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Speyer als Besuchermagnet

Speyerer Geschichten: Wie die Domstadt 1861 als Ausflugsziel und Tagungsort punktete

Speyer als Besuchermagnet

Der Chemiker Max von Pettenkofer nahm 1861 ebenfalls an der wissenschaftlichen Tagung in Speyer teil (Fotografie von Franz Hanfstaengl). REPRO: LUDWIG HANS

Einen außergewöhnlichen Besucheransturm erlebte die Stadt Speyer im Juli 1861: Nicht weniger als 1300 Mainzer Bürger reisten an diesem Sonntag mit einem Sonderzug an, um einen Tag in der Domstadt Speyer zu verbringen.

Speyerer Geschichten: Wie die Domstadt 1861 als Ausflugsziel und Tagungsort punktete

Zwei Lokomotiven waren notwendig, um den aus 38 Waggons bestehenden Zug zu ziehen, der am 14. Juli 1861 im Speyerer Bahnhof einfuhr, wo die Mainzer Besucher von einer „ungeheueren Menschenmenge“ empfangen wurden, denn das Ereignis hatte sich bereits Tage zuvor herumgesprochen. Unter den Klängen der ebenfalls mitgereisten Mainzer Stadtmusik und der Speyerer Schützenkapelle ging es in die „mit Fahnen reichlich gezierte Stadt“, wo zunächst die Besichtigung des Kaiserdoms auf dem Programm stand, bevor beide Kapellen dem damaligen Regierungspräsident von Hohe und dem Bischof von Speyer vor deren Wohnungen Ständchen darbrachten.

Im Anschluss verteilten sich die Gäste aus Mainz auf die verschiedenen Gasthäuser der Stadt oderstatteten ihren Speyerer Bekannten und Freunden einen Besuch ab. „Der Nachmittag“, so berichtete die „Pfälzer Zeitung“ über das außergewöhnliche Ereignis, „fand Gäste wie Einheimische meistens in den Gartenwirthschaften und Bierkellern, deren freundliche und geschmackvolle Anlage allgemeine Anerkennung fand. Es offenbarte sich daselbst recht der heitere, lebensfrohe Sinn, durch den sich die Bewohner der rheinischen Schwesterstadt, des alten Moguntiacum, von jeher auszeichnet“. In geselliger Atmosphäre verging die Zeit nur allzu schnell, so dass ein Sonderzug um 7 Uhr abends die „muntere Gesellschaft, die von ihrem Aufenthalt da hier sichtlich befriedigt war“ wieder nach Mainz brachte. „Bei der Abfahrt wollte das Tücherschwenken und Hochrufen kein Ende nehmen“.

„Bei der Abfahrt wollte das Tücherschwenken und Hochrufen kein Ende nehmen.“

Wenige Wochen später war Speyer Ort einer Tagung deutscher Naturforscher und Ärzte mit rund 600 Teilnehmern, die hier zu einem wissenschaftlichen Gedankenaustausch zusammenkamen, darunter auch illustre Persönlichkeiten wie beispielsweise Max von Pettenkofer, der die Sektion „Chemie“ in diesen Tagen leitete.

Neben Vorträgen und dem Programm, das die offizielle Tagesordnung vorsah, kam die Geselligkeit der Teilnehmer aber auch nicht zu kurz: „Nachmittags nach 2 Uhr“, so der Bericht der „Pfälzer Zeitung“, „zogen unsere werthen Gäste mit vielen hiesigen Bewohnern, eine österreichische Regimentsmusik an der Spitze, in geschlossenen Reihe durch die Hauptstraße nach Berghausen, wo ihnen im Mattern’schen Garten ein ländliches Fest bereitet war […] Musik und Gesang – das Claudius’sche Rheinweinlied wurde von fast allen Anwesenden mitgesungen – wechselte und es herrschte die heiterste Stimmung“. Der „Mattern’sche Garten“ war in jenen Jahren ein beliebtes Ausflugsziel der Speyerer, den schon August Becker in seiner 1857 erschienenen Volkskunde „Die Pfalz und die Pfälzer“ als „Belustigungsort“ vor den Toren der Domstadt erwähnte, „da sich hier eine Gartenanlage im englischen Geschmack befindet, die in der Tat des Besuches in ihrer reizenden, idyllischen Lage wert ist, wie denn auch das Wirtshaus dabei nichts zu wünschen übrig lässt“.

Am Abend wurde der Garten mit Wind- und anderen Lampen beleuchtet und ein Feuerwerk abgebrannt. Gegen 9 Uhr zogen die letzten Festtheilnehmer in die Stadt zurück. Ein Besuch des Bierkellers der Brauerei von Heinrich Weltz, wo ebenfalls eine Kapelle aufspielte und die Speyerer Liedertafel Gesangsstücke vortrug, gehörte ebenso zum Rahmenprogramm der mehrtägigen Veranstaltung, wie ein Bahnfahrt, die die gelehrte Gesellschaft in 42 geschmückten Waggons nach Neustadt brachte, wo die Wissenschaftler im „Schießhaus“ gebührend empfangen wurden, „dessen weite Räume die zahlreiche Gesellschaft kaum zu fassen vermochten“.

Abends wurde den Gästen zu Ehren die Burg Winzigen (Haardter Schlößchen) mit bengalischem Feuer beleuchtet und erst um halb neun Uhr brachte ein Sonderzug die Gäste, „die von dem Feste sehr befriedigt waren“ und vermutlich auch den vorzüglichen Pfälzer Weinen zugesprochen hatten, wieder nach Speyer zurück. lh