tun, als Informationen zu sammeln, zu bewerten, auszuwählen und verständlich aufzuarbeiten.
Diese Instanz braucht für ihr Funktionieren natürlich zuallererst Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
Viel ist darüber geschrieben worden, dass die Medien an Glaubwürdigkeit verloren haben. Manch ein Journalist hat darüber eher weinerlich lamentiert, dass Umfragen ein sinkendes Vertrauen in die Arbeit seines Berufsstandes geliefert haben. Ich halte das für falsch: Niemand hat Anspruch auf Vertrauen. Vertrauen ist etwas, das einem (manchmal auch im Voraus) geschenkt wird, wenn man es verdient. Natürlich ist nicht alles richtig, was in der RHEINPFALZ steht. Kaum einer weiß besser als ich, dass wir Fehler machen, aus mangelnder Sorgfalt, aber auch, weil wir es manchmal nicht besser wissen. Ich weiß aber: Unsere Redaktion arbeitet hart daran, die Dinge richtig darzustellen, sorgfältig alle relevanten Informationen zu liefern und Bericht und Meinung voneinander getrennt zu halten. Ich tue alles in meiner Macht Stehende, dass dies so bleibt.
Übrigens: Die RHEINPFALZ besteht nicht nur aus ihrer Redaktion. Ich bin glücklich, dass wir viele hervorragende Mitarbeiter in der Technik haben (in der digitalen wie in der schweren, die die noch nach Farbe riecht), die sicherstellen, dass die Inhalte produziert werden. Im Vertrieb und der Zustellung, die dafür sorgen, dass bei Wind und Wetter die frühmorgens gedruckten Exemplare ihren Weg zu Ihnen finden. Und in der Anzeigenabteilung, die hilft, dass unsere Kunden Ihre Werbebotschaften sicher und effizient an ihre Zielgruppe senden können.Und zu guter Letzt in der Verwaltung, die sicherstellt, dass alle anderen überhaupt arbeiten können. Mein Dank gilt all diesen Kollegen, die heute bei uns arbeiten, aber auch denjenigen, die in den vergangenen Jahren die Grundlage gelegt haben, dass wir dieses Jubiläum mit Stolz – wenn auch ohne Feier – erleben können.
Ich danke auch Ihnen, liebe Leser und liebe Kunden, dass Sie uns in der Vergangenheit Ihr Vertrauen geschenkt haben. Ich wünsche mir (zum Geburtstag darf man das ja …), dass Sie das auch weiterhin tun. Auf dass mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin für die RHEINPFALZ im Jahr 2045 zum 100. Geburtstag ein tolles Fest ausrichten kann.
Herzliche Grüße Ihr Thomas Schaub