Unter dem Asperger-Syndrom versteht man eine besondere Form von Autismus. Kinderarzt Hans Asperger beschrieb 1943 in seiner Habilitationsschrift, die 1944 veröffentlicht wurde, erstmals das später nach ihm benannte Syndrom. Ihm zufolge weisen Betroffene bei durchschnittlicher bis hoher Intelligenz einen Mangel an Empathie, die Unfähigkeit, Freundschaften zu schließen, Störungen in Blickkontakt, Gestik, Mimik und Sprachgebrauch, eine intensive Beschäftigung mit einem Interessensgebiet sowie motorische Störungen auf. Die von ihm beschriebenen jungen Patienten waren demnach selbstbezogen, konnten sich nicht in andere Menschen versetzen und wirkten in ihrem Gefühlsleben disharmonisch. Asperger nannte sie „kleine Professoren", weil sie über das Gebiet ihres Spezialinteresses detailliert sprechen konnten und oft ein erstaunliches Wissen ansammelten. Seine Pionierarbeit fand zunächst wenig Verbreitung und erfuhr erst in den 1990er-Jahren internationale Anerkennung.
Verständnis gewinnen
Heute gilt Tony Attwood als einer der bekanntesten Experten für das Asperger-Syndrom. Er weiß, wie es schon im Kindesalter zu erkennen ist, wie Eltern Verständnis für ihr damit geborenes Kind gewinnen und ihm mit Spielen und Übungen dabei helfen können, mit sich selbst und anderen besser zurechtzukommen. ,,Bis vor wenigen Jahren kannte kaum jemand diesen Begriff", stellt er fest. ,,Doch mittlerweile scheint es fast in jeder Schule ein Kind zu geben, das dieses Syndrom aufweist." Einer Studie zufolge zeigt etwa eins von 300 Kindern das Syndrom. Dem Klinik-Psychologen zufolge spielen bei der Diagnose neben den von Asperger selbst genannten Symptomen auch eine pedantische, repetitive Redeweise und eine gering ausgeprägte nonverbale Kommunikation eine Rolle.
Eltern als beste Freunde
In seinem Praxisbuch beschreibt er unter anderem sinnvolle Förderprogramme. Eine bedeutende Rolle spielen laut Attwood dabei die Eltern: Es sei wichtig, als Eltern ,,die besten Freunde" des Kindes zu werden und mit ihm so zu spielen, als wären sie selbst Kinder. Eltern hätten die Geduld und das notwendige Verständnis und könnten sie auf diese Weise anspornen, zu lernen, was in bestimmten Situationen zu tun ist.
Zu den heilpädagogischen Strategien gehören Übungen, die Betroffenen dabei helfen können, Emotionen zu verstehen. Man könne etwa das Gefühl „glücklich" erkunden und dem Kind so viele Beispiele wie möglich dafür geben und dabei Bücher, Zeitschriften oder Filme zu Hilfe nehmen. Passende Spiele und Arbeitsbögen gebe es im Fachhandel.
Entschuldigung üben
Attwood rate auch dazu, einen Entschuldigungssatz mit dem Kind einzuüben für den Fall, dass es verwirrt sei oder erkenne, dass es einen Fehler gemacht hat. Dieser könne etwa lauten ,,Es tut mir leid, ich weiß nicht recht, was Sie von mir verlangen". Laut Attwood trägt das dazu bei, die Situation zu entschärfen und Höflichkeit oder Naivität statt Aggressivität oder Gleichgültigkeit auszustrahlen.
Auch für die weiteren Symptome hat Attwood Rat und Übungen parat. Worauf sich das Spezialinteresse richte, könne etwa berufliche Möglichkeiten eröffnen. Im Übrigen rät der Psychologe zum Besuch von Selbsthilfegruppen. wig
ZUM WEITERLESEN
Tony Attwood: ,,Das Asperger-Syndrom. Das erfolgreiche Praxis-Handbuch für Eltern und Therapeuten", Trias, 2022, 5. Auflage, 227 Seiten, 24,99 Euro