Bloß nicht zu spät kommen. Nicht schlecht über den alten Arbeitgeber reden, ja keine Nervosität zeigen, nicht die Arme verschränken und nicht zur Seite schauen. Die Liste an vermeintlichen Tabus für Bewerbungsgespräche ist lang.
Nicht jedes Tabu ist beim Bewerbungsgespräch ein knallhartes No-Go
Glaubt man vielen Ratgebern, so legen Personalfachkräfte Wert auf die „richtige“ Körpersprache. Nicht die Arme verschränken, nicht auf den Boden schauen – oder war es nicht zur Seite?
Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie, sagt: „Es ist zwar ein Fünkchen Wahrheit dran, dass die Körpersprache die Persönlichkeit widerspiegelt. Aber das als Basis zu nehmen, um Menschen im Einstellungsinterview zu beurteilen, davon kann aus Sicht der Psychologie nur abgeraten werden.“ Dennoch ergab eine Umfrage von Kanning unter gut 200 Unternehmen, dass bei 70 Prozent Körpersprache-Beobachtungen in die Entscheidung einfließen.
Die Coachin und Etikette-Expertin Elisabeth Bonneau rät jedoch dazu, sich nicht Gesten für ein Bewerbungsgespräch an oder abzutrainieren: „Das wirkt immer künstlich und der Personaler bekommt das Gefühl: Der Bewerber verstellt sich“. Und wer seine Körpersprache prüfen möchte, sollte das auch nicht vor dem Spiegel tun: Besser sei es, eine Kamera aufzustellen oder Freunde um ein ehrliches Feedback zu bitten. Kandidaten wird oft nahegelegt, im Gespräch möglichst Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen. Leichter gesagt als getan – und letztlich nicht unbedingt entscheidend, sagt Kanning: „Vor einem Bewerbungsinterview nervös zu sein, ist nachvollziehbar.“ Entscheidend sei, wie aufgeregt jemand sei und auf welche Stelle er sich bewerbe. „Wenn ein angehender Azubi mit zitternder Stimme und roten Flecken im Gespräch sitzt, ist das gar nicht schlimm, da wäre ich großzügig“, sagt Kanning. „Jemand, der eine hohe Führungs- oder Sprecherposition bekleiden will, der muss souveräner auftreten, denn im Beruf wird es viel schlimmere Situationen geben.“
Ahnungslos ins Gespräch zu spazieren, ist tatsächlich ein No-Go. 91 Prozent der in Kannings Studie befragten 200 Unternehmen wollen etwa Gründe für die Bewerbung hören, fast 70 Prozent testen Wissen über den Betrieb. „Das sollte man vorbereiten“, sagt Kanning. Gleiches gelte für Fragen nach den eigenen Stärken und Schwächen.
Aktiver und passiver Part
Häufig wird thematisiert, warum man den Job wechseln möchte. Wer dabei schlecht über den alten Arbeitgeber spricht, verschafft sich selten einen Vorteil. „Das ist tatsächlich ein Tabu“, sagt Bonneau. Man könne auf der Suche nach neuen Herausforderungen sein oder sich beruflich weiterentwickeln wollen, so die Expertin. Dass es einem nach drei Jahren im bisherigen Unternehmen einfach reicht, ist dagegen keine gute Antwort. „Dahinter steckt die alltagspsychologische Annahme, dass es sich nicht umeinen loyalen Mitarbeiter handelt“, erklärt Kanning.
Beide Experten legen Bewerbern ans Herz, sich auch mit ihrem passiven Part im Gespräch etwas genauer zu beschäftigen: dem Zuhören. Denn, so erklärt Bonneau, vielleicht bekommt man etwas über das Unternehmen erzählt, das man dank guter Vorbereitung schon weiß. Dann gilt es, nicht gelangweilt in sich zusammenzusacken, sondern interessiert zuzuhören. „Die Eignung ist meist weniger wichtig als das Gefallen. Die Entscheidung hängt davon ab,wie der Interviewer sichmit dem Bewerber fühlt“, sagt Kanning. dpa
Info
Studie Uwe Kanning, 2011, https://journal-bmp.de/wp-content/uploads/Kolev-Kanning2011_formatiert.pdf