Die angebliche Vermieterin klingt sehr freundlich. Sie stellt sich in der E-Mail als Anita vor und schreibt, sie und ihr Mann hätten das Appartement im Stadtteil Vogelgesang im Speyerer Süden „vor einigen Jahren während der Arbeit in Deutschland gekauft“. Vor einem Jahr seien sie jobbedingt nach Großbritannien umgezogen. Sie seien als Forschungsingenieure tätig. Weiter geht es sprachlich holprig: „Wir dachten darüber nach, verantwortungsbewusste Leute zu vermieten, die sich um die Immobilie kümmern würden, als wäre es ihr eigenes.“
Der potenzielle Mieter ist zunächst zufrieden. Er kann zwar nicht so gut Englisch, dass er auf Anitas Wunsch eingehen könnte, in „ihrer“ Sprache weiterzuschreiben. Aber er ist unter anderem von den Konditionen angetan: Nur 700 Euro für 87 Quadratmeter in der Windthorststraße in Speyer-Süd, sogar inklusive aller Nebenkosten – klingt mehr als fair. Ins Grübeln kommt er bei der weiteren Abwicklung. Er solle eine Kopie des Personalausweises oder Reisepasses des potenziellen Mieters als PDF oder Foto schicken, dann werde sich Anitas Makler mit ihm in Verbindung setzen, eine internationale Immobilienagentur: „Die Schlüssel der Immobilie befinden sich in der Obhut der Agentur in London, Großbritannien.“
Die angebliche Anita
Der Interessent an der Speyerer Wohnung beantwortet Anitas erste Fragen, hängt aber noch keine Ausweiskopie an. Obwohl ihr „Terminkalender wegen meiner Arbeit und meinen Kindern voll“ sei, ist kaum zwei Tage später die nächste Mail von Anita da. Sie erzählt darin noch ein bisschen über ihre angebliche Immobilie in Speyer: „Unsere Familie hat sich dort sehr wohl gefühlt, die Nachbarschaft ist freundlich, nette Leute, ruhig, ein guter Ort zum Leben.“
Der Interessent ist sich längst sicher: Es handelt sich um eine „Fake-Wohnung“, es gibt keine Anita, die sie anbietet. Dahinter steckten Betrüger, die an seine Daten und womöglich sein Geld kommen wollen. Eine Google-Recherche zeigt: Die angebliche Anita, nordisch seriös klingender Nachname Adamsen, hat es mit derselben Masche auch anderswo versucht: Mit fast dem identischen Text bot sie eine Wohnung am Brommerkamp in 38528 Adenbüttel an, die sie – welch Zufall – bis vor Kurzem ebenfalls selbst bewohnt habe.
Der Mann, der den Speyerer Immobilienmarkt seit Monaten für seine auf ein neues Domizil angewiesene Tochter beobachtet, hat den Braten gerochen. Er ist überzeugt: Es handelt sich um keinen Einzelfall. Allein in den vergangenen Wochen habe er zwei weitere „Fake-Wohnungen“ in Speyer („sehr attraktive 3 ZKBB Wohnung in zentraler Lage in Speyer zur Miete“ für 820 Euro) und in Römerberg („bright 3-room attic apartment w/large storage room“ für 1000 Euro Verhandlungsbasis) gefunden. Sie waren bei den Portalen immowelt.de und kleinanzeigen.de inseriert und wurden nach einigen Tagen aus dem Netz genommen.
Sie würden aber über Monate hinweg immer mal wieder in ähnlicher Form angeboten, sagt der Mann. Als er vor einigen Monaten eine Wohnung in der Wormser Straße angefragt habe („super schön, sehr attraktiver Preis“), sei sogar die Überweisung einer Gebühr verlangt worden, damit ihn der Makler hineinlasse. Er habe abgelehnt. Gerade in einer Stadt mit angespanntem Wohnungsmarkt wie Speyer, wo viele Suchende verzweifelt sind, komme das gar nicht so selten vor, erklärt der Betroffene.
Er hat gleich mehrere Maschen kennengelernt, die die Betrugskommissare des Polizeipräsidiums Rheinpfalz im Zusammenhang mit Wohnungsanzeigen nennen. Es gebe die „Nichtberechtigten“, die Geld für die Besichtigung oder Reservierung einer Wohnung verlangten. Bekannt seien außerdem Fälle mit einer Agentur im Ausland, die gegen eine Kaution angeblich einen Schlüssel für die Wohnung versende. Und da sei die Forderung, den Personalausweis und teils auch die Bankdaten eines Interessenten zu erhalten, bevor eine Gegenleistung erfolge. Polizeisprecherin Ghislaine Wymar kann keine genaue Anzahl dieser Fälle in der Region nennen, weil sie keine eigene Kategorie in der Kriminalstatistik darstellten. Es gebe immer wieder Anzeigen, im Vergleich zu anderen Betrugsfällen kämen sie jedoch „eher selten vor“.
Die Ermittlungen seien oft nicht einfach, so Wymar. In den Fall mit Anita Adamsen stiegen die Behörden nicht ein, weil er nicht angezeigt wurde. „Klingt zumindest nicht seriös“, sagt die Polizistin in einer ersten Einschätzung.
Die Ludwigshafener Ermittler erinnerten sich derzeit nicht an Täterfestnahmen wegen Immobilienbetrugs. Ein Ansatz für ihre Arbeit könnten die Daten von Konten sein, auf die Interessenten Geld überweisen sollten – was im Fall ausländischer Banken jedoch schon schwieriger sei. Mailadressen oder Telefonnummern seien generell weniger aussichtsreich, zumal Betrüger oft digital erzeugte Rufnummern vortäuschten. Zudem sei zu beachten, dass auch seriöse Makler Kontaktdaten vor der Zusendung weiterer Auskünfte verlangten. Das sei normal und habe damit zu tun, dass sie nur so ihren Provisionsanspruch gelten machen könnten.
Bilderklau im Internet
Woher die Fotos der ach so schönen Wohnungen in der Domstadt stammen, kann der erfahrene Immobilienvermittler und Chef der Engel-und-Völkers-Agentur in Speyer, Michael Weber, erklären. Er hat selbst einen Fall erlebt: „Vor einigen Jahren wurden Bilder von einer echten Anzeige von uns kopiert und bei einer Fake-Anzeige eingesetzt.“ Sein Team habe das entdeckt und über das Portal abstellen lassen. Zumindest auf große Portale im Netz habe es stets ein Auge, entdecke aber „höchstens eine Handvoll Fake-Anzeigen pro Jahr“, so Weber. Er sagt indes: „Möglich, dass auf anderen Plattformen und in Social Media das Problem größer ist.“ Kein seriöser Makler fordere etwa Reservierungsgebühren für privaten Wohnraum.
Nicht allen Interessenten sind jedoch die Gepflogenheiten im Detail bekannt. Und nicht alle erkennen in ihrer Not Betrugsversuche. Der Mann, der für seine Tochter eine Wohnung in Speyer und Umland gesucht hat, ist deshalb doppelt erleichtert, dass er auf nichts hereingefallen und nach mehreren Monaten fündig geworden ist. Die neue Heimat der jungen Frau mit Kind liege zwar nicht in Speyer, sondern in Schifferstadt, habe aber einen „Vermieter mit Herz“. PATRICK SEILER
ZUR SACHE
So beugt man Betrug vor
Bürger können sich vor dem Betrug durch falsche Vermieter im Internet schützen, indem sie bei günstigen Angeboten immer misstrauisch sind, so das für die Vorder- und Südpfalz zuständige Polizeipräsidium Rheinpfalz: „Wenn der Kaufpreis oder der Wohnungspreis im Vergleich zu ähnlichen Immobilien sehr günstig ist, könnte das ein Indiz für einen möglichen Betrug sein.“ Zudem sollten Interessenten bei Immobiliengeschäften nie Vorkasse leisten, wenn sie die Immobilie nicht besichtigt haben.„Auch die Zusendung einer Kopie eines Personalausweises oder der Bankdaten noch vor einer Besichtigung ist unüblich und birgt die Gefahr eines Betruges“, so eine Sprecherin. Sie empfiehlt, vor Kontaktaufnahme mit einem potenziellen Vermieter oder einer Maklerfirma den Namen über eine Suchmaschine zu recherchieren: „Gibt es Bewertungen anderer Nutzer, die auf Betrug hinweisen? Gibt es die Maklerfirma überhaupt? Wenn ja, stimmen die Kontaktdaten überein?“ Weitere Tipps: www.polizei-beratung.de/aktuelles/detailansicht/vorsicht-vor-betrug-bei-der-wohnungssuche/
pse