„Aus meiner Sicht handelt es sich beim Fach Geschichte um die Königsdisziplin der Geisteswissenschaften. Weit zurückliegende historische Entwicklungen beeinflussen unsere Gegenwart in vielen Facetten, und ohne Geschichte ist menschliches Leben nicht vorstellbar“, beschreibt Armin Schlechter, Vorsitzender der Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz, seine Begeisterung für das Fach Geschichte, die sich bereits in der Schulzeit abgezeichnet habe. „Ich bin in Heidelberg aufgewachsen, im Stadtteil Handschuhsheim, und Heidelberg ist wie Speyer eine besonders geschichtsträchtige Stadt. Beide Städte sind durch historische Ereignisse wie den Dreißigjährigen Krieg oder den Pfälzischen Erbfolgekrieg entscheidend geprägt worden, beide haben den Zweiten Weltkrieg vergleichsweise unbeschadet überstanden.“ Wie hängen Geschichte und Heimatzusammen? Eine Frage, die den 61-Jährigen sowohl privat, beruflich als auch in seinem Ehrenamt beschäftigt. „Unweit von meinem Hanggarten in Handschuhsheim findet sich der Flurname Steinberg, wo im berühmten Lorscher Codex schon vor dem Jahr 800 Weinberge erwähnt werden, die es heute noch gibt – eine enge Verbindung von Geschichte und Heimat.“ Promoviert hat Schlechter in den Fächern Altgermanistik, Geschichte und Mittellatein. Seit 2016 ist er Erster Vorsitzender der Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz. Diese widmet sich der Erforschung und Förderung der Geschichte der Stadt Speyer und ihrer Umgebung. „Speyer ist eine der ältesten Städte in Deutschland, die vom Dom mit seinen wechselvollen Schicksalen überragt wird. Die Stadt spielte über viele Jahrhunderte eine besondere Rolle in den deutsch-französischen Konflikten, im Guten wie im Bösen“, so Schlechter. Mit 700 Mitgliedern ist die Bezirksgruppe Speyer die größte innerhalb des Historischen Vereins der Pfalz. Im Zentrum der Arbeit des Vereins steht die Organisation von Vorträgen zur Geschichte von Speyer und der Pfalz in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Speyer in der Villa Ecarius. Der Verein fördere außerdem nicht nur Publikationen, sondern habe auch selbst verlegte Titel im Angebot, berichtet der Vorsitzende. Außerdem sei der Verein Mitausrichter von Tagungen. So fand am 9. und 10. November 2018 in Speyer die von ihm mitgeförderte Tagung „Kriegsende und französische Besatzung am Oberrhein“ statt; Hauptausrichter war die „Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein“, in deren Reihe „Oberrheinische Studien“ 2020 auch der Tagungsband erschienen ist. Weiter lobt die Bezirksgruppe jährlich einen Schülerpreis aus.
Vereint in Speyer: Armin Schlechter, Vorsitzender der Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz, geht der Frage nach, wie Geschichte und Heimat zusammenhängen
Vorträge in Kooperation mit der Volkshochschule Speyer erfreuten sich mit bis zu 100 Teilnehmern pro Veranstaltung großer Nachfrage. Online sind es vor allem die über die Homepage zur Verfügung gestellten historischen Aufnahmen von Speyer, die Interessierte begeistern – und die schon seit 2012 beliebte Reihe „Zeitzeugen“. Dabei werden ganz subjektive Erlebnisse und Erfahrungen zur Speyerer Geschichte vor allem älterer Menschen dokumentiert. „Gerade der Alltag, der hier oft im Vordergrund steht, ist durch keine andere Quellengattung dokumentierbar“, beschreibt Schlechter.
Seine eigenen Verbindungen zu Speyer seien vielfältig, erzählt er, beginnend mit ersten Besuchen als Kind mit den Eltern in Speyer und in der Pfalz. „Auf historischer Ebene ist es die vielfältig verwobene Geschichte der Kurpfalz und des Bistums Speyer, die mich interessieren. Mit dem Historischen Museum der Pfalz stellt sich Speyer in besonderer Weise seiner Geschichte; hinzu kommen weitere Einrichtungen in der Stadt, die sich der jüdischen Geschichte oder aber auch der Schriftstellerin Sophie von La Roche widmen.“ Schlechter war einige Jahre in der Badischen Landesbibliothek tätig und habe die dort aufbewahrten Speyerer Handschriften erschlossen. „Darunter das Speyerer Evangelistar aus der Zeit um 1220, eine beeindruckende Prachthandschrift.“
Die Vereinsarbeit habe sowohl Berührungen mit seinem Beruf als auch mit seinem Privatleben – und verbinde beide Bereiche. „Geschichte ist die maßgebliche Disziplin für alles, womit ich mich beschäftige“,sagt er. Sie biete die Möglichkeit, das eigene Tun in der geschichtlichen Folge zu reflektieren. In seiner beruflichen Tätigkeit steht das historische Bucherbe im Vordergrund. Als Leiter der Abteilung Sammlungen im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz/Pfälzische Landesbibliothek Speyer ist eine seiner Hauptaufgaben die Dokumentation der pfälzischen Geschichte, soweit diese an die Form des Buches gebunden sei. „Dazu gehören die Bewahrung der Überlieferung, aber auch das antiquarische Erwerben von Quellen zur pfälzischen Geschichte. Zusammen mit den Archiven und Museen ist die Pfälzische Landesbibliothek eine der kulturtragenden Einrichtungen der Stadt und der Pfalz.“
Quellen müssen bewahrt, Geschichte müsse aber auch vermittelt werden, wie dies mit Ausstellungen, Vorträgen und anderem mehr möglich sei. „Hier spielen der Historische Verein und das Historische Museum der Pfalz als Transmissionsriemen eine große Rolle. Ausstellungen werden in Speyer aber auch immer wieder von einem Netzwerk erarbeitet, zu dem neben dem Landes- und dem Stadtarchiv auch die kirchlichen Archive und Bibliotheken gehören“, betont Schlechter. Nach wie vor halte er es für wichtig, Jubiläen historischer Ereignisse durch Ausstellungen, Vorträge und Publikationen wieder ins Gedächtnis zu rufen und ihre Bedeutung für die Region zu untersuchen.
„Meine ehrenamtliche Arbeit ist für mich eine Fortsetzung meiner privaten Interessen, aber auch meines beruflichen Schwerpunktes – und ein Bekenntnis zum Speyerer Netzwerk der kulturtragenden Institutionen“,sagt Schlechter. Seine ehrenamtliche Tätigkeit versteht er als Generationenvertrag, in dessen Verantwortung er sich auch selbst sehe.
Als Erster Vorsitzender der Bezirksgruppe organisiert er in Zusammenarbeit mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Vortragstätigkeit des Vereins. Ausgewählte Themen mit aktuellem und regionalem Bezug sollen aufbereitet und den Menschen vermittelt werden. Das wichtigste Element in der Vereinsarbeit sei für ihn der Vorstand, der vertrauensvoll zusammenarbeite. „Auch wenn nicht selten kontrovers diskutiert wird, lässt sich in der Zusammenarbeit von Personen, die beruflich aus ganz verschiedenen Branchen kommen, mehr erreichen als allein“, betont der Vorsitzende.
Im Konsens befinden sie auch über Förderanträge, die den Verein erreichen. „Auf diese Weise können wir zum Erscheinen von Büchern zur pfälzischen Geschichte beitragen, Ankäufe und andere Projekte fördern und anderes mehr.“ Was den Vorsitzenden besonders freue, sei genau diese Zusammenarbeit: „In diesem Gremium kann man über verschiedene Ideen diskutieren und eigene Buchideen auf den Weg bringen“,sagt er. „Der Verein ist eine wunderbare Möglichkeit, für die Geschichte zu werben und etwas zu bewegen.“ una
Historischer Verein der Pfalz in Zahlen und Daten
• Gründung der Bezirksgruppe Speyer: 6. Juni 1961 im kleinen Stadtsaal
• Mitglieder: etwa 700. Beitreten kann man dem Hauptverein und sich dabei für die Bezirksgruppe Speyer oder eine andere Bezirks- oder Ortsgruppe entscheiden
• Mitgliedsbeitrag: regulär 25 Euro/Jahr, Familienmitgliedschaft 39 Euro/Jahr
• Besonderes: Als Mitglied erhält man freien Eintritt im Historischen Museum der Pfalz. Ehrenamtlich tätige Mitglieder sind der Vorstand der Bezirksgruppe und wechselnde Mitglieder, die mit Vorträgen zum Veranstaltungsprogramm der Bezirksgruppe beitragen
• Kontakt zur Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz e. V.:
http://historischer-verein-speyer.de
Tel. 06232 9006242
E-Mail: kontakt@historischer-verein-speyer.de
• Ansprechpartner: Dr. Armin Schlechter