Für den Besuch des Umzugs sollte man wenigstens zwei Stunden einkalkulieren. Um sich einen guten Sitz- oder Stehplatz zu ergattern, empfiehlt es sich, ein wenig früher Position beziehen, denn bis zu 200.000 Menschen säumten in den vergangenen Jahren die Umzugsstrecke.
Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts reichen die Anfänge des Winzerfests und des Winzerfestumzugs zurück. Ursprünglich als Erntedankfest der Winzer gedacht, zog im Jahr 1909, zum Abschluss der Weinlese, erstmals der Winzerfestumzug durch die Innenstadt. Nach der Erstauflage des Festes wurde erstmal drei Jahre pausiert. 1913 fand dann der zweite Festzug anlässlich des „Pfälzer Weintags“ statt. Bei dieser Gelegenheit wurden zum ersten Mal die schönsten Festwagen prämiert und von einer öffentlichen Weinprobe mit Versteigerung im Saalbau begleitet. Infolge des 1. Weltkriegs und den schweren Nachkriegsjahren fand zwischen 1914 und 1927 kein Winzerfestumzug statt. Erst 1928 wurde die Idee im Rahmen der „Pfälzer Weinwoche“ wieder aufgegriffen, bevor 1929 auf Initiative des Verkehrsvereins der Festzug erstmals unter dem Begriff „Weinlesefest“ durchgeführt wurde, zu dem außerdem ein sonntäglicher Herbstball und ein buntes Musik- und Unterhaltsprogramm im Festsaal des Saalbaus und anderen städtischen Einrichtungen geboten wurde. Zwei Jahre später lud der Neustadter Verleger Daniel Meininger zum ersten Mal zur Wahl der "Pfälzischen Weinkönigin“ ein.
Seine erste große Blütezeit erlebte das Winzerfest nebst Winzerfestumzug während der Zeit des Nationalsozialismus unter der Ära des sich als jovialen Pfalzpatrioten inszenierenden Gauleiters Josef Bürckel, der die Weinstraße und die Weinmetropole Neustadt gegenüber anderen deutschen Weinbaugebieten gewissermaßen zum Herz des deutschen Weins und der Weinwirtschaft erklären wollte. So erhielt vor allem in den letzten Jahren vor Ausbruch des 2. Weltkriegs das Neustadter Weinlesefest ähnlich wie der Wurstmarkt in Bad Dürkheim seine heutige Form. Insbesondere Neustadt profitierte vom allgemeinen Weinfest-Boom im „Dritten Reich“, so dass 1937 erstmals ein Winzerfestumzug in größeren Dimensionen durchgeführt wurde und im gleichen Jahr von der Gauleitung vor dem Bahnhof ein Weindorf, die sogenannten Haiselscher, errichtet wurde. Im Jahr 1938, beim letzten Neustadter Winzerfest vor dem Krieg, zählte man 60.000 Gäste.
Während des Zweiten Weltkriegs und der ersten Nachkriegsjahre fand kein Festumzug statt. Erst 1949 rollten die Umzugswagen im Rahmen des Deutschen Weinlesefestes wieder durch die Innenstadt. Gleichzeitig wurde erstmals in Neustadt eine Deutsche Weinkönigin gewählt. Mit der Bedeutung Neustadts als Sitz des Regierungsbezirks Pfalz und ab 1969 Rheinhessen-Pfalz und der medialen Vermarktung wurde das Deutsche Weinlesefest und der damit verbundene Winzerfestumzug deutschlandweit als weltgrößtes Event seiner Art bekannt.
Übrigens: Wer am Sonntag nicht live dabei sein kann, kann das Umzugsgeschehen am Sonntag über den Offenen Kanal Weinstraße und dem SWR im Fernsehen verfolgen. Last but not least: Zusätzlich hat das Publikum die Möglichkeit, den schönsten Festwagen zu bestimmen.
Alle Informationen zum und Deutschen Weinlesefest das komplette Programm gibt es bei der TKS Neustadt, Hetzelplatz 1, unter www.neustadt.eu/weinlesefest. MARKUS PACHER