Es reichte damals gerade so zum Überleben. Für Malpapier war deshalb in unserem Haus kein Pfennig übrig. Doch Not macht erfinderisch. So diente mir die RHEINPFALZ in den ersten Nachkriegsjahren als Malpapier-Ersatz für meine Kinderbilder. Auf dem oberen freien Zeitungsrand ließ ich immer Kriegsflugzeuge fliegen. Auf den seitlichen Rändern malte ich Kreise. „Das sind keine Eier, sondern Bomben, die herunterfallen, und Granaten, die hinauffliegen“, klärte ich meine Brüder auf. Logischerweise standen auf dem unteren Zeitungsrand Geschütze, rollten Panzer, brannten Häuser und starben Menschen. Meine Mutter beklagte, dass ich keine Blumen malte. Vater schimpfte mich aus und legte mir Tierporträts ans Herz: Häschen, Hühnchen, Tauben und dergleichen. Vielleicht wollten oder vielleicht konnten sie nicht verstehen, dass Malen Therapie für die Seele sein kann.
„Darf ich malen?“ Daraufhin lieh mir mein Vater, er malochte auf dem Bau, seinen dicken, rot lackierten Zimmermannsbleistift. Mutter legte mir die RHEINPFALZ, besser gesagt, das, was davon noch nicht als Einwickelpapier für Frühstücksbrote, Klopapier oder als Feueranmachhilfe verbraucht war, auf den Tisch. Es müssen viele, viele RHEINPFALZ-Seiten gewesen sein, deren unbedruckte Ränder ich mit diesem düsteren Bilderzyklus bemalt habe.
Fotos und Reklame haben wir auch ausgeschnitten und mit einer Pampe aus Mehl auf alte Kartons geklebt. Gesammelt wurden auch die Mundart- Witze von der letzten Seite des „Pälzer Feierowend“. Die RHEINPFALZ war universell verwendbar. Von einem Exemplar blieb so gut wie nichts übrig.
Erinnerung von Klaus Bach aus Hütschenhausen, geboren im September 1945