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Domspitzen

Raub wird zum Stadtgespräch

Speyerer Geschichten: Wie ein Unteroffizier im Jahr 1860 mit 1000 Gulden verschwand

Raub wird zum Stadtgespräch

„Der Paradeplatz in Landau“, am linken Bildrand das Gebäude der damaligen Festungskommandantur, heute Stadtverwaltung (Stahlstich R. Höfle, ca. 1860) REPRO: LUDWIG HANS

Ein dreister Postraub sorgte in Speyer im Dezember des Jahres 1860 für Gesprächsstoff: Von 8000 Gulden, die von der Kreiskasse in Speyer für die Festung Landau bestimmt gewesen waren, hatten Unbekannte bei einem Geldtransport einen Postsack mit 1000 Gulden für sich „abgezweigt“. Von dem oder den Tätern gab es zunächst keine Spur.Die Ermittlungen liefen in den ersten Dezembertagen des Jahres 1860 auf Hochtouren, denn der Raub hatte sich schon am 30. November ereignet und war sogleich zum Stadtgespräch geworden. Dabei war der Geldtransport doch einer lange eingespielten Routine gefolgt: Genau acht Geldsäcke mit insgesamt 8000 Gulden hatte die bei der Regierung der Pfalz angesiedelte Kreiskasse in Speyer der Post übergeben mit dem Auftrag, die Geldsäcke nach Landau zu transportieren,wo die Militärbehörden die Gelder zur Auszahlung des Solds an die Soldaten der in der Festung liegenden Truppen erwartete. Doch dieses Mal wurde die Sendung zwar abgefertigt und ordnungsgemäß nach Landau transportiert, doch rieb man sich in Speyer erstaunt die Augen, als am folgenden Tag eine Nachricht der Landauer Militärs eintraf, die besagte, dass sich in einem der acht Postsäcke statt 1000 Gulden, nur zerkleinerte Ziegelsteine und Bleistücke in Rollen befunden hatten.

Speyerer Geschichten: Wie ein Unteroffizier im Jahr 1860 mit 1000 Gulden verschwand

Zum Beweis sandte man den betreffenden Geldsack zur Kreiskasse nach Speyer zurück, wo ihn eine eigens dazu bestimmte Kommission begutachtete und ebenfalls feststellen musste, dass der Sack bis an den Rand mit „Ziegelmehl“ und Blei gefüllt war. Der Sack selbst trug die Aufschrift „Rentamt Bergzabern“ und unterschied sich nur in einigen Details von den Behältnissen, welche die üblicherweise Kreiskasse zum Geldtransport verwendete.

Alle mit dem Vorgang befassten Speyerer Postbeamten bestätigten, dass sie bei der Abfertigung der Sendung keinen derartigen Geldsack wahrgenommen hatten, was die Vermutung nahelegte, dass der Geldsack aus dem Bestand des Rentamts (Finanzamts) Bergzabern unterwegs der Sendung „untergeschoben“ worden war. „Wie und wo dies geschehen sei“, so die „Pfälzer Zeitung“, die am 8. Dezember 1860 über den unerhörten Vorfall berichtete, „wird hoffentlich die Untersuchung herausstellen. Soviel ist gewiß, daß von hier aus die Sendung von 8000 fl. (Gulden) in vollkommenster Ordnung von sich ging“.

Die Aufklärung des Falles kam indes kaum voran und zog sich über Wochen hin. Erst am 25. Januar 1861 – also fast zwei Monate nach dem Raub – konnte die „Pfälzer Zeitung“ melden, dass es nach langen vergeblichen Nachforschungen endlich gelungen war, den Täter zu ermitteln, bei dem es sich um einen beim Festungsgouvernement Landau eingesetzten Unteroffizier des 9. Regiments aus dem mittelfränkischen Münster-Schwarzach handelte, der beim Gouvernement als „Aktuar“ verwendet worden war und dabei offenbar Kenntnis von der erwarteten Geldsendung erhalten hatte.

Doch gelang es dem Unteroffizier, sich seiner Verhaftung rechtzeitig durch Flucht zu entziehen. In Speyer konnte jedoch eine Frau verhaftet werden, die mit dem Beschuldigten in einer persönlichen Beziehung stand und in einem Flur des Gouvernementsgebäudes in Landau genau an dem Tag, als die Geldsendung dort abgeliefert wurde, mit einem Korb gesehen worden war. Offenbar hatte sie den Sack mit den Ziegelmehl-Rollen und Bleistücken dorthin gebracht und den entwendeten Sack mit den 1000 Gulden aus dem Gebäude transportiert.

Zwar fand man bei einer eilends angesetzten Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten einen Koffer, in dem dieser ähnliche Gegenstände, offenbar für weitere Diebstähle, vorbereitet hatte. Der verdächtige Unteroffizier blieb letztlich genauso verschwunden wie die gestohlenen 1000 Gulden, die er zu diesem Zeitpunkt vermutlich längst „in Sicherheit“ gebracht hatte. lh