Als Jürgen Schlindwein im Sommer 1992 mit 28 Jahren in seinem Garten in Waghäusel saß, Vögel und Natur beobachtete, setzte sich bei ihm ein Gedanke fest, der ihn nicht mehr losließ: Fliegen, das sollte man können! „Ich bin jemand, der alles mal ausprobieren möchte“, sagt der heute 64-jährige Vorsitzende der Motorfluggemeinschaft (MFG) Speyer.Er hat einen Bootsführerschein, hat in der Vergangenheit einen Tauchclub gegründet und seine Freude am Klettern entdeckt. Auch das Fliegen hatte er sich in den Kopf gesetzt, schnappte sich einen Freund, steuerte den Speyerer Flugplatz an, informierte sich damals bei einem der Fluglehrer – der gerade aus dem Flieger stieg – und beschloss, so schnell wie möglich eine Flugausbildung zu absolvieren. Für ihn war von Anfang an klar: „Ich möchte neue Plätze entdecken, neue Orte erkunden und Erfahrung sammeln.“ In einer Intensivausbildung in Vollzeit mit weiteren Flugschülern machte er dann innerhalb von vier Wochen seinen Pilotenschein. 1200 Flugstunden und 1600 Landungen liegen mittlerweile hinter ihm. Am liebsten fliegt Schlindwein mit der „Piper“, PA-28-181- Archer II, sagt er – einem viersitzigen Tiefdecker, Ganzmetall mit festem Fahrwerk, 110 Knoten, Baujahr 1977.
Vereint in Speyer: Jürgen Schlindwein, Vorsitzender der Motorfluggemeinschaft Speyer, hat sich und anderen den Traum vom Fliegen erfüllt – Luftsport geht mit Freiheit aber auch Verantwortung einher
„Die Schönheit von oben erleben“
Während der Ausbildung kam es irgendwann zu dem sogenannten Freiflug“, erzählt er. Das heißt: die ersten drei Platzrunden, also auch Landungen, ohne Fluglehrer. „Das schönste aber gleichzeitig schlimmste Gefühl war, als ich nach rechts geschaut habe – und der Sitz war leer, das erste Mal.“ Man stellt den Hebel ein, das Flugzeug rollt an, die Räder heben vom Boden ab und es werde einem bewusst: Jetzt liegt dein Leben in deinen Händen. „Das Fliegen ist ein Gefühl, das nicht zu beschreiben ist.“ Die Begeisterung für das Fliegen packe ihn immer wieder aufs Neue. „Es ist einfach wunderschön.“ Mindestens einmal pro Woche ist Schlindwein in der Luft. „Man ist sich seiner Verantwortung immer bewusst. Noch heute habe ich vor jedem Start und vor jeder Landung Respekt“, erklärt er. „Man muss einfach wissen: da ist keine Spielerei – man muss sich konzentrieren!“
Der Start und die Landung sind es, die den Piloten am meisten fordern – und jede Landung ist anders. Entscheidend seien das fliegerische Fachwissen, die Erfahrung und der Vorflugcheck. Und grundsätzlich der Respekt vor dem Fliegen. Eine Herausforderung, die ihm Spaß macht. „Man ist unabhängig und flexibel, aber man darf beim Fliegen keinen falschen Stolz haben. Denn sonst wird Routine zum Leichtsinn.“
Kein Flug ohne gute Vorbereitung
Wetterlage, NOTAMs (Notice To Air Man: „Nachrichten für Luftfahrer“), Gewichts- und Schwerpunktbestimmungen, Kraftstoffberechnungen, Vorflugcheck, Elektrik – es gibt Einiges zu tun für eine sorgfältige Flugvorbereitung, betont der Pilot. Unter anderem der Außencheck und die Vorflugkontrolle, die Überprüfung des technischen Zustandes des Flugzeuges vor jedem Flug. Auch das Wetter müsse vorab analysiert werden. „Am besten beschäftigt man sich auch schon einige Tage vor dem Flug mit der Wetterlage“, sagt er. Wie ist das Wetter auf der gesamten Strecke? Wie am Ankunftsort? Wie verhalten sich die Hoch- und Tiefdruckgebiete? „Da wir auf Sicht fliegen, muss die Strecke frei von Wolken sein.“ Sollte der Rückflug aufgrund der Wetterlage nicht möglich sein, muss umdisponiert werden. Außerdem gilt es die NOTAMs zu checken. „Das sind Nachrichten über Ereignisse, die den Flug beeinträchtigen könnten“, erklärt der Vorsitzende, zum Beispiel aktuelle Flugbeschränkungsgebiete, Kunstflugboxen oder Flugtage.
Ebenso müssen die Gewichts- und Kraftstoffberechungen stimmen: Wie viel Gewicht habe ich insgesamt?Wie ist die Weight-and-Balance? Muss ich Zwischenlanden? „Die gesamte Flugvorbereitung ist wichtig für einen sicheren Flug und darf nicht vernachlässigt werden“, betont Schlindwein.
Harmonie in der Fliegerfamilie
Seit 1992, mit dem Beginn seiner Flugausbildung, ist Schlindwein Mitglied der MFG Speyer. 2000 wurde er zu dessen Vorsitzenden gewählt, zuvor war er Schriftführer. Er verbinde mit der Motorfluggemeinschaft vor allem harmonische Erlebnisse. „Wir sind ein familiärer Verein, darauf legen wir viel Wert“, so der Vorsitzende. Er berichtet von regelmäßigen Ausflügen an die Nordsee, Ostsee oder auch ins Ausland mit Familien, Freunden und Mitgliedern.
„Deutschland hat so schöne Ecken. Wir fliegen einmal im Jahr mit einer Gruppe von 20 Personen schon seit 25 Jahren an die Nordsee. Das ist immer sehr harmonisch und etwas Besonderes“, beschreibt er die Erlebnisse mit der Gruppe im Alter von 16 bis 83 Jahren. Dabei werde je nach Wetterlage vor Ort entschieden, wohin die Reise gehen soll. „Man muss nichts erzwingen“, sagt er, „das Fliegen soll Spaß machen und sicher sein.“
Täglich werden in der Region Routen geplant, verschiedene Ziele angesteuert und mit kulturellen Touren kombiniert. Für ihn mache sowohl die Unabhängigkeit und Flexibilität des Fliegens dessen Faszination aus, wie auch die Gemeinschaft innerhalb der Fliegerfamilie sowie die Erlebnisse, die sich ganz spontan ergeben. Egal wo er lande, er fühle sich immer willkommen.
Dies spiegele sich auch im Vereinsleben wieder: besonders stolz ist der Vorsitzende auf das friedliche Miteinander, die regelmäßige Ausübung des Flugsports und Nutzung der Maschinen durch die Mitglieder, Berufspiloten als Fluglehrer – und auch, dass junge Interessenten den Weg zur MFG finden. „Wir sind mit einem Altersdurchschnitt von 40 Jahren ein junger Verein“, erklärt er. Die Flugzeuge seien bis zu 25 Stunden pro Woche in der Luft und fliegen zwischen 1000 und 1200 Stunden im Jahr. Mittlerweile ist die MFG auf 170 Mitglieder gewachsen, Tendenz steigend.
Mehr Mitglieder, mehr Aufgaben
Für den Verein wünsche sich Schlindwein, dass es in der Gemeinschaft weiterhin so einträchtig bleibt und sich die Mitglieder aufeinander verlassen können, wie bisher auch. „Wir haben vier bis fünf Arbeitseinsätze im Jahr, bei denen in der Regel bis zu 40 Helfer dabei sind.“ Dabei werden vor jeder Saison die Flugzeuge grundgereinigt, die Halle gestrichen, die Außenanlage gepflegt. Außerdem soll in diesem Jahr ein Freisitz für gemeinsame Treffen entstehen. Was die Organisation betrifft, würde sich der Vorsitzende über jemanden freuen, der Freude daran hat, den Flugzeugverleih vor Ort zu koordinieren. Oder sich um die Social Media Kanäle des Vereins zu kümmern, um die vielen Aktivitäten, Ausflüge und Angebote auf den entsprechenden Kanälen vorzustellen. una
Zur Person
Beruflich war Jürgen Schlindwein 37 Jahre im Rettungsdienst beim DRK in Karlsruhe tätig. Als HEMS (Helicopter Emergency Medical Service) Crew Member war er auch als Rettungsassistent beruflich im Rettungshubschrauber. Im Rettungsdienst ist er auch in den Folgejahren geblieben und hat sich mit zwei Firmen selbstständig gemacht: mit der Notrufteam GmbH in Waghäusel betreibt er ein bundesweites Notrufsystem in Kooperation mit Pflegediensten für Menschen mit Handicap und Senioren; mit dem KTI Krankentransport International in Germersheim führt er mit einem Team von 20 Mitarbeitern und vier Einsatzfahrzeugen Krankentransporte und Rettungsdienste aus. una
MFG Speyer in Zahlen und Fakten
• Gründung: 1977 von Heinrich Kellner, Otto Maier und seinen Fliegerfreunden
• Ziel: Faszination des Fliegens vermitteln, Förderung und Pflege des Flugsports
• Mitglieder: 170, 8 Vorstandsmitglieder
• Angebot: gemeinsame Fliegerurlaube, Beteiligung an Flugplatzfesten, Ausbildung neuer Piloten, Aktivitäten, Ausflüge, Streckenflüge für Vereinsmitglieder
• Ausstattung: Zwei professionell gewartete Piper 28-181 Archer II, eine Cessna 172 und eine Cessna 172SP
• Kosten: Mitgliedsbeitrag 35 Euro im Monat, Schüler und Studenten 18 Euro im Monat; Chartergebühren 170 Euro pro Stunde für Mitglieder, Buchungsmanagement Aircraft Info Desk
• Flugschule/ATO: Ausbildung für die „Light Aircraft Pilot Licence EASA LAPL(A)“ und die „Private Pilot Licence EASA-PPL(A)“ nach Sichtflugregeln (VFR) mit der Klassenberechtigung für einmotorige kolbengetriebene Landflugzeuge (SEP) sowie die Nachtflugberechtigung; die Theorieschulung wird über einen Fernlehrgang und optionale Präsenzstunden mit einem Fluglehrer abgebildet
• Neu: Ausbildung nach Instrumentenflugregeln (IFR)
• Kontakt:
Motorfluggemeinschaft Speyer e. V.
Am Flugplatz
Rheinhäuser Weide
67346 Speyer
Vorsitzender:
Jürgen Schlindwein
Haslacher Str. 5
68 753 Waghäusel
https://www.mfg-speyer.de
E-Mail: info@mfg-speyer.de
Mobil: 0170 671 0111